17. Wahlperiode Drucksache 17/0855 27.02.2013 Antwort auf die Große Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Situation der Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler (Drs. 17/0651) Abgeordnetenhaus von Berlin 17. Wahlperiode Seite 2 Drucksache 17/0855 Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen - III A 2 - Telefon: 9017 (917) 2314 An den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei – G Sen - A n t w o r t auf die Große Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen über Situation der Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler - Drs. 17/0651 - ___________________________________________________________________ Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Große Anfrage wie folgt: 1. Hält der Senat die gleichberechtigte Partizipation von Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern gegenwärtig für gegeben? Wenn nein, was gedenkt der Senat für die Chancengleichheit und das Miteinander zu tun? Zu 1.: Seit Jahren besteht in Berlin ein breitgefächertes Angebot an Integrationsmaßnahmen für Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler in Bundes- und Landesförderung. Die Angebote zu ihrer Beratung und Unterstützung umfassen Hilfestellungen in allen wesentlichen Lebensbereichen . Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler waren und sind grundsätzlich in alle Programme und Maßnahmen einbezogen, die für Menschen mit Schwierigkeiten bei der sozialen, beruflichen und gesellschaftlichen Integration angeboten werden. Sie partizipieren sowohl als Deutsche als auch als Gruppe der Aussiedler sowie der russischsprachigen Migranten, können also auf ein breites Spektrum an Hilfen zurückgreifen. Seit Konstituierung des Berliner Landesbeirates für Integrations- und Migrationsfragen im Jahr 2003 gehört diesem Gremium eine Vertreterin / ein Vertreter der in Berlin lebenden Aussiedlerinnen und Aussiedler / Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler an. Über dieses Gremium besteht eine Plattform, eigene Interessen zu artikulieren und Vorschläge und Initiativen einzubringen – allein oder im Zusammenschluss mit anderen. Vertreterinnen und Vertreter russlanddeutscher Vereine sind ausdrücklich aufgerufen, sich mit konkreten Vorschlägen zur Integrationspolitik im Sinne einer aktiven Partizipation einzubringen . 2. Wie viele Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler sind in den letzten zehn Jahren in Berlin aufgenommen worden? (Bitte aufschlüsseln nach Jahr, Herkunftsland, Geschlecht, Alter und BVFG-Status.) 3. Wie viele Familienangehörige sind im Rahmen des Zuzugs nach §§ 4, 7 und 8 BVFG mit eingewandert? Wie viele Angehörige erfüllten die Einbeziehungsvoraussetzungen nicht? (Bitte aufgeschlüsselt nach Jahren .) - - 2 Zu 2. und 3.: Diese Fragen können nur auf der Grundlage der beim Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) bis einschließlich 2008 und – wegen der vollständigen Übertragung der Zuständigkeit für das Aufnahme- und Statusfeststellungsverfahren von den Ländern auf den Bund im Jahr 2009 - für die Folgejahre vom Bundesverwaltungsamt (BVA) aufgestellten Statistiken beantwortet werden; eine darüber hinausgehende Auswertung wäre nur mittels einer manuellen Aktensichtung möglich und würde einen unverhältnismäßigen Arbeits - und Zeitaufwand erfordern. Die Zuzugsstatistiken des LAGeSo für die Jahre 2002 bis 2008 sind den Anlagen 1 a-g zu entnehmen. Die Verteilstatistiken des BVA für die Jahre 2009 – 2011 sind unter folgenden Internetadressen veröffentlicht: 2009: http://www.bva.bund.de/cln_235/nn_2171900/DE/Aufgaben/Abt__III/Spaetaussiedler/stati stik/Jahre/2009/Jahre2009__inhalt.html 2010: http://www.bva.bund.de/cln_235/nn_2171900/DE/Aufgaben/Abt__III/Spaetaussiedler/stati stik/Jahre/2010/Jahre2010__inhalt.html 2011: http://www.bva.bund.de/cln_235/nn_2171900/DE/Aufgaben/Abt__III/Spaetaussiedler/stati stik/Jahre/2011/Jahre2011__inhalt.html 4. Wie viele von ihnen leben momentan in Berlin in welchen Bezirken? (Bitte aufschlüsseln nach Herkunftsland , Anzahl und Bezirken.) Zu 4.: Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler sind gemäß § 4 Absatz 3 Bundesvertriebenengesetz (BVFG) Deutsche im Sinne des Artikels 116 Abs. 1 des Grundgesetzes. Ehegatten oder Abkömmlinge von Spätaussiedlern, die nach § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG in den Aufnahmebescheid einbezogen worden sind, erwerben, sofern die Einbeziehung nicht unwirksam geworden ist, diese Rechtsstellung mit ihrer Aufnahme im Geltungsbereich des Gesetzes. Auf Grund dieser rechtlichen Rahmenbedingungen gibt es für den Personenkreis der nach dem BVFG aufgenommenen Personen keine gesonderte statistische Erfassung ihrer Wohnsitznahme innerhalb Berlins. Auch die Fluktuation als Folge von Zu- und Wegzügen aus anderen Bundesländern bzw. in andere Bundesländer, Auswanderung in andere Staaten oder Sterbefällen wird nicht personengruppenspezifisch dokumentiert. Aus diesen Gründen verfügt der Senat weder über aktuelle noch retrospektive valide statistische Daten über die Gesamtanzahl sowie Verteilung der in Berlin lebenden Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler auf die Bezirke. Aus der beim LAGeSo geführten Statistik über die Vermittlung von Wohnungen kann jedoch abgeleitet werden, dass für rd. 9.700 nach dem BVFG aufgenommene Personen in den Jahren 2001 bis 2010 Wohnungen vermittelt wurden. Die Verteilung auf die Stadtbezirke kann Anlage 2 entnommen werden. - - 3 5. Wie viele Angehörige dieser Bevölkerungsgruppen sind derzeit in welchen Übergangswohnheimen untergebracht und welche Perspektiven haben sie für eine baldige individuelle Wohnsituation? (Bitte aufschlüsseln nach Herkunftsland, Anzahl und Einrichtung.) Zu 5.: In der Gemeinschaftsunterkunft Trachenbergring 71-83, 12249 Berlin sind mit Stand 19.11.2012 35 nach dem BVFG aufgenommene Personen untergebracht. Davon stammen 15 Personen aus der Russischen Föderation, 12 Personen aus der Ukraine und 8 Personen aus Kasachstan. Im Rahmen der diesen Personen vom Sozialdienst des LAGeSo angebotenen Beratung erfolgt auch eine Unterstützung bei der Wohnungssuche; weitergehende konkrete Aussagen hinsichtlich der Perspektive für die baldige individuelle Wohnsituation können jedoch nicht getroffen werden. 6. Welche Möglichkeiten haben sowohl Jugendliche als auch Erwachsene dieser Gruppe gegenwärtig an Integrationsmaßnahmen und Sprachkursen teilzunehmen? (Bitte aufschlüsseln nach Angeboten, Zielgruppen und Bezirken.) Zu 6.: Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler sowie deren Ehegatten und Abkömmlinge haben nach § 9 Abs. 1 BVFG einen Anspruch auf kostenlose Teilnahme am Integrationssprachkurs und dem Orientierungskurs des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Das schließt die Zielgruppenkurse beispielsweise für Frauen oder Jugendliche ein. Für diesen Personenkreis erteilt das Bundesverwaltungsamt die Teilnahmeberechtigung für einen Integrationskurs. Daneben besteht für diese Gruppe Anspruch auf weitere Integrationshilfen, wie die weiterführende Integrationsmaßnahme „Identität und Integration Plus“ in Ergänzung zum Integrationskurs (§ 9 Abs. 4 BVFG). Im Rahmen des Integrationsprogramms nach § 45 des Aufenthaltsgesetzes stehen die bundesgeförderten Migrationsberatungsstellen für erwachsene Zuwanderer (MBE) und die Jugendmigrationsdienste (JMD) auch Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern zur Verfügung . Gleiches gilt für die über das Integrierte Sozialprogramm (ISP) aus Landesmitteln geförderten Migrantensozialdienste in Trägerschaft von Verbänden der Freien Wohlfahrtspflege an 9 Standorten in der Stadt. Über die Projektförderung zur gesellschaftlichen und sozialen Integration in Zuständigkeit des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge werden jährlich in den Bundesländern kommunale Projekte auch für die Gruppe der Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler gefördert. An dieser Förderung partizipiert auch Berlin . http://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Publikationen/Broschueren/projektjahrbuch- 2011.pdf?__blob=publicationFile In Berlin besteht insgesamt eine hohe Dichte und gute Erreichbarkeit von Integrationskursträgern und Beratungsstellen im Stadtgebiet. - - 4 7. Welche Schwierigkeiten treten nach Auffassung des Senats bei der Integration von Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern aktuell auf? Gibt es besondere Problemgruppen? Bestehen besonders hervorzuhebende Integrationsleistungen? Zu 7.: Seit Mitte der 1990er Jahre hat auch die Gruppe der Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler verstärkt mit Integrationsproblemen zu kämpfen, ungeachtet der Tatsache, dass ein hoher Prozentsatz der im Familienverband einreisenden Personen nach Abschluss des Bescheinigungsverfahrens, das durch das Bundesverwaltungsamt durchgeführt wird, im Regelfall die deutsche Staatsangehörigkeit erwirbt. Besondere Integrationshemmnisse bestehen insbesondere aufgrund der kaum noch vorhandenen Deutschkenntnisse, der Sozialisation in einem anderen gesellschaftlichen System, der hier oftmals nicht direkt verwertbaren Schul- und Berufsabschlüsse und der besonderen Situation der Gruppe der Jugendlichen, die in einer ohnehin schwierigen Entwicklungsphase mit den Eltern die Ausreise nach Deutschland antreten müssen. Diese Probleme sind mit denen anderer Zuwanderergruppen vergleichbar. Dabei gibt es die typische Spätaussiedlerin / den typischen Spätaussiedler ebenso wenig wie die typische Berlinerin oder den typischen Berliner . Eine besondere Sorge der bereits nach Deutschland ausgesiedelten Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler gilt den in den Herkunftsländern zurückgebliebenen Familienangehörigen . Im Zuge der Weiterentwicklung des Vertriebenenrechts ist am 9.12.2011 das Neunte Gesetz zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) in Kraft getreten. Mit dem Gesetz wurde eine Härtefallregelung geschaffen, um unvertretbare Familientrennungen (belastende persönliche oder familiäre Situationen) zu vermeiden. Damit können Ehegatten oder Abkömmlinge von Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern, die sich zunächst entschieden hatten, im Herkunftsland zu bleiben, bei Vorliegen eines Härtefalles nachträglich ins Bundesgebiet aussiedeln, wenn die sonstigen Aufnahmevoraussetzungen vorliegen und die erforderlichen Sprachkenntnisse vorhanden sind. Der Senat beurteilt die Integrationsleistungen der Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler für die Vergangenheit mehrheitlich positiv. Sie kommen mit einem vergleichsweise hohen Bildungsstand nach Deutschland und bemühen sich in der Regel aktiv um ihre Integration in die Gesellschaft. Nach einer Untersuchung des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung aus dem Jahr 2009 liegt die Hausfrauenquote bei den Spätaussiedlerinnen bei ca. 20 %, Frauen bringen aus den Herkunftsländern zu einem hohen Anteil eine berufliche Qualifikation mit. Junge Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler zeichnen sich überwiegend durch großen Bildungseifer aus. Für sie bestehen gute Chancen für ein Gelingen der Integration. Den gesetzlichen Anspruch auf Durchführung eines Anerkennungsverfahrens zu Prüfungen und Befähigungsnachweisen gab es für Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler auf der Grundlage des § 10 BVFG schon immer. Das Selbstverständnis der russlanddeutschen Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler ist einerseits in der gemeinsamen Geschichte verwurzelt, andererseits pflegen sie in der Regel gute Kontakte in die Herkunftsländer. So erfüllen gerade junge Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler eine wichtige Brückenfunktion für das Zusammenleben mit den Nachbarn in einem zusammenwachsenden Mittel- und Osteuropa. - - 5 8. Wie beurteilt der Senat die in den zurückliegenden Jahrzehnten ausgestaltete Integrationspolitik für Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler? Welche Pläne hat der rotschwarze Senat für die laufende Legislatur und welche Punkte wurden im Koalitionsvertrag verankert? Zu 8.: Aufnahme und Integration von Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern wurde und wird maßgeblich durch Bundesgesetze geregelt und gesteuert (Aussiedleraufnahmegesetz, Kriegsfolgenbereinigungsgesetz, Bundesvertriebenengesetz, Aufenthaltsgesetz, Fremdrentengesetz ). Artikel 116 Abs. 1 des Grundgesetzes stellt hierfür die Basis dar. Flankiert wurden die bundesgesetzlichen Grundlagen durch einen umfangreichen Katalog an Eingliederungsmaßnahmen . Dieses Instrumentarium wurde allerdings insbesondere seit 1993 mit dem Inkrafttreten des Kriegsfolgenbereinigungsgesetzes und den eingeführten statusrechtlichen Veränderungen kontinuierlich zurückgefahren. Die Begrifflichkeiten „Spätaussiedler“ sowie „Ehegatte und Abkömmling“ wurden mit Inkrafttreten des Kriegsfolgenbereinigungsgesetzes zum 1.1.1993 eingeführt. Hauptherkunftsländer sind seitdem die Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion. Die Aussiedlerpolitik des Bundes steht in der rechtlichen und politischen Tradition der Aufnahme und Integration von Flüchtlingen und Heimatvertriebenen nach dem Ende des 2. Weltkrieges. Die Bundesregierung bekennt sich noch heute ausdrücklich zu ihrer Verpflichtung zur Kriegsfolgenbewältigung und Solidarität mit den Deutschen in den Ländern Osteuropas und der ehemaligen Sowjetunion. Diese hatten infolge des Krieges wegen ihrer Volkszugehörigkeit besonders schwere Lasten zu tragen und haben Benachteiligungen erlitten, die bis heute fortwirken. Das kollektive Kriegsfolgenschicksal der Deutschen aus Russland wird weiterhin anerkannt. In den letzten 20 Jahren haben im Rahmen der Aussiedleraufnahme ca. drei Millionen Menschen aus den MOE-Staaten und den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion in der Bundesrepublik Aufnahme gefunden. Ihre Integration verlief meist ohne nennenswerte Konflikte, nicht zuletzt aufgrund jahrelanger guter Rahmenbedingungen und umfangreicher Hilfen zur Integration. Die Zugangszahlen sind seit Jahren stark rückläufig. Im Jahr 2011 wurden bundesweit 2148 Personen aufgenommen, davon in Berlin 71 Personen (Aufnahmequote nach dem Königsteiner Schlüssel 5,04%). Die Zusammensetzung der Aufgenommenen hat sich in den letzten Jahren mit einem wachsenden Anteil von Ehegatten, Abkömmlingen und sonstigen in das Verteilverfahren einbezogenen ausländischen Familienangehörigen strukturell erheblich verändert. Der Anteil der Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler mit originärem Status nach § 4 BVFG betrug nach aktueller Statistik des Bundesverwaltungsamtes für den Monat November 2012 27,62 %. Gründe für den Rückgang der Zuwanderung waren und sind Änderungen in den einschlägigen Rechtsgrundlagen, wie zuletzt im Zuge der Zuwanderungsgesetzgebung, aber auch ein deutlicher Rückgang bei der Gruppe der Russlanddeutschen in den Herkunftsländern der ehemaligen Sowjetunion. Für die Mehrheit der Gruppe wurde die Übersiedlung nach Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten bereits realisiert. Wer nach dem 1.1.1993 geboren ist, kann den originären Spätaussiedlerstatus nicht mehr erlangen. Diese Kontingentierung wurde mit Inkrafttreten des Kriegsfolgenbereinigungsgesetzes zum 1.1.1993 vorgenommen. - - 6 Mit Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes zum 1.1.2005 ist in der Bundespolitik die Trennung von Programmen zur Aussiedlerintegration und zur Ausländerintegration weitgehend aufgehoben worden. In den wesentlichen Angebotsbereichen, wie beispielsweise Sprachförderung sowie Beratung und Begleitung von Neuzuwanderinnen und Neuzuwanderern , zielen die konzeptionellen und inhaltlichen Neuausrichtungen auf eine Zusammenfassung der Zuwanderergruppen und die Ausrichtung an konkreten Problemstellungen und Lebenslagen ab. Der Berliner Senat hält es für wichtig, die Spezifik der Gruppe mit ihren historischen und kulturellen Besonderheiten in die Handlungsfelder und Aufgabenbereiche der Integrationspolitik einzubringen. Das Wissen um diese Besonderheiten stellt einen Schlüssel für den Zugang zu dieser Zuwanderergruppe dar. Noch wichtiger ist es jedoch, den Leitgedanken vergangener Jahrzehnte der Differenzierung nach Statusgruppen zu überwinden und gemeinsame Strategien zur Optimierung von Integrationsprozessen zu entwickeln und umzusetzen. Kapitel IV - Integration – der Richtlinien der Regierungspolitik 2011 bis 2016 enthält folgende Vorbemerkung: „Ziel des Senats ist, dass alle Bevölkerungsgruppen, unabhängig von ihrer sozialen und kulturellen Herkunft, wirtschaftlich wie auch sozial integriert sind und am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Das gilt in besonderem Maße für die Menschen mit Migrationshintergrund in unserer Stadt. Integrationspolitik ist daher auch immer Querschnittspolitik, die sich in allen Politikbereichen widerspiegelt.“ Aus den vorgenannten Gründen sind keine speziellen Punkte für die Gruppe der Spätaussiedler in der Koalitionsvereinbarung bzw. in den Richtlinien der Regierungspolitik des Berliner Senats verankert. 9. Welche schulischen und ausbildungsbezogenen Erfolgsquoten werden bei den Jugendlichen gegenwärtig beobachtet und was plant der Senat zur Unterstützung dieser Zielgruppen? Wie wurden die Beratungs- und Qualifizierungsleistungen nach dem Wegfall des Garantiefonds und dem Auslaufen der Aktivitäten der Otto-Benecke-Stiftung in diesem Bereich ausgeglichen? Zu 9.: Über den Erfolg in Schule und beruflicher Ausbildung können für Kinder und Jugendliche aus Spätaussiedlerfamilien keine Aussagen gemacht werden, da zum Merkmal "Spätaussiedler " keine Daten erhoben werden. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass dieser Personenkreis eine potenzielle Risikogruppe ist, spezifische Förderprogramme bestehen deshalb nicht. 10. Wie stark ist die Bevölkerungsgruppe von Erwerbslosigkeit betroffen und gibt es besonderer Maßnahmen , ihr den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern? Welche Unterstützung bietet der Senat bei Anerkennung von Berufsabschlüssen und Hochschulabschlüssen von Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern? Wie viele Abschlüsse wurden in welchen Branchen in den letzten zehn Jahren anerkannt? (Bitte getrennt nach Branche, Alter, Geschlecht auflisten.)Wie viele wurden im gleichen Zeitraum abgelehnt oder nicht entschieden ? Zu 10.: Laut Auskunft der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg (RDBB) gibt es bei den Agenturen für Arbeit und Jobcentern keine besonderen Förderprogramme, die sich nur an den Personenkreis der Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler richten. Diesen stehen alle - - 7 arbeitsmarktpolitischen Instrumentarien zur Verfügung, die der Instrumentenkasten des Zweiten und Dritten Sozialgesetzbuches (SGB II, SGB III) vorhält. Sofern die Notwendigkeit besteht, können diese arbeitsmarktpolitischen Instrumente nachrangig mit sprachlichen Anteilen flankiert werden. Im September 2012 waren laut RDBB 214.796 Personen in Berlin insgesamt arbeitslos, davon 6.621 Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler. Dieser Wert entspricht einem Anteil von 5,7 % an allen in Deutschland arbeitslosen Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern. Dabei sind Männer (6,1 %) stärker von Arbeitslosigkeit betroffen als Frauen (5,2 % der bundesweit arbeitslos gemeldeten Spätaussiedlerinnen). Der Anteil der ALG II Empfänger liegt im Bundesvergleich mit 7,2 % über dem Durchschnittswert, der Anteil der Personen im SGB III Rechtskreis unter dem Bundeswert (2,6 % der Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler , die bundesweit ALG I beziehen). September 2012 Arbeitslose Spätaussiedler insgesamt Arbeitslose männliche Spätaussiedler Arbeitslose weibliche Spätaussiedlerinnen Arbeitslose Spätaussiedler im Rechtskreis SGB III Arbeitslose Spätaussiedler im Rechtskreis SGB II Berlin 6.621 3.460 3.161 986 5.635 Anteil der arbeitslosen Spätaussiedler /innen in Berlin im Verhältnis zu allen arbeitslosen Spätaussiedler /innen in Deutschland in Prozent 5,7 % 6,1 % 5,2 % 2,6 % 7,2 % Zur Anerkennung ausländischer Hochschulabschlüsse liegen folgende statistische Daten für den Personenkreis vor: Jahr Anerkennungsbescheide Ablehnungen insgesamt 2003 98 45 143 2004 63 78 141 2005 46 46 92 2006 56 27 83 2007 46 5 51 2008 25 4 29 2009 21 4 25 2010 10 1 11 2011 10 4 14 2012 9 0 9 Für folgende Berufsgruppen wird der Personenkreis der Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler nicht gesondert erfasst: • Übersetzerinnen und Übersetzer • Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter sowie Sozialpädagoginnen und Sozialpädago- gen • akademische und nicht akademische Gesundheitsberufe • sozialpädagogische Berufe • Lehrerausbildungen • Zeugnisanerkennungen - - 8 Im Hause der Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen sind innerhalb der letzten 10 Jahre im Bereich der dualen Berufsausbildung nach Handwerksordnung und Berufsbildungsgesetz (Facharbeiterabschlüsse, kaufmännische Ausbildungen) insgesamt 1.148 Anträge (weiblich: 46,35 %, männlich: 53,65 %) auf Anerkennung der Berufsausbildung bzw. beruflichen Fortbildung gem. § 10 Abs. 2 und 3 BVFG eingegangen. Davon wurden 915 Abschlüsse als gleichwertig anerkannt (weiblich: 44,92 %, männlich: 55,08 %) und 233 Anträge abgelehnt (weiblich: 50,61 %, männlich: 49,39 %). Die meisten Anträge kamen aus den Berufsgruppen Elektrotechnik, Verwaltung / Wirtschaft und Bautechnik. Jahr Anerkennungsbescheide Ablehnungen insgesamt 2003 245 44 299 2004 153 41 194 2005 107 24 131 2006 116 29 145 2007 71 31 102 2008 64 22 86 2009 39 9 48 2010 49 20 69 2011 61 9 70 2012 10 4 14 Fazit: Die Antragszahlen im Bereich der Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler sind in den vergangenen Jahren - demographisch bedingt - immer weiter zurückgegangen. 11. Welche Erkenntnisse liegen dem Senat über die gesundheitliche Lage und Suchtmittelkonsum (z.B. Alkohol) vor und welche präventiven Angebote sind in welchem dieser Bereiche mit welchem Erfolg tätig? Zu 11.: Grundsätzlich wird die Nationalität im Rahmen der Diagnosestatistik in den Kliniken nicht erhoben. Auch die jährliche Suchthilfestatistik, an der sich alle Berliner Suchthilfeeinrichtungen beteiligen, lässt keine Erkenntnisse über Spätaussiedler zu. Jedoch ist aus der Statistik der Drogentodesfälle zu ersehen, dass der Aussiedleranteil im Vergleich zu den 90er Jahren stark rückläufig ist. Alle Drogen- und Suchthilfeeinrichtungen bieten auch der Gruppe der Spätaussiedler geeignete Hilfen an. Darüber hinaus sind einige Beratungsstellen und therapeutische Einrichtungen auf die Beratung und Behandlung russischsprachiger Personen spezialisiert bzw. verfügen über russische Sprachkenntnisse. Suchtpräventive Angebote sind Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern in gleichem Maße zugänglich wie anderen Bevölkerungsgruppen auch. Die Fachstelle für Suchtprävention im Land Berlin verfügt u. a. auch über russischsprachige Materialien. Die Elternselbsthilfe hält ebenfalls spezielle russischsprachige Gruppenangebote vor. 12. Welche Initiativen, Träger und Projekte gibt es in welchen Bezirken, die sich speziell um die Integration von Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler kümmern? (Bitte nach Bezirken, Projekten und Höhe der Förderung des Senats getrennt ausweisen.) - - 9 Zu 12.: Mit Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes wurde, wie bereits dargestellt, die Trennung der Angebote der Integrationsförderung nach Statusgruppen in Bund und Ländern weitgehend aufgehoben. Auch aus diesem Grunde ließe sich eine Gesamtübersicht über alle in den Bezirken bestehenden Integrationsprojekte, die Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler nutzen können, nur mit einem unverhältnismäßig hohen Arbeitsaufwand und letztlich vagen Ergebnis ermitteln, da diese auf die bestehende Vielfalt der Angebote zurückgreifen können und sie in der Regel nicht getrennt erfasst werden. Der / die Berliner Integrationsbeauftragte hat auch im Haushaltsjahr 2012 besondere Integrationsprojekte für die Gruppen Spätaussiedler und russischsprachige Migranten gefördert : Träger Projekt Standort / Einzugsbereich Fördersumme 2012(€) Berliner Landesverband der Vertriebenen e.V. Forckenbeckstr. 1 14199 Berlin Integrationsprojekt „Miteinander“ (Integration und Beratung nach §7 BVFG) CharlottenburgWilmersdorf 63.600 Club Dialog e.V. Friedrichstr. 176- 179 10117 Berlin Beratungs- und Begegnungszentrum für Russischsprachige Mitte 63.868 Russischer Elternverein Mitra e.V. Friedrichstr. 176- 179 10117 Berlin Beratung und Betreuung für Jugendliche aus Aussiedlerfamilien Mitte 32.000 Völkerball e.V. Josef-Orlopp-Str. 52 10365 Berlin Beratungs- und Begegnungszentrum für Migrantinnen und Migranten (Vietnamesen, Aussiedler ) Lichtenberg 46.267 Die Projekte können überregional genutzt werden. Ergänzend kann hingewiesen werden auf die Angebote des Integrationszentrums Harmonie e.V. in Tempelhof-Schöneberg und des Vision e.V. in Marzahn-Hellersdorf (keine Landesförderung). (Siehe dazu auch Teilantwort zu Frage 6 - Beratungsangebote, kommunale Projekte in Bundesförderung). Berlin, den 11. Februar 2013 Dilek Kolat Senatorin für Arbeit, Integration und Frauen B e z ir k e 2 0 0 1 2 0 0 2 2 0 0 3 2 0 0 4 2 0 0 5 2 0 0 6 2 0 0 7 2 0 0 8 2 0 0 9 2 0 1 0 M it te -T ie rg a rt e n - W e d d in g 5 5 1 2 3 3 1 1 2 7 1 6 1 0 1 5 6 1 F ri e d ri c h s h a in - K re u z b e rg 2 2 1 7 1 2 1 5 4 4 8 3 3 0 P re n z la u e r B e rg - W e iß e n s e e -P a n k o w 2 4 1 2 1 2 1 7 1 0 4 2 0 0 0 C h a rl o tt e n b u rg - W ilm e rs d o rf 9 1 3 1 3 7 1 4 1 3 6 1 1 S p a n d a u 1 6 6 1 3 9 1 5 7 1 4 3 2 0 7 5 6 4 0 7 1 1 9 Z e h le n d o rf -S te g lit z 3 2 1 7 2 4 1 9 1 1 8 2 6 8 3 T e m p e lh o f- S c h ö n e b e rg 1 2 8 1 5 3 9 3 1 2 1 8 2 6 3 4 4 1 3 2 7 3 N e u k ö lln 1 0 2 6 9 5 5 4 6 3 7 8 1 3 1 3 2 1 T re p to w -K ö p e n ic k 4 8 1 4 9 1 0 3 1 1 1 0 0 4 M a rz a h n -H e lle rs d o rf 1 6 0 1 7 2 1 5 8 1 7 7 2 0 5 5 5 3 8 3 8 1 0 1 4 L ic h te n b e rg - H o h e n s c h ö n h a u s e n 1 2 6 9 6 5 4 9 4 9 4 2 5 2 2 1 2 9 1 0 R e in ic k e n d o rf 6 0 5 9 6 4 4 8 2 8 1 4 8 4 3 4 In s g e s a m t 9 3 2 7 7 3 6 8 4 7 0 8 7 5 0 2 5 5 1 9 1 1 1 7 8 0 5 0 A n z a h l d e r W o h n u n g e n 2 0 0 1 2 0 0 2 2 0 0 3 2 0 0 4 2 0 0 5 2 0 0 6 2 0 0 7 2 0 0 8 2 0 0 9 9 5 3 4 6 5 2 3 5 4 3 4 1 9 3 0 1 2 3 1 3 0 2 3 2 5 1 0 1 0 2 4 7 1 2 8 2 2 6 2 9 3 8 2 2 1 2 2 0 0 1 2 2 6 1 8 1 2 2 3 1 5 6 1 3 2 5 3 1 4 3 7 4 3 2 2 4 5 0 1 0 9 7 0 3 4 2 0 7 2 3 6 3 8 3 7 2 1 1 5 4 1 9 1 5 2 1 9 3 1 1 1 8 0 2 3 2 2 1 0 1 2 7 7 5 2 7 5 5 1 8 7 1 4 7 1 1 4 7 9 7 2 1 7 2 4 2 0 3 1 2 0 3 6 2 8 2 3 7 4 1 1 0 0 2 9 5 4 1 2 3 3 5 4 0 2 4 6 6 1 0 8 7 9 8 4 2 4 2 2 8 2 3 8 1 2 4 2 3 3 2 4 1 6 4 5 5 2 7 2 3 1 1 2 1 3 4 1 3 5 1 0 7 6 3 2 2 1 3 1 3 7 1 7 7 8 1 7 4 4 1 4 6 3 1 5 3 3 1 7 0 6 5 2 0 3 7 1 2 6 7 1 7 2 A n z a h l d e r P e rs o n e n 2 0 1 0 1 0 0 1 1 4 6 5 1 9 2 8 2 0 1 2 9 7 Antwort Große Anfrage.pdf d17-0855