Drucksache 17 / 10 004 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage der Abgeordneten Marion Seelig (LINKE) vom 07. November 2011 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 08. November 2011) und Antwort Funkzellenabfrage und „stille SMS“ zur Kriminalitätsbekämpfung Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. In wie vielen Fällen und in welchem Umfang wurden die Instrumente der Funkzellenauswertung und der so genannten stillen SMS von Berliner Behörden in den letzten fünf Jahren eingesetzt? Zu 1.: Wie in § 100 g Strafprozessordnung (StPO) ge- fordert, existieren bei der Berliner Polizei statistische Erhebungen für die Gesamtzahl aller Verkehrsdatenabfragen , nicht jedoch für den Teilbereich der Funkzellenauswertung . Bei der Berliner Polizeibehörde liegen lediglich allgemeine Daten zu Telekommunikationsmaßnahmen aus Provider-Rechnungen vor. Die Einzelmaßnahme „Stille SMS“ wird für polizeistatistische Zwecke nicht erhoben. Analog hierzu ist festzustellen, dass das staatsanwalt- schaftliche Verfahrensregister keine Recherchemöglichkeit zur Herausfilterung der angefragten Fallzahlen bietet. Zur Erhebung von Fallzahlen zur Funkzellenaus- wertung bedarf es daher sehr umfangreicher Einzelauswertungen von Ermittlungsverfahren durch die Polizei im Zusammenwirken mit der Staatsanwaltschaft. Dieser aufwändige Prozess wird einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen. Wie bereits im Zusammenhang mit der Beantwortung der Mündlichen Anfrage Nr. 03 zum Thema „Massenhafte Funkzellenabfragen in Berlin: Millionen Betroffene - Keine Wirkung?“ im Rahmen der 7. Sitzung des Abgeordnetenhauses erläutert, wird es zu gegebener Zeit im Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung eine ausführliche Berichterstattung über die Ergebnisse der Auswertungen geben. Die Berliner Verfassungsschutzbehörde hat in der Vergangenheit lediglich in Einzelfällen aus dem Phänomenbereich des internationalen islamistischen Terrorismus eine andere Verfassungsschutzbehörde um die Versendung so genannter „stiller SMS“ als begleitende Maßnahme zu Observationsmaßnahmen ersucht. Die Erhebung der Standortdaten erfolgte im Rahmen einer von der hierfür zuständigen G-10-Kommission des Abgeordnetenhauses genehmigten Maßnahme nach § 3 des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Artikel-10-Gesetz). Weitergehende Auskünfte können im Rahmen der Beantwortung einer Kleinen Anfrage nicht erteilt werden. Maßnahmen nach dem Artikel-10-Gesetz unterliegen der Verpflichtung zur Geheimhaltung. Auskünfte werden in den dafür vorgesehenen besonderen Gremien des Abgeordnetenhauses von Berlin erteilt. 2. Aufgrund welcher konkreten Voraussetzungen, bei welchen Straftatbeständen und auf welcher Rechtsgrundlage ist dies geschehen? Zu 2.: Siehe Antwort zu 1. Die Rechtsgrundlage für die „stille SMS“ ist § 100 g Absatz 1 StPO. Die Funkzellenabfrage ist eine Maßnahme gemäß § 100 g Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 StPO. 3. Wurden die Funkzellenauswertung oder das Ver- senden “stiller SMS“ jemals im Zusammenhang mit politischen Versammlungen oder auf andere Weise mit einer größeren Anzahl von erfassten Unbeteiligten angewandt ? Zu 3.: In Berlin wurden diese Instrumente bislang nicht im Zusammenhang mit politischen Versammlungen oder anderen Großereignissen angewendet. Dies ergibt sich aus der Tatsache, dass Funkzellenabfragen gem. § 100 g StPO eine Straftat als Anlass haben müssen. Politische Versammlungen und andere Großereignisse gehören nicht zu dieser Kategorie. Da eine solche Maßnahme nach dem Allgemeinen Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Berlin (ASOG) nicht zulässig ist, können solche Maßnahmen durch die Berliner Polizei nicht durchgeführt werden. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 004 4. Wurden das Instrument der Funkzellenabfrage oder die „stille SMS“ im Fall des am 21. Oktober gefassten mutmaßlichen Autobrandstifters André H. angewandt und wenn ja, wann, in welchem Umfang und mit welchem Ergebnis? Zu 4.: Es sind auf Grundlage richterlicher Beschlüsse nach § 100 g StPO eng tatort- und tatzeitbezogene Funkzellendaten erhoben worden. Zu einer Abfrage von Bestandsdaten hinsichtlich André H. und seiner Identifizierung ist es nicht gekommen, da die Staatsanwaltschaft aus Gründen der Verhältnismäßigkeit weitere Datenerhebungen abgelehnt hat. Zu einem späteren Zeitpunkt konnte in einem retrograden Abgleich eine von ihm genutzte Rufnummer in vier Fällen Tatorten und Tatzeiten von Kfz-Inbrandsetzungen zugeordnet werden und so seine Täterschaft untermauert werden. Der Einsatz stiller SMS ist nicht erfolgt. 5. Wie wird die weitere Entwicklung der Funkzellen- auswertung oder das Versenden „stiller SMS“ zur polizeilichen Strafverfolgung auf Länderebene insbesondere innerhalb der Ständigen Konferenz der Innenminister oder ihrer Unterarbeitsgruppen koordiniert, evaluiert oder projektiert (bitte mit Angabe, welchem Bundesland dort eine etwaige Federführung obliegt)? Zu 5.: Die Thematik ist in der erfragten Form bislang nicht Gegenstand der Innenministerkonferenz und ihrer Unterarbeitsgruppen. 6. Welche Auffassung hat der Senat zu einer An- hebung oder Präzisierung der Eingriffsschwelle und der Entwicklung strengerer Kriterien für die Anordnung, Durchführung und Protokollierung der Funkzellenabfrage und der „stillen SMS“, wie sie z. B. vom sächsischen Justizministerium in Form einer Bundesratsinitiative (BRDrs . 532/11) beantragt wurde? Zu 6.: Der Senat hat sich hierzu noch keine ab- schließende Meinung gebildet. Einen Beitrag zur Meinungsbildung soll die von der Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz angeregte Anhörung im Rechtsausschuss des Abgeordnetenhauses zu diesem Thema leisten. Berlin, den 02. Februar 2012 Frank Henkel Senator für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 14. Feb. 2012) 2