Drucksache 17 / 10 008 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage der Abgeordneten Marianne Burkert-Eulitz (GRÜNE) vom 15. November 2011 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 15. November 2011) und Antwort Besserer Kinderschutz in Berlin? – Stand der Durchsetzung des neuen Vormundschaftsrechtes I Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Welchen Stand hat die Umsetzung des neuen Vormundschaftsrechts in Berlin bisher erreicht? 3. Wie viel zusätzliches Fachpersonal wurde auf- grund der neuen Gesetzeslage eingestellt bzw. wie viele Personen konnten die Bezirke von außen einstellen? Zu 1. und 3.: Die gesetzlichen Änderungen betonen die Verpflichtung des persönlichen Kontaktes zwischen Vormund und Mündel und beinhalten erstmalig eine Vorgabe zur Kontakthäufigkeit. Die Berichtspflicht des Vormundes gegenüber dem Familiengericht wird um Angaben zum Umfang und Inhalt des Mündelkontaktes erweitert . Im Übrigen wird der Vormund verpflichtet, die Pflege und Erziehung des Mündels persönlich zu fördern und zu gewährleisten. Dies beinhaltet im Vorgriff auf die ab dem 05. Juli 2012 in Kraft tretende Änderung des § 55 Achtes Sozialgesetzbuch - Kinder und Jugendhilfe - (FallzahlObergrenze - höchstens 50 Fälle pro Vollzeitkraft - und Anhörungspflicht des Jugendamtes gegenüber dem Mündel zur Auswahl des potentiellen Amtsvormundes vor der Aufgabenübertragung) bei den Jugendämtern im Amtsvormundschaftsbereich einen möglichen Personalmehrbedarf . Wegen der gesetzlichen Änderungen vom 06. Juli 2011 für den Vormundschaftsbereich haben die Bezirke Angaben zu einem möglichen Personalmehrbedarf gemacht . Ob und ggf. in welchem Umfang zusätzliches Fachpersonal in den Jugendämtern benötigt wird, kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht beurteilt werden. Für diese Fragestellung ist die zukünftige Personalausstattung der Jugendämter zu berücksichtigen, über deren Ausgestaltung derzeit noch nicht abschließend entschieden worden ist. 2. Wie viele Fälle hatte ein Amtsvormund in den Jahren 2009, 2010 und 2011 aufgeschlüsselt nach Bezirken durchschnittlich? Zu 2.: Die Fallzahl betrug in den Jahren 2009 und 2010 berlinweit durchschnittlich 75 pro Vollzeitäquivalent . Die im Vorgriff der unter 1. aufgeführten gesetzlichen Änderungen in 2011 eingeleiteten organisatorischen Veränderungen weisen aktuell eine Spanne von 75 - 45 Fälle pro Vollzeitkraft entsprechend den jeweiligen bezirksspezifischen Besonderheiten aus. Eine nach Jahren und nach Bezirken aufgeschlüsselte Darstellung zur Fallzahl pro Amtsvormund bedingt eine Bezirksabfrage. Dies übersteigt den möglichen Aufwand im Rahmen einer Kleinen Anfrage. 4. Wie oft besucht ein Amtsvormund aktuell ein Mündel? Zu 4.: Die bisherige berlinweite Praxis ist durch- schnittlich durch 3 - 4 Mündelbesuche pro Jahr gekennzeichnet . Im Übrigen richtet sich die Kontakthäufigkeit nach den Umständen des Einzelfalles. 5. Welche fachlichen Standards wurden aufgrund der neuen Gesetzeslage erarbeitet und umgesetzt, um die Vorgaben der Änderungen im BGB und SGB VIII umzusetzen ? Zu 5.: Sowohl die am 06. Juli 2011 in Kraft getretenen als auch die am 05. Juli 2012 in Kraft tretenden gesetzlichen Änderungen bedingen neben einer angepassten Personalausstattung ein verändertes Aufgabenwahrnehmungs - und Rollenverständnis mit zusätzlichen, im Bereich der Kenntnisse und Fähigkeiten liegenden Anforderungen an die im Amtsvormundschaftsbereich Tätigen. Im Vordergrund steht jetzt der gezielte Aufbau einer Vertrauensbeziehung zwischen Mündel und Vormund durch die Intensivierung persönlicher Kontakte in Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 008 der für das Mündel üblichen Umgebung. Der sich aus dieser neuen Kontaktqualität für den Vormund ergebende Erkenntnisgewinn korrespondiert mit der Verpflichtung, die Pflege und Erziehung des Mündels persönlich zu fördern. Die Kontaktintensivierung führt zu einer vom Gesetzgeber gewollten stärkeren Parteilichkeit des Vormunds im Interesse einer verbesserten Kindeswohlwahrung . Neben rechtlichen und verwaltungsspezifischen Kenntnissen sind zukünftig verstärkt neben alters- und entwicklungsspezifischen Gesprächsführungstechniken auch Kenntnisse, die eher in anderen Ausbildungsgängen (z.B. Sozialarbeiterausbildung) vermittelt werden, zu erwerben und im Mündelinteresse einzusetzen. Das Sozialpädagogische Fortbildungsinstitut Berlin- Brandenburg hat entsprechende Fortbildungsangebote in das Jahresprogramm 2012 aufgenommen. 6. Welche Qualifikation hat ein Amtsvormund in der Regel im Land Berlin? Zu 6.: Amtsvormünder verfügen in der Regel über die Laufbahnbefähigung für den gehobenen nichttechnischen Verwaltungsdienst oder über eine abgeschlossene Sozialarbeiterausbildung . 7. Welche Möglichkeiten haben ein Mündel und seine Bezugspersonen, um sich z.B. zu beschweren, wenn es zum Konflikt mit dem Amtsvormund kommt? Zu 7.: In Konfliktsituationen mit dem Amtsvormund haben sowohl das Mündel als auch dessen Bezugspersonen jederzeit die Möglichkeit zur Beschwerde bei der Leitung des bezirklichen Jugendamtes. Darüber hinaus besteht auch eine Beschwerdemöglichkeit bei dem zuständigen Familiengericht. 8. In welcher Form kommt die öffentliche Jugend- hilfe im Land Berlin ihrer Aufgabe nach § 56 Abs. 4 SGB VIII nach jährlich zu prüfen, ob es natürliche Personen gibt, die Vormund oder Ergänzungspfleger eines Kindes werden könnten, und in wie vielen Fällen wenden sich die Jugendämter an das zuständige Familiengericht? Zu 8.: Die Prüfung der öffentlichen Jugendhilfe erfolgt regelmäßig. Die Gewinnung von natürlichen Personen für die Übernahme einer Vormundschaft oder Ergänzungspflegschaft stößt jedoch an Grenzen. Bei den Amtsvormundschaftsfällen handelt es sich ganz überwiegend um Kindeswohl-Gefährdungsfälle nach § 1666 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), die in der Regel im Rahmen der Gewährung von Hilfen zur Erziehung in Jugendhilfeeinrichtungen untergebracht sind. Familienmitglieder oder andere Angehörige stehen entweder mangels Bereitschaft zur Übernahme einer Vormundschaft oder Ergänzungspflegschaft nicht zur Verfügung oder verfügen aus fachlicher Sicht des jeweils zu- ständigen Jugendamtes nicht über die erforderliche Eignung . Die Übertragung der Vormundschaft oder Ergän- zungspflegschaft auf eine Privatperson stellt für diese regelhaften Fallkonstellationen die Ausnahme dar. Eine nach Bezirken aufgeschlüsselte Übersicht darüber, in wie vielen Fällen sich die Jugendämter an das zuständige Familiengericht zwecks Einleitung eines Vormundschaftswechsel oder Einsetzung eines Ergänzungspflegers wenden, bedingt eine Bezirksabfrage. Dies übersteigt den möglichen Aufwand im Rahmen einer Kleinen Anfrage. 9. Wie werden z.B. Pflegeeltern aktiv darin unter- stützt, die Vormundschaft für ihre Pflegekinder zu übernehmen ? Zu 9.: Die Übernahme der Vormundschaft für ein Pflegekind kann - besonders bei jüngeren Kindern und auf Dauer angelegter Vollzeitpflege - die Einbindung des Pflegekindes und den Zusammenhalt der Pflegefamilie unterstützen. In Fällen schwieriger Balance zwischen Herkunfts- und Pflegefamilie und/oder bei älteren Kindern in Vorbereitung der Verselbstständigung, kann es jedoch von Bedeutung sein, dass die gesetzliche Vertretung des Kindes außerhalb des Betreuungsverhältnisses liegt. Die Jugendämter prüfen die Verhältnisse im Einzelfall und beraten die Pflegeeltern entsprechend. Über die Vormundschaft entscheidet das Familiengericht. Die Jugendämter unterstützen das Familiengericht in allen Fragen der Vormundschaft (vgl. § 50 Sozialgesetzbuch VIII). Berlin, den 14. Dezember 2011 In Vertretung Sigrid Klebba Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 22. Dez. 2011) 2