Drucksache 17 / 10 009 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage der Abgeordneten Marianne Burkert-Eulitz (GRÜNE) vom 15. November 2011 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 15. November 2011) und Antwort Verbesserung im Kinderschutz? – Vorbereitung der Umsetzung des neuen Bundeskinderschutzgesetzes zum 01.01.2012 Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Welche „Lehren“ zieht die zuständige Senatsver- waltung aus den Vorgängen um die Missbrauchsfälle bei der Parkeisenbahn in der Wuhlheide? Zu 1.: Im Berliner Rahmenvertrag für Hilfen in Ein- richtungen und durch Dienste der Kinder- und Jugendhilfe (BRV Jug) vom 15.12.2006 sind die „Regeln zur Sicherstellung des Schutzauftrages bei Kindeswohlgefährdung gemäß § 8a Sozialgesetzbuch (SGB) VIII und der persönlichen Eignung gemäß § 72 a SGB VII durch die Leistungserbringer“ festgelegt. Die damit verbundenen Regelungsvorgaben für den Schlüsselprozess zum Schutz vor Kindeswohlgefährdung durch Gewalt und Missbrauch von Mitarbeitenden, anderen Kindern, Jugendlichen und Externen wurden mit Beschluss des entsprechenden Fachgremiums definiert. Darüber hinaus sind für den Bereich der Jugendarbeit im Handbuch „Qualitätsmanagement der Berliner Jugendfreizeiteinrichtungen “ (3. überarbeitete Auflage 2011) die Kernaktivitäten „Wahrnehmung des Schutzauftrages bei Kindeswohlgefährdung“ und „Erarbeitung und Anwendung von Handlungsrichtlinien zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor pädosexuellen Übergriffen in Kinder- und Jugendeinrichtungen“ vorgegeben. Damit Präventionsmaßnahmen übergreifende und nachhaltige Wirksamkeit entfalten können, müssen sie in das Gefüge von Organisationen eingebunden und dort verankert werden. Zu den wesentlichen Maßnahmen gehören : ¾ eine eindeutige Position gegen sexuelle Gewalt, die sowohl nach innen als auch nach außen deutlich kommuniziert wird, ¾ Informationen, Schulung und Fortbildung für hauptund ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit dem Ziel fundiertes Wissen über Signale und Symptome und Kenntnisse über Täterstrategien zu erwerben, ¾ Entwicklung und Umsetzung eines sexualpädagogischen Konzeptes, ¾ Erarbeitung und Verabschiedung eines Verhaltenskodex mit verbindlichen Regeln für alle haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ¾ Entwicklung und Implementierung eines Beschwerdemanagements zum Thema sexuelle Gewalt , ¾ Entwicklung konkreter Verfahren und Abläufe für Verdachtsfälle, in dem Verantwortlichkeiten und notwendige Schritte bei Vermutung sexueller Gewalt und im Fall von Gewalt und Missbrauch geregelt sind, ¾ Hinzuziehung interner und externer Beratung für die fachliche Beratung und Begleitung. Diese o.g. Schlüsselprozesse zielen auf die Gewähr- leistung des Kinderschutzes in Institutionen, Einrichtungen und Diensten der Kinder- und Jugendhilfe. Darüber hinaus gehören auch die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses gemäß § 30a Bundeszentralregistergesetz (BZRG) vor Aufnahme der Tätigkeit (auch Ehrenamtliche) sowie regelmäßige Überprüfungen dazu. Weiterhin bleibt die zentrale Fachaufgabe, die Sensibilisierung für das Thema weiter zu schärfen – sowohl durch die Entwicklung einer Kultur des Hinsehens als auch durch entsprechende Fortbildungsangebote für die Fachkräfte und Institutionen. Das schließt auch die Überprüfung der zu entwickelnden Schlüsselprozesse ein, damit die Träger der Kinder- und Jugendhilfe im Sinne der Prävention eine höhere Aufmerksamkeit für Fehlverhalten und grenzverletzendes Verhalten in ihren Einrichtungen und bei den Beschäftigten entwickeln. 2. Das neue Bundeskinderschutzgesetz, welches in seinem ersten Teil schon am 01.01.2012 in Kraft treten wird, wird auch vorsehen, dass einschlägig Vorbestrafte von Tätigkeiten in der Kinder- und Jugendhilfe besser Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 009 ausgeschlossen werden sollen, wie wird das Land Berlin dies durchsetzen? Zu 2.: § 72 a SGB VIII sah in der bisherigen Fassung bereits vor, dass der öffentliche Träger der Jugendhilfe sich von seinen in der Kinder- und Jugendhilfe beschäftigten Personen ein Führungszeugnis vorlegen lässt. Zur Sicherstellung dieser Vorlagepflicht schließt der Träger der öffentlichen Jugendhilfe entsprechende Vereinbarungen mit den Trägern der freien Jugendhilfe. Das Bundeskinderschutzgesetz sieht nun in § 72 a SGB VIII vor, dass auch von neben- und ehrenamtlich tätigen Personen in der Kinder- und Jugendhilfe ein solches erweitertes Führungszeugnis einzuholen ist. Der öffentliche Träger der Jugendhilfe soll auch im Hinblick auf diesen Personenkreis mit den Trägern der freien Jugendhilfe entsprechende Vereinbarungen schließen. Das Land Berlin hat mit dem Jugend-Rundschreiben Nr. 2/2010 bereits entsprechende Vorgaben für die Einforderung von erweiterten Führungszeugnissen gemacht und dies auch auf ehrenamtlich Tätige und Praktikantinnen und Praktikanten, Honorarkräfte, Zivildienstleistende , Freiwilligendienstleistende, Teilnehmende von Arbeitsfördermaßnahmen im Rahmen der Arbeitsförderung und andere vergleichbar tätige Personen, die regelmäßig mit Kindern und Jugendlichen in Kontakt kommen, ausgedehnt. Damit nimmt Berlin eine Vorreiterstellung ein. Für den Bereich der Kindertageseinrichtungen wird auf der Grundlage einer Vereinbarung mit den Spitzenverbänden der Wohlfahrtspflege sichergestellt, dass sich die Leistungsanbieter von allen Beschäftigten bei der Einstellung ein Führungszeugnis vorlegen lassen und dies auch in regelmäßigen Abständen wiederholen. Auch der Landesjugendring Berlin und die Sportjugend Berlin haben mit dem Senat Vereinbarungen entsprechend § 72 a SGB VIII geschlossen. Danach muss bisher für alle hauptberuflichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bereich der Jugendarbeit vor Aufnahme der Tätigkeit ein erweitertes Führungszeugnis eingeholt werden. Im Rahmen der Auflage der Zuwendungsbescheide ist die Vorlage des erweiterten Führungszeugnisses auch für Ehrenamtliche verbindlich vorgegeben. 3. Wie wird das Land Berlin die Verstetigung des Ein- satzes von Familienhebammen durchsetzen und wie wird dies finanziell abgesichert, wenn die Förderung durch den Bund ausläuft? Zu 3.: Der Bund unterstützt den Aus- und Aufbau der Netzwerke Frühe Hilfen und den Einsatz von Familienhebammen durch eine auf vier Jahre befristete Bundesinitiative , die im Jahr 2012 mit 30 Millionen Euro, im Jahr 2013 mit 45 Millionen Euro und in den Jahren 2014 und 2015 mit 51 Millionen Euro ausgestattet wird. Nach Ablauf dieser Befristung wird der Bund einen Fonds zur Sicherstellung der Netzwerke Frühe Hilfen und der psychosozialen Unterstützung von Familien einrichten, für den er jährlich 51 Millionen Euro zur Verfügung stellen wird. Die Gesamtkosten, die auf die Länder zukommen, werden damit noch nicht vollständig gedeckt sein, können aber zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht beziffert werden. Aussagen dazu werden mit den Ergebnissen der eingerichteten Bund–Länder–Arbeitsgruppe zur Erstellung von Handlungsempfehlungen für die Umsetzung des Bundeskinderschutzgesetzes erwartet. 4. Wie verhält sich der Senat zur Forderung des Bundeskinderschutzgesetzentwurfes, fachliche Standards im Kinderschutz einzuführen? Zu 4.: Berlin hat bereits mit der Umsetzung des „Konzept für ein Netzwerk Kinderschutz“ und des Berliner Gesetzes zum Schutz und Wohl des Kindes (Kinderschutz-Gesetz) vielfältige Maßnahmen zur Verbesserung des Kinderschutzes ergriffen sowie verbindliche Strukturen in der Zusammenarbeit im Netzwerk Kinderschutz, insbesondere zwischen der Kinder- und Jugendhilfe und dem Gesundheitswesen aufgebaut. Darin eingeschlossen ist bereits die Festlegung von verbindlichen berlineinheitlichen Verfahren und fachlichen Standards im Kinderschutz. Regelungen zur Qualitätsentwicklung und -sicherung sind zwar grundsätzlich sinnvoll, um den Qualifizierungsprozess in der öffentlichen Jugendhilfe weiter voranzubringen. Damit die Regelungen aber praxistauglich und unbürokratisch umsetzbar sind, sieht der Senat in der konkreten Ausgestaltung, insbesondere bei dem im Bundeskinderschutzgesetzentwurf vorgesehenen § 79a SGB VIII Veränderungsbedarf mit dem Ziel, die bundesrechtlichen überregulierten Vorgaben auf das Notwendige zu beschränken. 5. Wie viel zusätzliches Personal werden die Bezirke einstellen können, um die zusätzlichen Aufgaben, die das neue Gesetz für den öffentlichen Träger der Jugendhilfe verbindlich regelt, qualitativ und quantitativ umsetzen zu können? Zu 5.: Aussagen zur Einstellung von zusätzlichem Personal können zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht getroffen werden. Berlin, den 02. Januar 2012 In Vertretung Sigrid Klebba Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 09. Jan. 2012) 2