Drucksache 17 / 10 011 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Özcan Mutlu (GRÜNE) vom 10. November 2011 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 15. November 2011) und Antwort Kommen die Leistungen des Bildungspaketes bei den Betroffenen an? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Welche Erfahrungen wurden bisher mit der Um- setzung des Bildungspaktes in Berlin gemacht? 5. Welche Hürden gibt es für die Anspruchs- berechtigten aus Sicht des Senates noch und wie gedenkt der Senat diese im Interesse der Betroffenen zu beheben? Zu 1. und 5.: Die bundesgesetzlichen Vorgaben zur Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepakets in Bezug auf das Antragsverfahren und die Leistungserbringung sind kompliziert und verwaltungsaufwendig. Das Land hat hier wenig Gestaltungsspielraum. Dort wo es entsprechende Gestaltungsspielräume gibt, wurden diese bereits genutzt. So wurde in Berlin zum 01. August 2011 das „ermäßigte Schülerticket“ zu einem Preis von 12,08 Euro monatlich im Abonnement eingeführt, welches die leistungsberechtigten Personen nach Vorlage des mit einem Hologramm versehenen „berlinpass-BuT“ bei der BVG und der S-Bahn Berlin erwerben können. Die Einführung des ermäßigten Schülertickets hat bei den Leistungsberechtigten und den Leistungsstellen zu einer erheblichen Verfahrenserleichterung geführt. Der Senat hat sich auf Bundesebene über die Bund- Länder-Arbeitsgruppe zum Bildungs- und Teilhabepaket und über den Deutschen Städtetag dafür eingesetzt, dass die Anforderungen für die Beantragung von Leistungen bei den Leistungsstellen erleichtert werden und dass die Jobcenter beim Versand der Unterlagen an die Empfänger/innen von Leistungen durch die Zentrale der Bundesagentur für Arbeit auch landesspezifisches Informationsmaterial an die Eltern mit versenden können. Die Umstellung der Antragsformulare bei den Jobcentern wird derzeit von der Bundesagentur für Arbeit veranlasst. Eine Hürde bleibt für einen Teil der Berechtigten das grundsätzliche Erfordernis, einen Antrag zu stellen und sich über den Verfahrensweg kundig zu machen. Besonders bei Kleinstbeträgen sehen Berechtigte u. U. von der Antragstellung ab. Das Antragsverfahren wurde daher so einfach wie möglich gestaltet und Informationen sowie Flyer über die Verfahrenswege in Berlin veröffentlicht . 2. Wie viele Kinder und Jugendliche in Berlin haben Anspruch auf einen Berlinpass, der ja die Grundlage für die Beantragung von Leistungen des Bildungspaketes darstellt und für wie viele Kinder und Jugendliche wurde dieser für das laufende Schuljahr beantragt? (bitte nach Bezirken aufschlüsseln) Zu 2.: In Berlin haben 200.632 Kinder und Jugend- liche theoretisch Anspruch auf Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket. Davon haben bis Ende Oktober 97.715 (48,7%) mindestens eine Leistung beantragt . Die Ausgabe des „berlinpass-BuT“ erfolgt an Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, wenn diese eine der folgenden Leistungen des Bildungs- und Teilhabepaketes beantragt haben: - Eintägige Schulausflüge und eintägige Ausflüge der Kindertageseinrichtungen - Ergänzende angemessene Lernförderung - gemeinschaftliche Mittagsverpflegung in Schulen und Kindertageseinrichtungen. Für diese Leistungen wurden im Zeitraum vom 01. Mai 2011 bis 31. Oktober 2011 insgesamt 57.055 „berlinpässe-BuT“ ausgegeben. Aufgegliedert nach Bezirken ergibt sich folgender Sachstand: Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 011 2 Bezirk Ausgegebene „berlinpässe-BuT“ Mitte 12.491 Friedrichshain-Kreuzberg 8.436 Pankow 2.681 Charlottenburg-Wilmersdorf 1.253 Spandau 3.528 Steglitz-Zehlendorf 1.230 Tempelhof-Schöneberg 4.072 Neukölln 9.978 Treptow-Köpenick 3.517 Marzahn-Hellersdorf 2.350 Lichtenberg 4.399 Reinickendorf 3.120 Summe 2011 57.055 3. Wie viele Anträge auf Tagesausflüge, Klassen- fahrten, Ausstattung mit persönlichem Schulbedarf, Schülerbeförderungen, Lernförderung, Mittagsverpflegung und kulturelle, freizeitliche und sportliche Teilhabe am gesellschaftlichen Leben wurden mittlerweile bewilligt und an wen wurden die Gelder ausbezahlt? Zu 3.: Statistisch erhoben werden die Zahlen der An- träge, nicht der Bewilligungen. Danach wurden in Berlin bis Ende Oktober 2011 • 36.624 Anträge auf Tagesausflüge • 14.438 Anträge auf mehrtägige Klassen- bzw. Kitafahrten • 31.715 Anträge auf Schülerbeförderung • 21.249 Anträge auf Lernförderung • 56.317 Anträge auf Mittagessen • 34.822 Anträge auf Teilhabe gestellt. Der Antrag auf Schulbedarf ist bei Leistungsbe- rechtigten nach SGB II und SGB XII bereits im Grundantrag enthalten. 7.117 Anträge auf Schulbedarf wurden zusätzlich in den Wohngeldstellen gestellt. Auf der Grundlage der gesetzlichen Vorgaben erfolgt die Auszahlung der Leistungen an die Leistungsberechtigten selbst (Ausstattung mit persönlichem Schulbedarf und Schülerbeförderung), im Wege der Direktzahlung an die Leistungsanbieter (Anbieter der sozialen und kulturellen Teilhabe, Schulen und Kitas bei mehrtägigen Fahrten) oder die Leistung wird als Sach- oder Dienstleistung direkt durch die Fachbehörden des kommunalen Trägers (eintägige Schul– und Kitaausflüge, ergänzende angemessene Lernförderung und die gemeinschaftliche Mittagsverpflegung) erbracht. 4. Wie bewertet der Senat diese Zahlen und wie ge- denkt der Senat das Ungleichgewicht zwischen der Zahl der Anspruchsberechtigten und der tatsächlich geförderten Personen? Zu 4.: Die Inanspruchnahme der Bildungs- und Teil- habeleistungen in Berlin hat sich in der Zeit von Juni 2011 bis Oktober 2011 von 28,8 % auf 48,7 % der potenziell Leistungsberechtigten erhöht. Dies entspricht der Entwicklung im Bundesgebiet insgesamt, wo sich nach Erhebung der kommunalen Spitzenverbände die Antragszahlen von Juni 2011 bis September 2011 von 29% auf 45% erhöht haben. Alle kommunalen Vertreterinnen und Vertreter waren sich beim „Runden Tisch Bildungspaket“ am 2.11.2011 bei Frau Bundesministerin von der Leyen darin einig, dass eine 100%ige Inanspruchnahme bei keiner der Leistungen zu erreichen sei. Bei den Gründen dafür, dass nicht alle dem Grunde nach Leistungsberechtigten entsprechende Anträge stellen würden, wurde u.a. darauf verwiesen, dass nur wenige Anträge von Kindern im Vorschulalter zu erwarten seien. Es zeigt sich zudem, dass neue Leistungen mit neuen Antragsverfahren immer eine gewisse Anlaufzeit benötigen , um in der Fläche genutzt werden zu können. Ungeachtet dessen sind z.B. alle Schülerinnen und Schüler in Berlin sowie alle Kinder, die eine Kindertageseinrichtung besuchen, durch einen entsprechenden Informationsbrief der Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung über die einzelnen Leistungen des Bildungspaktes und das Antragsverfahren informiert worden. Die Informationsschreiben wurden auch in türkischer und arabischer Sprache zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus hat die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales eine Informationsbroschüre herausgegeben, die an alle Leistungsstellen und Leistungserbringer zur Weitergabe an die Leistungsberechtigten übersandt wurde. Bezieher von Wohngeld und Kinderzuschlag wurden mit einem gesonderten An- Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 011 schreiben insbesondere auf die Möglichkeit der Antragstellung für die Leistung der Ausstattung mit persönlichem Schulbedarf hingewiesen. Den Schulen und Kindertageseinrichtungen wurde eine Vielzahl an Informationsmaterialien zur Verfügung gestellt, damit auch diese die Kinder und Eltern hinreichend beraten können. 6. Stimmt der Senat mit mir überein, dass die individuelle Beantragung der Leistungen des Bildungspaketes die Förderung von sozial benachteiligten Kindern und Jugendlichen eher behindert und dass eine pauschale Zuweisung der Mittel an die Kita oder die Schule die Förderung schneller und gerechter ermöglichen würde? Zu 6.: Der Senat hat sich in der politischen Diskussion und im Gesetzgebungsverfahren zum Bildungs- und Teilhabepaket stets dafür ausgesprochen, die Fördermittel möglichst pauschal den Kitas und Schulen zuzuweisen, um die Förderung effektiver und effizienter zu gestalten. Durch die bundesgesetzliche Vorgabe im SGB II muss für jedes Kind einzeln die Leistungsberechtigung und die Art der Berechtigung nachgewiesen werden. Für ein schnelleres Verfahren bei Schulausflügen hat der Senat dafür Sorge getragen, dass alle Schulen Schulkonten haben, aus denen der Lehrer bzw. die Lehrerin für alle leistungsberechtigten Kinder seiner bzw. ihrer Klasse das Geld für den Schulausflug bekommt. Die ursprüngliche Vorstellung der Bundesregierung, dass für jedes Kind vom Lehrer/von der Lehrerin ein Erstattungsantrag bei den zuständigen Jobcentern gestellt werden muss, musste damit nicht umgesetzt werden. Die Verhandlungen zwischen den Ländern (einschließlich Berlin) und dem Bund über eine weitere Pauschalierung und Verein- fachung der verwaltungsmäßigen Abwicklung des Bildungs- und Teilhabepaketes dauern an. Für die Abrechnung in Kitas wurde das Verfahren in Berlin so geregelt, dass bei eintägigen Ausflügen und Ermäßigungen beim Mittagessen die berechtigten Eltern von den entsprechenden Aufwendungen freigestellt werden und eine Erstattung über das Jugendamt an den Träger mittlerweile IT-gestützt erfolgt. Für die Eltern kommt es insofern zu keiner Verzögerung. 7. Wurden die 40 zusätzlichen Stellen für die Schul- sekretariate – die Bildungsstaatssekretärin Claudia Zinke im Mai angekündigt hat – eingerichtet? 8. Wenn ja, wie viele dieser Stellen sind bisher besetzt worden? (sortiert nach Bezirk und in besetzte und unbesetzte Stellen) Zu 7. und 8.: Im Zusammenhang mit der Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepakets wurde beschlossen, dass im Bereich der Schulsekretäre und Schulsekretärinnen alle bis zum Jahresende durch altersbedingte Fluktuation freiwerdenden Stellen sowie die zum (Beschluss-)Zeitpunkt freien Stellen in den Bezirken und in den zentral verwalteten Schulen unbefristet nach besetzt werden dürfen. Insgesamt handelt es sich hier um ein Kontingent von rd. 41 Vollzeitäquivalenten (VZÄ) für 2011. Mit Stand 14. November 2011 ergibt sich - bezogen auf die Bezirke - folgender Besetzungsstand: Bezirk erfolgte Außeneinstellungen (VZÄ) 31 Mitte 2,00 32 Friedrichshain-Kreuzberg 3,86 33 Pankow 0,75 34 Charlottenburg-Wilmersdorf 1,54 35 Spandau 1,00 36 Steglitz-Zehlendorf 6,61 37 Tempelhof-Schöneberg 1,56 38 Neukölln 9,00 39 Treptow-Köpenick 4,15 40 Marzahn-Hellersdorf 0,00 41 Lichtenberg 4,00 42 Reinickendorf 2,03 Summe 2011 36,50 9. An welcher Stelle und für welche Aufwendungen werden in Berlin die 10 Prozent der Gesamtsumme der Bundesmittel für das Bildungspaket, also 11 Mio. Euro eingesetzt? Zu 9.: In Berlin gilt das Gesamtdeckungsprinzip, alle Einnahmen decken alle Ausgaben. Eine konkrete Benennung , wofür welche Einnahmen verwendet werden, kann demnach nicht erfolgen. 3 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 011 10. Ist dem Senat bekannt, wie viele Stellen der Jugendämter in den Bezirken in Sachen Bildungspaket zum Einsatz kommen? (sortiert nach Bezirken) Zu 10.: Im Rahmen der Umsetzung des Bildungs- paketes wurden den Bezirken 50,8 Vollzeitäquivalente (VZÄ) für die Bereiche Sozialamt, Wohngeldstelle, Jugendamt und Schulamt gem. der vorgesehenen Verteilung in der Senatsvorlage zur Verfügung gestellt. Auf die Jugendämter entfielen 13,5 VZÄ. Um den Bezirken ein weitgehend flexibles und eigenverantwortliches Planen und Gestalten zu ermöglichen, erhielten die Bezirke ein entsprechendes Personalbudget. Gleichzeitig wurde jedem Bezirk erlaubt, als Sofortmaßnahme zwei unbefristete Außeneinstellungen ohne Anrechnung auf den Einstellungskorridor zu realisieren. Allerdings liegt die Verantwortung für die Verteilung der Mittel und der Außeneinstellungen beim jeweiligen Bezirk, so dass dem Senat keine Erkenntnisse darüber vorliegen, wie die Besetzungen in den Jugendämtern tatsächlich realisiert wurden. Die Beantwortung dieser Frage lässt sich nur durch eine aufwendige Abfrage bei den Bezirken, die den Rahmen dieser Kleinen Anfrage sprengt, ermitteln. 11. Wie sind in den Bezirken die Schulen, Ämter, Jobcenter bis hin zu den Musikschulen und Sportvereinen im Zusammenhang mit dem Bildungspaket vernetzt? (sortiert nach bezirklichen Vernetzungsmodellen) Zu 11.: Für die Kommunikation des Bildungs- und Teilhabepaketes wurden sowohl die bereits vorher bestehenden Gremien genutzt als auch ressortübergreifende Arbeitsgruppen sowie Arbeitsgruppen der Leistungsbereiche gebildet. Über Rundschreiben von SenIAS und Informationsschreiben von SenBWF zum Bildungspaket wurden die Leistungsstellen und Leistungsanbieter hinsichtlich einer Vereinheitlichung des Verfahrens regelmäßig erreicht. Für die erforderlichen Übermittlungen von Daten zwischen den beteiligten Leistungsanbietern und Leistungsstellen wurden Formulare und Hinweisblätter zum Verfahren entwickelt. Auf der Homepage von SenBWF wurden neben den Merkblättern für die Berechtigten auch Informationen und Formulare zum Bildungspaket für Leistungsstellen, Schulen, Kitas und anderen Leistungsanbietern zusammengestellt. Die Datenübermittlung und Abrechnung von Leistungen zwischen Kitaträgern und Jugendämtern erfolgt darüber hinaus seit November 2011 im Rahmen eines ITVerfahrens . 12. Welche Unterstützung erhalten Asylbewerber/Innen bei der Beantragung des Bildungspaketes? Zu 12.: Leistungsberechtigte nach dem Asylbewerber- leistungsgesetz erhalten die erforderlichen Informationen im Rahmen der Beratung durch die zuständige Leistungsbehörde . Hierfür sind die Merkblätter für Eltern von Schulkindern sowie für Eltern von Kindern in Kita oder Kindertagespflege den Leistungsbehörden in verschiedenen Übersetzungen zur Verfügung gestellt worden. Darüber hinaus sind alle Schülerinnen und Schüler in Berlin sowie alle Kinder, die eine Kindertageseinrichtung besuchen, durch einen entsprechenden Informationsbrief der Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung über die Leistungen des Bildungspaktes und das Antragsverfahren informiert worden. Berlin, den 30. November 2011 In Vertretung Rainer-Maria F r i t s c h _____________________________ Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 06. Dez. 2011) 4 Bezirk