Drucksache 17 / 10 017 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage der Abgeordneten Marianne Burkert-Eulitz (GRÜNE) vom 22. November 2011 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 23. November 2011) und Antwort Kinder im geplanten Flughafenabschiebegefängnis, ein Verstoß gegen die UNOKinderrechtskonvention I Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung Auf dem Gelände des Flughafens Berlin-Brandenburg ist eine Einrichtung zur Unterbringung von Asylsuchenden geplant. Die Einrichtung ist Bestandteil eines Gesamtkonzepts des Bundes zur Durchführung von Flughafenasylverfahren nach § 18a Asylverfahrensgesetz (AsylVfG). Es handelt sich nicht um eine Abschiebehafteinrichtung . Das Land Berlin ist für die Einrichtung und den Betrieb der Flughafenunterkunft nicht zuständig und kann und wird keine Einlieferung von Personen in die Flughafenunterkunft veranlassen. Der Flughafen befindet sich auf Brandenburger Territorium. Betrieben wird die Flughafenunterbringung von der Zentralen Ausländerbehörde des Landes Brandenburg . Zuständig für die Durchführung des Flughafenasylverfahrens sind das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und die Bundespolizei. 1. Ist dem Senat bekannt, dass seit der förmlichen Rücknahme der deutschen Vorbehaltserklärung bei den Vereinten Nationen am 15.07.2010 die UNO-Kinderrechtskonvention nun auch im Land Berlin direkt anzuwenden ist? Zu 1.: Ja. 2. Wie wird die Anwendung dieser Konvention durch die Verwaltungen des Landes Berlin und der Bezirke durchgesetzt und die Einhaltung der aus der Konvention sich ergebenden Rechte für alle Kinder durch den Senat von Berlin sichergestellt? Zu 2.: Die Verwaltung des Landes Berlin handelt nach Recht und Gesetz. Dazu gehören auch die Vorgaben der UN-Kinderrechtskonvention. Die Recht- und Zweckmäßigkeit des Verwaltungshandelns wird durch die üblichen Kontrollmechanismen innerhalb der Verwaltungsstruktur überwacht. 3. Wie gedenkt der Senat damit umzugehen, dass die offensichtlich geplante Unterbringung von Kindern im Sinne der UN-Kinderrechtskonvention (Alter bis 18 Jahre) ein Verstoß gegen Art. 37 b) der Konvention ist, wonach eine Freiheitsentziehung von Kindern nur als letztes Mittel überhaupt und nur so kurz als möglich stattfinden darf? Zu 3.: Die Flughafenunterkunft ist keine Haft- einrichtung. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner grundlegenden Entscheidung vom 14.5.1996 (2 BvR 1516/93) festgestellt, dass die Begrenzung des Aufenthalts von Asylsuchenden während des Verfahrens nach § 18a AsylVfG auf die für ihre Unterbringungen vorgesehenen Räumlichkeiten im Transitbereich eines Flughafens keine Freiheitsentziehung oder Freiheitsbeschränkung im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Satz 2 und Art. 104 Abs. 1 und 2 Grundgesetz darstellt. Der Schutzbereich des Art. 37b) der UN-Kinderrechtskonvention, der Festnahmen, Freiheitsentziehungen und Freiheitsstrafen erfasst, ist nicht betroffen. 4. Wie rechtfertigt der Senat von Berlin, dass die Verbringung Minderjähriger in Abschiebehaft ebenfalls gegen Art. 17 der Richtlinie 2008/15/EG (sogen. „Rückführungsrichtlinie“) verstoßen würde, deren fristgemäße Umsetzung Deutschland versäumt hat, und deren Art. 17 laut einer der vorläufigen Anwendungshinweise des BMI zur einstweiligen Umsetzung durch Behörden wortwörtlich anzuwenden ist? Zu 4.: Die Flughafenunterkunft ist – wie bereits dargelegt - keine Abschiebehafteinrichtung, so dass Art. 17 der Rückführungsrichtlinie nicht einschlägig ist. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 017 5. Sollten Minderjährige auf dem Flughafen tat- sächlich rechtswidrig in Abschiebehaft verbracht werden, wie wird dort zumindest eine angemessene Gesundheitsversorgung gewährleistet (Art. 24 Abs. 1 UNO-KRK schreibt hier im Unterschied zum § 4 Abs.1 AsylbLG nicht nur eine medizinische Versorgung in äußersten Notfällen, sondern statuiert ein Recht auf das erreichbare Höchstmaß an Gesundheit und entsprechende Inanspruchnahme medizinischer Einrichtungen)? Zu 5.: Wie bereits erwähnt, liegt der Betrieb der Flughafenunterkunft einschließlich der medizinischen Versorgung der Asylsuchenden in der Zuständigkeit Brandenburgs. Insoweit sei verwiesen auf die Kleine Anfrage Nr.1567 der Brandenburgischen Landtagsabgeordneten Ursula Nonnenmacher (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zum Flughafenverfahren (Drs. 5/4096). Danach wird die medizinische Versorgung durch in der Region niedergelassene Ärzte erfolgen. Soweit eine notwendige Behandlung nur außerhalb der Einrichtung (durch einen Facharzt oder stationär) möglich ist, wird die Begleitung dorthin durch die hierfür zuständige Bundespolizei organisiert. 6. Wie will der Senat auf die neue Rechtslage reagieren, nach der 16-17-jährige Asylbewerber_innen zwar nach deutschem Recht (§ 12 Abs. 1 AsylVfG, § 80 Abs. 1 AufenthaltsG) verfahrensfähig sind, hier jedoch ein Verstoß gegen Art. 22 Abs. 1 und 22 Abs. 2 Satz 1 der UNO-Konvention vorliegt und die offensichtlich geplante Anwendung des sogen. „Flughafenverfahrens“ damit eindeutig rechtswidrig wäre? Zu 6.: Zuständig für die Anwendung der asyl- rechtlichen Regelung zum Flughafenverfahren und die in diesem Zusammenhang gebotenen Gesetzesauslegungen sind das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und die Bundespolizei. Berlin, den 13. Dezember 2011 Henkel Senator für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 06. Jan. 2012) 2