Drucksache 17 / 10 050 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Özcan Mutlu (GRÜNE) vom 14. Dezember 2011 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 16. Dezember 2011) und Antwort Verbesserung der Unterrichtsqualität durch Schülerbefragung Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie kommt das Selbstevaluationsportal bei Lehrerinnen und Lehrern an und wie viele haben bisher das Selbstevaluationsportal des Instituts für Schulqualität der Länder Berlin und Brandenburg e. V. (ISQ) genutzt? Zu 1.: Bei Lehrkräften, die das Selbstevaluationsportal in den letzten drei Jahren genutzt haben, kommt das Portal gut an. Auch Rückmeldungen an das Institut für Schulqualität (ISQ) über das Selbstevaluationsportal sind durchweg positiv. Lehrkräfte, die das Portal bisher noch nicht genutzt haben, äußern teilweise Bedenken. 2012 wird die Durchführung evaluiert. Das Angebot des ISQ zur Durchführung von Schülerbefragungen existiert seit Beginn des Schuljahres 2008/09. Insgesamt wurden von Berliner Lehrkräften ca. 1.500 Lerngruppen mit über 24.500 Schülerinnen und Schülern befragt. Da sich das Angebot an Berliner und Brandenburger Lehrkräfte gleichermaßen richtet, beträgt die Gesamtzahl der befragten Lerngruppen momentan 2.340 (Stand 16.12.2011). 2. Welche Projekte zur Schülerbefragung (neben der Schülerbefragung durch das ISQ) in Berlin sind dem Senat bekannt und wie bewertet der Senat die Ergebnisse und Erfahrungen dieses Qualitätsinstrument? Zu 2.: Schülerbefragungen werden im Rahmen der internen Evaluation von verschiedenen Schulen durchgeführt . Eine systematische Erhebung erfolgt nicht. Dem Senat sind folgende Schülerbefragungen bekannt: die Feedback-Bögen des John-Lennon-Gymnasiums, der Rosa-Luxemburg-Oberschule und der Eckener-Oberschule , die Befragung des „Netzwerks Schülerbefragung“ und das von Schülerinnen und Schülern des Otto-NagelGymnasiums entwickelte Online-Portal sowie das Angebot der Bertelsmannstiftung SEIS (Selbstevaluation in Schulen), das als Zielgruppe die gesamte Schule hat, aber auch Schülerbefragungen beinhaltet. Die Konzeption solcher einzelschulischen Aktivitäten ist sehr heterogen. So kommen z. T. sehr kurze Fragebögen zum Einsatz, z. T. recht ausführliche. Genauso heterogen ist die Art der Durchführung (z.B. Grad der Verpflichtung für das Kollegium, Grad der Regelmäßigkeit der Durchführung, Komplexität der Datenaufbereitung ). Insgesamt kann die Qualität dieser Instrumente nicht beurteilt werden. Von den beteiligten Schulen werden die Befragungen als hilfreiche Instrumente der Qualitätsentwicklung angesehen. Die Initiative von Schulen zur internen Evaluation wird vom Senat positiv bewertet. 3. Wie hoch ist die jährliche Beteiligung an der ISQ- Schülerbefragung und wie hoch die an den anderen Befragungen ? Zu 3.: Befragung Beteiligung an den Befragungen Selbstevaluationsportal Befragung von 4.000 Schülerinnen/Schülern im Schuljahr 2011/12 (bis Dezember 2011) Nutzung von SEIS Nutzung durch 36 Schulen im Zeitraum von zweieinhalb Jahren Netzwerk-Schülerbefragung Nutzung durch 35 Schulen durch einen Teil der Lehrkräfte ein- mal jährlich Eckener-Oberschule Regelmäßige Nutzung durch die Lehrkräfte John-Lennon-Gymnasium Nutzung durch alle Lehrkräfte in allen von ihnen unterrichteten Lerngruppen einmal jährlich Rosa-Luxemburg-Oberschule Nutzung durch alle Lehrkräfte dreimal jährlich Otto-Nagel-Gymnasium Nutzung durch alle Lehrkräfte zweimal jährlich Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 050 4. Ist dem Senat bekannt, dass die Humboldt Uni- versität seit 2008 zusammen mit den Oberstufenzentren im Netzwerk Schülerbefragung die Beurteilung der Lehrkräfte durch SchülerInnen wissenschaftlich begleitet, diese permanent weiterentwickelt hat und die Auswertungen den Schulen für die Unterrichtsentwicklung zur Verfügung stellt? Zu 4.: Ja. 5. Wie bewertet der Senat diese Zusammenarbeit und die Ergebnisse dieses Projektes? Zu 5.: Die Zusammenarbeit zwischen Hochschulen und Schulen im Bereich der internen Evaluation ist grundsätzlich zu unterstützen, weil die Expertise der externen Partner für die Schulentwicklung wesentliche Impulse liefert. Die Ergebnisse dieses Projekts werden zurzeit in der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft geprüft. 6. Weshalb wurde trotz des weit gediehenen Ansatzes der Humboldt Universität das ISQ mit der Erarbeitung einer weiteren Befragung beauftragt und wie viel kostet dies das Land Berlin? Zu 6.: Das Selbstevaluationsportal ist nicht nur als ein Angebot für Schülerbefragungen konzipiert worden, sondern um für viele verschiedene Fragestellungen Instrumente zur Selbstevaluation von Schule und Unterricht anzubieten. Die Entwicklung begann mit Angeboten für Lehrkräfte, die ihre Schüler/-innen zur Wahrnehmung ihres Unterrichts befragen wollten. Die ersten fachunspezifischen Fragebogeninhalte wurden anschließend um fachspezifische Angebote erweitert, welche sich an die KMK-Bildungsstandards anlehnen. Zu diesem Schuljahr fand eine weitere starke Ausweitung des fachspezifischen Angebotes statt. Diese Erweiterungen basieren auf den aktuellen Rahmenlehrplänen. Zudem gibt es seit einem Schuljahr ein Angebot für Schulleitungen, welche ihr Kollegium zur Wahrnehmung des Schulmanagements befragen wollen. Erarbeitet wird zurzeit ein Modul für die Schulaufsicht, die sich mittels dieses Moduls eine Rückmeldung von Schulleitungen zu ihrem beruflichen Handeln einholen kann. Alle Angebote im Selbstevaluationsportal beruhen auf folgenden Grundsätzen: Eine Person erhält eine Rückmeldung zu ihrem beruflichen Handeln. Dabei wird stets die eigene Wahrnehmung der Fremdwahrnehmung gegenübergestellt. Alle Angebote sind reine OnlineAngebote . Sie sind theoretisch fundiert und werden dem/der Nutzer/Nutzerin als Baukasten angeboten, d.h. die konkreten Inhalte einer Befragung können aus allen vorhandenen Inhalten zusammengestellt werden. Die Kosten für die konzeptionelle Arbeit und die kontinuierliche Weiterentwicklung des Selbstevaluationsportals werden durch das ISQ im Rahmen der Zuwendungen durch die Länder Berlin und Brandenburg gedeckt. Über vier Jahre hinweg sind Programmierkosten für das Land Berlin angefallen, die durchschnittlich jährlich 15.000 € betragen. 7. Hat das ISQ bei der Erarbeitung der SchülerInnenbefragung die bestehenden Ansätze der HU aufgegriffen , mit ihnen kooperiert und diese weiterentwickelt , oder wurde hier bei Null begonnen? Zu 7.: Das ISQ hat sich nach einer entsprechenden Recherche in der wissenschaftlichen Literatur dafür entschieden , die ersten Inhalte des Selbstevaluationsportals für Schülerbefragungen auf Basis des QUAIT-Modells von Robert Slavin zu entwickeln. Dabei wurden ebenso wie bei der Entwicklung der Fragebogen der Netzwerkschulen die Vorarbeiten von Professor Hartmut Ditton (Ludwig-Maximilians-Universität München) genutzt. Die Grundlage für die weiteren Angebote zu Schülerbefragungen waren die Bildungsstandards der Kultusministerkonferenz (KMK) sowie die Rahmenlehrpläne in Berlin und Brandenburg. 8. In welcher Form ist der Fragebogen des ISQ ent- wickelt worden, wie ist die Qualität des Fragebogens überprüft worden (Verständlichkeit der Items, statistische Testgüte des Fragebogens in Bezug auf Reliabilität und Validität) Zu 8.: Die Items der Fragebögen für die ersten fachunspezifischen Angebote sind bereits in empirischen Studien eingesetzt worden, sodass die Gütekriterien bekannt waren. Des Weiteren wurden die Items in Berlin und Brandenburg mit Lehrkräften erprobt und bei Verständnisschwierigkeiten entsprechend angepasst. 9. In welcher Art und Weise erhält die eigenver- antwortliche Schule, ihre Fach- und Klassenteams Rückmeldung über Ergebnisse der ISQ-Befragungen? Zu 9.: Die Nutzungsbedingungen des Selbst- evaluationsportals erfüllen hohe datenschutzrechtliche Ansprüche. So ist sichergestellt, dass nur die jeweilige Lehrkraft die Ergebnisse ihrer Befragung erhält. Ein Vergleich der Ergebnisse im Team ist über die Rückmeldung der Ergebnisse in Form einer Excel-Datei möglich. Die Schule trifft eigenverantwortlich Absprachen darüber, wie die Ergebnisse der Befragungen für die Weiterentwicklung der Unterrichtsqualität genutzt werden sollen. 10. Welchen Stellenwert nimmt die Rückmeldung an die Schulen über die Beurteilungen der Unterrichtsqualität unter Wahrung der Anonymität der Einzelbeschäftigten in der Schülerbefragung des ISQ ein? Zu 10.: Die Ergebnis-Rückmeldung nimmt einen hohen Stellenwert ein. Erste qualitative Studien zur Rezeption der Rückmeldung deuten darauf hin, dass die Rückmeldung für unterschiedlichste Nutzer/-innen relevante Informationen zur Wahrnehmung des Unterrichts bereithält. Zudem bietet die Rückmeldung einen Perspektiven-Vergleich, d.h. die Wahrnehmung der Lehrkraft und der Schüler/-innen kann miteinander verglichen werden. Diese Rückmeldung erfolgt anonym. Im Selbstevaluationsportal werden keinerlei Informationen erfragt, welche Rückschlüsse auf eine bestimmte Person zulassen könnten. Für den weiteren Umgang der Ergebnisse ist der 2 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 050 3 jeweilige Nutzer/die jeweilige Nutzerin selbst verantwortlich . 11. Wird die Netzwerk-Befragungsteilnahme für die KollegInnen als Pflichterfüllung im Sinne der kommenden Verordnung anerkannt? Zu 11.: Es wird zurzeit in der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft geprüft, ob das Instrument der Netzwerk-Befragung den Vorgaben der „Verordnung über schulische Qualitätssicherung und Evaluation“ entspricht. 12. Wie will der Senat die Akzeptanz der Schulen und der Lehrkräfte für die Schülerbefragung herstellen? Zu 12.: Die Senatsverwaltung hat vielfältige Maß- nahmen ergriffen, um die Akzeptanz der Schulen und der Lehrkräfte für die Schülerbefragung zu erhöhen: Neben der Information von Schulleitungen, des Landesschulbeirats , des Landeselternausschusses sowie der regionalen Schulaufsicht wurde das Selbstevaluationsportal an über 60 Berliner Schulen in Gesamtkonferenzen vorgestellt. Alle Lehrkräfte der öffentlichen Schulen haben im September 2011 die Broschüre „Das Selbstevaluationsportal - Ein Instrument zur schulinternen Evaluation des Unterrichts, Informationen für Lehrkräfte“ erhalten, die den Umgang mit dem Selbstevaluationsportal sowie dessen Nutzen für die Unterrichtsentwicklung anschaulich erklärt. Außerdem schickt das ISQ regelmäßig Informations-Flyer an die Schulen. 13. Wie will der Senat die tatsächliche Beteiligung aller Lehrkräfte an der Befragung sicherstellen? Zu 13.: Die Sicherstellung der Beteiligung aller Lehr- kräfte liegt in der Verantwortung der Schulleitung. Lehrkräfte sind durch die „Verordnung über schulische Qualitätssicherung und Evaluation“ verpflichtet, die Schulleitung von der Durchführung der Evaluationsmaßnahme in Kenntnis zu setzen. 14. Wie will der Senat sicherstellen, dass die Nutzung der Rückmeldung durch das ISQ ein Instrument für die eigenverantwortliche Schulentwicklung ist und nicht zu einem Schulranking ausartet? Zu 14.: Die Nutzungsbedingungen des Selbst- evaluationsportals erfüllen höchste Ansprüche an den Datenschutz, d.h. die jeweiligen Ergebnisse werden nur dem/der jeweiligen Nutzer/-in zurückgemeldet. Da von den Nutzern/Nutzerinnen keine Schulnummer erfragt wird und auch der Name der Lehrkraft nicht eingegeben werden muss, gibt es keine Möglichkeit der Zuordnung von Nutzern/Nutzerinnen zu einer bestimmten Schule, ein Schulranking ist damit ausgeschlossen. Nutzungsstatistiken werden nur über die Gesamtheit aller Befragungen ermittelt. 15. Welche Interpretationshilfen stehen für den Frage- bogen des ISQ zur Verfügung, damit Fach- und Klassenteams bzw. Schulgremien, die Ergebnisse auch verstehen und für Schulentwicklungsmaßnahmen nutzen können? Zu 15.: Die Ergebnisrückmeldung bietet vielfältige Erläuterungen. Sofort nach Durchführung einer OnlineBefragung mit dem Selbstevaluationsportal erhalten die Lehrkräfte einen Auswertungsbericht, der die Ergebnisse zusammenfassend darstellt. Die Wahrnehmung der Schüler/-innen wird derjenigen der Lehrkraft in übersichtlichen Grafiken und Tabellen gegenübergestellt. Inhaltliche und methodische Erläuterungen erleichtern die Interpretation . 16. Wie werden Schulen bei der ISQ-Befragung darin unterstützt, aufgrund der Befragungsergebnisse Schulentwicklungsmaßnahmen zu gestalten? Zu 16.: Im Rahmen der regionalen Fortbildung hat die verantwortliche Schulaufsicht Multiplikatoren/-innen für Schulentwicklungsberatung beauftragt, die Schulen bei der schulinternen Fortbildungsplanung zu unterstützen. Für diese schulinterne Fortbildungsplanung wird in einem ersten Prozessschritt angeraten, die Daten der Schule wie Ergebnisse der Befragung mit dem Selbstevaluationsportal , der Vergleichsarbeiten, Übergangsempfehlungen und Abschlüsse und den Bericht der Schulinspektion zu analysieren, um auf Basis dieser Daten und in Verbindung mit den schuleigenen Zielen den Qualifizierungsbedarf im Kollegium festzustellen. Die Multiplikatoren/-innen für Schulentwicklungsberatung und für Unterrichtsentwicklung in den Fächern werden in die Nutzung des Selbstevaluationsportals eingeführt, um die Ergebnisse der Befragung mit dem Selbstevaluationsportal in den Prozess der schulinternen Fortbildungsplanung und Unterrichtsentwicklung einbeziehen zu können. 17. Wie sieht es mit spezifischen Befragungsinhalten für die berufliche Bildung aus (z. B. Praxisrelevanz, Lernerfolg in Bezug auf spätere berufliche Tätigkeit)? Zu 17.: Das Selbstevaluationsportal beinhaltet ein sich ständig erweiterndes Angebot an Selbstevaluationsinstrumenten für verschiedene Interessengruppen. Deshalb kann eine Erweiterung des Selbstevaluationsportals mit Modulen für übergeordnete Inhalte für die berufliche Bildung unproblematisch realisiert werden. Schon jetzt können berufliche Schulen die fachunspezifischen Fragebögen nutzen sowie fachspezifische im Bereich der allgemeinbildenden Fächer (z. B. Deutsch, Mathematik). Berlin, den 28. Dezember 2011 In Vertretung Mark Rackles Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 04. Jan. 2012)