Drucksache 17 / 10 051 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage der Abgeordneten Stefan Gelbhaar und Jasenka Villbrandt (GRÜNE) vom 09. Dezember 2011 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 16. Dezember 2011) und Antwort Verschlechterung der Barrierefreiheit durch Abschaffung der Busse mit Kneeling? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: Die Kleine Anfrage betrifft Sachverhalte, die der Senat teilweise nicht aus eigener Zuständigkeit und Kenntnis beantworten kann. Er ist gleichwohl bemüht, Ihnen eine Antwort auf Ihre Anfrage zukommen zu lassen und hat daher die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) um eine Stellungnahme gebeten, die von dort in eigener Verantwortung erstellt wurde. Sie wird nachfolgend wiedergegeben. Frage 1: Wie viele Busse mit einer automatischen Kneeling-Absenkvorrichtung, mit der der Bus gegenüber der normalen Fahrtposition automatisch ein- oder beidseitig abgesenkt oder angehoben wird, hatte die BVG im Jahr 2010? Frage 2: Ist dem Senat bekannt, dass die BVG die automatischen Kneeling-Absenkvorrichtungen wieder abschafft , und wie viele wurden bereits entfernt? Frage 3: Soll die automatische Kneeling Funktion an allen Bussen abgeschafft werden? Welche Gründe liegen dafür vor? Frage 4: Bis wann soll die Umrüstung abgeschlossen sein? Werden alle neuen Busse ohne automatisches Kneeling bestellt? Antwort zu 1., 2., 3. und 4.: Die BVG AöR hat die zuständigen Senatsverwaltungen und die Behindertenverbände darüber informiert, dass sie beabsichtige, das automatische Absenken von Autobussen (d. h. automatisches Kneeling an jeder Haltestelle) durch ein sogenanntes fahrgastbezogenes Bedarfskneeling (d. h. auf Anforderung eines Fahrgastes) zu ersetzen. Als Gründe für diese Umstellung benannte die BVG, dass einerseits die Wartungs- und Reparaturanfälligkeit des Systems hoch sei, was zu einer Einschränkung der Verfügbarkeit von Bussen führe, und andererseits für den weitaus überwiegenden Teil der Fahrgäste das automatische Absenken der Omnibusse an den Haltestellen zum Einsteigen nicht notwendig sei, da die Omnibusse bereits im nicht abgesenkten Zustand eine verhältnismäßig niedrige Einstiegshöhe haben. Ferner wird nach Auffassung der BVG das automatische Absenken an jeder Haltestelle von vielen Fahrgästen sowie Fahrerinnen und Fahrern als störend empfunden. Von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt wurde daraufhin mit der BVG vereinbart, dass zur Klärung der Auswirkungen dieses beabsichtigten Prozesses Pilotphasen für die unterschiedlichen Bustypen vorlaufen müssen. Mit einer Kneelingvorrichtung sind alle 1324 von der BVG AöR eingesetzten Busse ausgerüstet gewesen. Laut Auskunft der BVG ist derzeit im Rahmen der 1. Pilotphase bei 152 12m-Bussen die automatische Steuerung auf eine Bedarfssteuerung umgestellt worden. Zum vorgesehenen Terminplan teilte die BVG mit: „Ein genauer Terminplan steht noch nicht fest, da sich das Bedarfskneeling noch in der Pilotphase befindet. Die Ergebnisse des Testverfahrens werden genau geprüft und ausgewertet. Da die bisherigen Erfahrungen aber durchweg positiv waren, geht die BVG AöR davon aus, dass zukünftig die Busse mit einer bedarfsgerechten Kneelingfunktion bestellt werden.“ Frage 5: War der Senat in diese Entscheidung der BVG, die die Nutzbarkeit für die Bürgerinnen und Bürger einschränkt, eingebunden? Frage 6: Wie bewertet der Senat diesen Vorgang? Hat der Senat seine Meinung der BVG mitgeteilt? Antwort zu 5. und 6.: Wie dargestellt, wurde das Land Berlin vor der Einführung der Testphase von der BVG im Rahmen der regelmäßigen Turnusgespräche informiert. Es ist bereits zu diesem Zeitpunkt klar dargelegt worden, Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 051 dass es nicht um die grundsätzliche Abschaffung der Kneelingfunktion in den Omnibussen geht. Darüber hinaus hatte die BVG erstmals im April 2011 über ihre Planungen zur Einführung des Bedarfskneelings in der bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt angesiedelten AG „Bauen und Verkehr – barrierefrei“ berichtet. Der Bereich Behindertenpolitik der damaligen Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales hat der BVG umgehend schriftlich mitgeteilt, dass ein automatisches Kneeling für unverzichtbar gehalten wird. Ein Gespräch mit dem Leiter des Bereiches Omnibus und der Schriftwechsel des Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderung mit Frau Dr. Nikuta ergaben, dass die BVG dennoch das Ziel hat, schrittweise das Bedarfskneeling für alle Busse einzuführen. Aus Sicht des Senats ist es wichtig, dass auch Menschen, die Mobilitätseinschränkungen haben, weiterhin das Busangebot der BVG uneingeschränkt nutzen können. Frage 7: Welche Auswirkungen wird nach Meinung des Senats die Abschaffung der automatischen KneelingSysteme für die Berliner Bevölkerung haben? Frage 8: Wie soll verhindert werden, dass sich Menschen mit Behinderungen als Bittsteller fühlen, wenn sie durch den Anforderungsknopf wieder auf die Reaktion des Busfahrers angewiesen sind? Antwort zu 7. und 8.: Zunächst muss der Abschluss der Pilotphasen abgewartet werden, um alle Auswirkungen der Umstellung erkennen zu können. Eine vom Fahrgast auszulösende Anforderung des Kneelings durch einen Knopfdruck an der zweiten Tür wäre, genau wie der Türtaster für Kinderwagen, als ergänzende Signalgebung und nicht als Bittstellung zu verstehen. Frage 9: Trifft es zu, dass der Fahrer die Türen wieder verschließen muss, bevor er die Kneeling-Technik in Gang setzen kann, wenn sich der Bus nicht gleich nach dem Stopp an der Haltestelle abgesenkt hat? Ist zu erwarten, dass es dadurch zu Verzögerungen im Fahrtablauf kommt? Antwort zu 9.: Die BVG teilt hierzu mit: „Beim Bedarfskneeling ist zu jeder Zeit eine Ab- senkung des Omnibusses möglich, unabhängig davon, ob die Türen geschlossen oder offen sind. Verzögerungen beim Haltestellenaufenthalt sind daher nicht zu erwarten.“ Frage 11: Bei wie vielen Busfahrern konnten die Rückenleiden eindeutig auf die Kneeling-Funktion zurückgeführt werden? Haben sich die Rückenbeschwerden von Busfahrern seit der Einführung des Kneelings signifikant erhöht? Wenn ja, in welcher Höhe? Antwort zu 11.: Die BVG teilt hierzu mit: „Eine stichhaltige Zuordnung der Rückenleiden des Fahrpersonals auf das Zwangskneeling ist medizinisch nicht möglich, da Rückenbeschwerden immer mehrere Ursachen haben. Eine statistische Erfassung der vom Fahrpersonal genannten Gründe für die Rückenleiden erfolgt nicht, da die Zuordnung zu nur einer Ursache aus medizinischer Sicht schwierig ist.“ Frage 12: In welcher Höhe erwartet der Senat Ein- sparungen von Wartungskosten durch die Abschaffung der Kneeling-Funktion? Antwort zu 12.: Entsprechende Erkenntnisse werden bei der Auswertung der Testphasen von der BVG vorgelegt werden. Frage 10: Wie bewertet der Senat in diesem Zusam- menhang die Umsetzung der EU-Richtlinie "Barrierefreier Verkehr"? Frage 13: Ist der Senat der Meinung, dass aufgrund dieser Einsparungen, die Einschränkungen für die Bürgerinnen und Bürger rechtfertigbar sind? Antwort zu 10 und 13.: Das Kneeling und damit der vereinfachte Buseinstieg werden erhalten bleiben. Berlin, den 10. Februar 2012 In Vertretung C h r i s t i a n G a e b l e r ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 15. Feb. 2012) 2