Drucksache 17 / 10 052 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Özcan Mutlu (GRÜNE) vom 15. Dezember 2011 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 16. Dezember 2011) und Antwort Wie gestaltet sich das Beteiligungsverfahren bei der Überarbeitung des Inklusionskonzeptes durch die Verwaltung konkret? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Was versteht der Senat unter „aktiver Einbeziehung“ der Organisationen, die behinderte Kinder und Jugendliche vertreten, im Zusammenhang mit der Überarbeitung des Inklusions-Konzeptes ? Zu 1.: In der UN-Behindertenrechtskonvention in Art. 4 Abs. 3 heißt es: „Bei der Ausarbeitung und Umsetzung von Rechtsvorschriften und politischen Konzepten zur Durchführung dieses Übereinkommens und bei anderen Entscheidungsprozessen in Fragen, die Menschen mit Behinderungen betreffen, führen die Vertragsstaaten mit den Menschen mit Behinderungen, einschließlich Kindern mit Behinderungen, über die sie vertretenden Organisationen enge Konsultationen und beziehen sie aktiv ein.“ Dieser Maßgabe folgt die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft beim „Gesamtkonzept Inklusive Schule“. Sie lädt die entsprechenden Organisationen zu Konsultationsgesprächen ein, die zu einem Meinungsaustausch führen. So erhalten die Organisationen frühzeitig Gelegenheit, zu der Ausarbeitung und Umsetzung von Rechtsvorschriften und politischen Konzepten Stellung zu nehmen. Auf welche Art und Weise dies erfolgt, lässt die UNBehindertenrechtskonvention offen. In Betracht kommen daher sowohl gemeinsame Sitzungen mit den für die Ausarbeitung zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Behörden und/oder mit den Mitgliedern des Abgeordnetenhauses als auch die Anhörung zu einem bereits vorliegenden Entwurf. Die Stellungnahmen sind bei der weiteren Ausarbeitung bzw. Umsetzung von Konzepten und Vorschriften maßgeblich zu berücksichtigen. Dies bedeutet allerdings nicht, dass den beteiligten Organisationen ein formales Stimmrecht zu den einzelnen Maßnahmen zusteht. Abgesehen von dem darin liegenden Risiko, dass divergierende Voten verschiedener Organisationen im Ergebnis die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention gänzlich blockieren könnten, wäre eine solche Auslegung des Artikels 4 Absatz 3 der UN-Behindertenrechtskonvention nicht mit der Verfassung von Berlin vereinbar. Geht es um Gesetzgebung, so liegt die alleinige Zuständigkeit bei dem Abgeordnetenhaus als der Vertretung des Volkes. Eine Art Vetorecht bestimmter Organisationen in Bezug auf Gesetzentwürfe würde die Kompetenzen des Abgeordnetenhauses unzulässig beschneiden. Geht es um die Umsetzung der Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention durch die Verwaltung, so ist die Verwaltung hierbei an gesetzliche und haushaltsrechtliche Vorgaben gebunden, welche durch „Gegenstimmen“ der Betroffenenvertretungen nicht außer Kraft gesetzt werden dürfen. Aus diesen Gründen beinhaltet die Beteiligung und aktive Einbeziehung von Vertreterinnen und Vertretern von Menschen mit Behinderungen in die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention keine Bindung der Vertragsstaaten an Beschlüsse der Betroffenenvertretungen . Vielmehr entscheiden die zuständigen Institutionen der Vertragsstaaten über die zu ergreifenden Maßnahmen. Die Stellungnahmen der Betroffenenvertretungen werden in dem Entscheidungsprozess jedoch maßgeblich berücksichtigt. 2. Welche Organisationen wurden ausgewählt „aktiv beteiligt“ zu werden, wie es der Artikel 4 Pkt.3 der seit März 2009 verpflichtenden Menschenrechtskonvention über die und zum Schutz der Rechte von Menschen mit Behinderungen vorsieht? Zu 2.: Die Auswahl der Organisationen erfolgte nach dem Prinzip, die großen und möglichst viele Betroffenenvertretungen an den Konsultationen zu beteiligen. Dazu gehören: Der Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderungen, der Landesbeirat für Menschen mit Behinderungen, der Landesschulbeirat, die Lebenshilfe e.V., der Paritätische Wohlfahrtsverband Berlin e.V., der Sozialverband VdK Berlin-Brandenburg, der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband, der Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10052 Allgemeine Blinden- und Sehbehindertenverein Berlin gegr. 1874 e.V., der Gehörlosenverband Berlin e.V., der Schwerhörigenverein Berlin e.V., der Landesverband Berlin – Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung e.V., der Landesverband Berlin e.V. Autismus Deutschland, die Spastikerhilfe Berlin e.V., die Türkischen Frauenunion, die Landesgruppe Berlin des Verbandes Sonderpädagogik e.V., der Arbeitskreis Gemeinsame Erziehung Berlin, die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft , der Landeselternausschuss, der Landeslehrerausschuss und der Schülerausschuss Beruflicher Schulen. Das Elternzentrum Berlin e.V., das Netzwerk Förderkinder und der Verein Eltern für Integration e.V. sind hinzu gekommen. 3. Wer nimmt von Verwaltungsseite an den Beteiligungsterminen teil? Zu 3.: Die zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft aus den Bereichen Bildung und Jugend nehmen an den Gesprächen teil. 4. Gibt es einen Zeitplan für die Zusammenkünfte, wird ein abgestimmtes Protokoll geführt und welche Regeln der Zusammenarbeit wurden vereinbart? Zu 4.: Für den Konsultationsprozess gibt es einen Zeitplan. Er sieht drei weitere Konsultationsgespräche vor. Ein Protokoll wird geführt, Anregungen und Vorschläge zur Beratung, die aus dem Kreis der Teilnehmerinnen und Teilnehmer kommen, werden aufgenommen und besprochen. 5. Wer entscheidet über die Tagesordnung und wird diese auch zeitnah an alle Beteiligten versandt? Zu 5.: Mit den Einladungen wird eine Tagesordnung versandt, die als Vorschlag für die Themenauswahl der Konsultation zu verstehen ist. Selbstverständlich sind die Vertreter der Organisationen, die an dem Gespräch teilnehmen, eingeladen, zusätzlich Anregungen zu geben und Vorschläge zu unterbreiten. Diese finden dann nach Aussprache in die Tagesordnung Eingang. Dadurch ist die Möglichkeit für ein intensives Gespräch gegeben. Die Meinungen, Klarstellungen und Würdigungen werden im Protokoll des Konsultationsgesprächs festgehalten und zeitnah an die Beteiligten versandt. 6. Welche Zielsetzungen hatten die bisher anberaumten Konsultationen? Zu 6.: Zielsetzung der Konsultationsgespräche ist es, die teilnehmenden Organisationen über Eckpunkte des Gesamtkonzepts zu informieren und zu einem Meinungsaustausch zu kommen. So erhalten die Organisationen frühzeitig Gelegenheit, zu der Ausarbeitung und Umsetzung von Rechtsvorschriften und politischen Konzepten Stellung zu nehmen. Diese Stellungnahmen werden bei der Weiterentwicklung des Konzepts maßgeblich berücksichtigt. 7. Ist für ehrenamtlich tätige TeilnehmerInnen für eine Kinderbetreuung gesorgt und können die TeilnehmerInnen jederzeit erreicht werden, wenn sie Kinder oder Jugendliche in der Familie haben? Zu 7.: Selbstverständlich wird für eine Kinderbetreuung gesorgt, wenn der Wunsch danach rechtzeitig geäußert wird. Die Senatsveraltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft wird eine Teilnahme an den Konsultationsgesprächen ermöglichen, insbesondere auch für ehrenamtlich tätige Eltern- bzw. Verbandsvertreter/-innen. Eine Erreichbarkeit über Handy ist grundsätzlich gegeben. Dies wird vor jeder Sitzung erneut geprüft. Berlin, den 02. Januar 2012 In Vertretung Mark Rackles Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 24. Januar 2012) 2