Drucksache 17 / 10 059 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Hakan Taş (LINKE) vom 16. Dezember 2011 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 19. Dezember 2011) und Antwort Abschaffung der Sprachtests beim Ehegattennachzug Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Ist dem Senat die Berichterstattung der am 08.12.2011 im Deutschlandradio ausgestrahlten Sendung „Liebe mit Hindernissen“, in der die Diskussion über einen Gesetzentwurf der SPD-Bundestagsfraktion zur Abschaffung der Sprachtests beim Ehegattennachzug und die Haltung des Landes Berlin zu dieser Frage thematisiert wird, bekannt (Zitat: „Die Sozialdemokraten hatten zwar 2007, zu Zeiten der Großen Koalition, den Sprachtest mit beschlossen. Jetzt allerdings wollen sie ihn wieder abschaffen. Begründung: Die Deutschprüfung verhindere keine Zwangsehen. Andererseits seien zahlreiche Fälle dokumentiert, wonach freiwillig geschlossene , binationale Ehen in Deutschland nicht gelebt werden könnten. So steht es in einem Entwurf für einen Gesetzesantrag, über den die SPD-Bundestagsfraktion seit mehr als zweieinhalb Monaten berät. Der Grund für die Verzögerung: Einige SPD-geführte Bundesländer, wie Berlin und Brandenburg, sind gegen die Abschaffung des Sprachtests.“)? Zu 1.: Die Berichterstattung ist bekannt. 2. Ist diese Aussage zutreffend? Zu 2.: Nein 3. Wenn nein, welche Position konkret vertritt der Senat in dieser Frage? Zu 3.: Eine wesentliche Voraussetzung für die Integration eines/r nachziehenden Ehegatten/Ehegattin ist das Erlernen der deutschen Sprache. Nur damit ist es möglich, sich in unserer Gesellschaft emanzipiert zu bewegen . Auch unter dem Gesichtspunkt der Integration der Kinder des Ehepaares sind deutsche Sprachkenntnisse unerlässlich. Der verpflichtende Integrationskurs allein wird diesen Zielvorstellungen nicht ausreichend gerecht. So ist dort eine Teilnahme zwar verpflichtend nach § 44a Aufenthaltsgesetz (AufenthG), nicht aber ein Erfolg nachzuweisen . Somit kann nur durch im Vorfeld der Einreise nachgewiesene Deutschkenntnisse sichergestellt werden, dass nachziehende Ehegatten/Ehegattinnen in Deutschland in der Lage sind, Kontakt zum gesellschaftlichen Umfeld zu haben und damit ein eigenständiges Sozialleben aufzubauen . Bei Zwangsverheiratungen zeigte sich vor Einführung der Sprachtests häufig die Problematik, dass Schwiegerfamilien , denen neu eingewanderte Opfer von Zwangsverheiratungen nach der Einreise ausgesetzt waren, gerade die mangelnden deutschen Sprachkenntnisse ausgenutzt hatten, um ein eigenständiges Sozialleben der Opfer zu verhindern. Ein unzulässiger Eingriff in Art.6 Grundgesetz (GG) wird durch den erforderlichen Sprachnachweis nicht begründet . Weder die Verpflichtung des Staates zum besonderen Schutz von Ehe und Familie, noch das damit verbürgte Recht auf Zusammenleben gewähren einen bedingungslosen grundrechtlichen Anspruch auf gemeinsamen Aufenthalt in der Bundesrepublik. Vielmehr kann der Gesetzgeber festlegen, unter welchen Voraussetzungen Ausländern/Ausländerinnen der Zugang zum Bundesgebiet ermöglicht werden soll. Die derzeit geltende Regelung verfolgt in angemessener Weise die o.g. Ziele. Sowohl das Bundesverfassungsgericht, als auch das Bundesverwaltungsgericht haben ebenfalls anerkannt , dass die geltende gesetzliche Regelung geeignet ist, diese Ziele zu erreichen. 4.Wenn ja, − warum teilt der Senat nicht die Auffassung der SPD-Bundestagsfraktion, die „Deutschprüfung verhindere keine Zwangsehen“? − sieht der Senat in dieser Regelung keinen unzulässigen Eingriff in Artikel 6 Absatz 1 Grundgesetz („Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.“)? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 059 − teilt der Senat die Auffassung, dass ein solch gravierender Eingriff in das Privatleben die Bindungen der von der Regelung betroffenen Menschen an den deutschen Staat und die deutsche Gesellschaft beschädigt? − warum erachtet es der Senat nicht als ausreichend, dass nach der Einreise in die Bundesrepublik gemäß § 44a Aufenthaltsgesetz eine Teilnahmepflicht an Integrationskursen besteht? Zu 4.: entfällt 5. Ist dem Senat die schriftliche Erklärung der EU- Kommission vom 4. Mai 2011 an den Europäischen Gerichtshof bekannt, in der die Kommission einen entsprechenden Test in den Niederlanden wie folgt bewertet: "Artikel 7 (2) der Richtlinie muss so ausgelegt werden, dass dieser ein Verbot darstellt, dass ein Mitgliedstaat einem Familienmitglied, wie beschrieben in Artikel 4 (1) (a) der Richtlinie, eines sich rechtmäßig in diesem Mitgliedstaat aufhaltenden Drittstaatsangehörigen ausschließlich aus dem Grund die Einreise und den Aufenthalt verweigert , dass dieser Familienangehörige die nach den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats vorgeschriebene Eingliederungsprüfung im Ausland nicht bestanden hat. Andere Faktoren sind in dieser Angelegenheit nicht relevant ."? 6. Teilt der Senat die Auffassung, dass diese Stellung- nahme der EU-Kommission auch für die bundesdeutsche Regelung relevant ist und somit eine Unvereinbarkeit der bundesdeutschen Regelung mit EU-Recht festzustellen ist? 7. Ist dem Senat die Entscheidung des Zentralen Ver- waltungsgerichtshofs in den Niederlanden (Centrale Raad van Beroep) vom 16. August 2011 bekannt, nach der eine entsprechende Regelung in den Niederlanden mit dem Verschlechterungsverbot des EU-Türkei-Assoziationsrechts unvereinbar ist und aufgrund derer die niederländische Regierung die Regelung abgeschafft hat? 8. Teilt der Senat die Auffassung, dass dieses Urteil auch für die bundesdeutsche Regelung relevant ist und somit eine Unvereinbarkeit der bundesdeutschen Regelung mit dem EU-Türkei-Assoziationsrecht festzustellen ist? Zu 5. - 8.: Die Vorschriften und Ausführungen sind bekannt. Da es sich bei der in Frage stehenden Regelung jedoch um ein Bundesgesetz handelt und die wortgleiche Anfrage zur Vereinbarkeit mit dem Recht der Europäischen Union (EU Recht) auch auf Bundesebene gestellt wurde, sollte diese Frage zunächst auch auf Bundesebene geklärt und beantwortet werden. Berlin, den 17. Januar 2012 Frank Henkel Senator für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 07. Feb. 2012) 2