Drucksache 17 / 10 066 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Dirk Behrendt (GRÜNE) vom 21. Dezember 2011 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 28. Dezember 2011) und Antwort Mitternachtsnotare Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Es stellt nach Ansicht des Senats ein erhebliches Problem dar, wenn beim Immobilienerwerb Vertragsparteien benachteiligt oder sogar getäuscht werden, unabhängig davon, ob es um ein Anlagegeschäft zur Alterssicherung oder den Erwerb einer Immobilie zur Eigennutzung geht. Der Senat hat die bereits bekannt gewordenen Fälle zum Anlass genommen, den Schutzbereich und die praktische Relevanz schon bestehender Regelungen zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher beim Immobilienerwerb auf den Prüfstand zu stellen. Wir stehen deshalb in Kontakt mit den berufsständischen Organisationen. Aber auch mit der Kreditwirtschaft soll der Regelungsbedarf so konkret wie möglich aufgezeigt werden, um umgehend geeignete Schritte zu identifizieren. Zudem wertet derzeit der Präsident des Landgerichts, dem die Prüfung der ordnungsmäßigen Erledigung der Amtsgeschäfte der Notare obliegt, die nach seinem Aufruf in den Medien verstärkt eingegangenen Beschwerden über Berliner Notare aus. Das Verfahren, das Notare bei Beurkundungen einzu- halten haben, ist vor allem in Bundesgesetzen geregelt (Beurkundungsgesetz und Bundesnotarordnung); dort finden sich die entscheidenden verbraucherschutzrechtlichen Normen. Sofern die erwähnten Gespräche und Kontakte es notwendig erscheinen lassen, zum Schutz von Verbraucherinnen und Verbrauchern Regelungen zu ergänzen oder zu ändern, wird der Senat im Rahmen einer Bundesratsinitiative eine Änderung der entsprechenden Vorschriften auf den Weg bringen. Aufgrund der Normenhierarchie können ergänzende Regelungen in den Richtlinien der Kammern oder formelle Vorgaben für die notariellen Amtsgeschäfte in Verwaltungsvorschriften lediglich den von förmlichen Gesetzen vorgegebenen Rahmen ausfüllen. Dies gilt auch mit Blick auf die Berufsfreiheit gem. Art. 12 Grundgesetz. 1. Wie viele der Berliner Notare beurkunden laut der Prüfung der ordnungsmäßigen Erledigung der Amtsgeschäfte der Notare nach § 93 Abs. 2 BNotO regelmäßig bzw. in größerem Umfang zur Unzeit, also a. Werktags nach 20 Uhr b. am Wochenende? Zu 1.: Dem Senat liegen keine entsprechenden Daten vor, weil die Prüfungsbeauftragen des Präsidenten des Landgerichts den ihnen gem. § 93 Absatz 4 Bundesnotarordnung (BNotO) vorzulegenden Unterlagen keine umfassenden Informationen zu den hier angefragten Uhrzeiten entnehmen können und Übersichten oder Statistiken von den Notarinnen und Notaren zu den genauen Beurkundungszeiten nicht geführt werden müssen. Insbesondere die Dienstordnung für Notarinnen und Notare (DONot) – eine bundeseinheitlich von den Landesjustizverwaltungen vereinbarte und erlassene Verwaltungsvorschrift – sieht nicht vor, den genauen Zeitpunkt eines notariellen Geschäfts über die Angabe des Kalendertages hinaus in Urkunden, Büchern und Akten zu erfassen. Lediglich aus den Kostenberechnungen der Notarinnen und Notare lassen sich in gewissem Umfang Rückschlüsse auf die Uhrzeit des Urkundsgeschäfts ziehen. Allerdings ergeben sich daraus keine gesicherten Erkenntnisse hinsichtlich der angefragten Uhrzeiten, sondern nur, ob an Sonntagen und allgemeinen Feiertagen sowie an Werktagen außerhalb der Zeit von acht bis achtzehn Uhr, jedoch an Sonnabenden nach dreizehn Uhr, beurkundet worden ist. 2. Falls die Beurkundungszeiten nicht erhoben werden: Wird die Notaraufsicht in Zukunft die Zeitpunkte der Beurkundung erheben? Weshalb nicht? Zu 2.: Eine entsprechende Erhebung, die den Notarinnen und Notaren zur Vorbereitung einer Prüfung ihrer Amtsgeschäfte auferlegt werden könnte, ist nicht geplant; sie wäre im Übrigen ohne entscheidende Bedeutung , um pflichtwidrige Beurkundungstermine einzelner Notare aufzudecken. Denn eine Beurkundung am Wochenende oder werktags nach 20 Uhr stellt kein Indiz dar, dass eine Notarin oder ein Notar Amtspflichten ver- Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 066 letzt. Vielmehr gehen die berufsrechtlichen Regelungen für Notarinnen und Notare davon aus, dass Beurkundungen außerhalb der üblichen Geschäftszeiten erlaubt sind. Ausgangspunkt der Erwägungen ist der Urkundsgewährungsanspruch der Rechtsuchenden gegenüber den Notarinnen und Notaren (§ 15 Abs. 1 Satz 1 BNotO), der nicht auf die üblichen Geschäftszeiten beschränkt ist. Eine wesentliche Regelung zum Zeitpunkt eines notariellen Geschäfts findet sich in § 58 Abs. 3 S. 1 des Gesetzes über die Kosten in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (KostO), die gemäß § 141 KostO auch auf notarielle Amtsgeschäfte anzuwenden ist. Danach ist für Beurkundungen an Sonntagen und allgemeinen Feiertagen sowie an Werktagen außerhalb der Zeit von acht bis achtzehn Uhr, jedoch an Sonnabenden nach dreizehn Uhr, eine zusätzliche Gebühr zu erheben. Diese Vorschrift zeigt, dass Beurkundungen werktags nach 20 Uhr und am Wochenende zulässig sind. Mit einer Beurkundung am Wochenende oder werktags nach 20 Uhr kommen Notarinnen und Notare sehr oft den berechtigten Interessen des rechtsuchenden Publikums nach. Gerade berufstätige Verbraucherinnen und Verbraucher stehen oft vor der Alternative, für eine Beurkundung einen Urlaubstag aufzuwenden oder beim Notar einen Termin außerhalb ihrer Arbeitszeiten zu vereinbaren . Der in der Fragestellung zu 1. verwendete Begriff „zur Unzeit“ ist dem notariellen Berufsrecht im Übrigen unbekannt ; er kommt weder in der BNotO noch im Beurkundungsgesetz (BeurkG) noch in der KostO noch in der DONot vor. 3. Wie viele Berliner Notare beurkunden laut der Prüfung der ordnungsmäßigen Erledigung der Amtsgeschäfte des Notars nach § 93 Abs. 2 BNotO Grundstücks -, bzw. Wohnungseigentumsverträge grundsätzlich bzw. überwiegend aufgespalten in Angebot und Annahme ? Zu 3.: Dem Senat liegen keine entsprechenden Daten vor, weil zur Vorbereitung und bei Prüfungen der ordnungsgemäßen Erledigung der notariellen Amtsgeschäfte keine Statistik über diese Punkte erstellt wird. 4. Falls die Aufspaltung nicht erhoben werden: Wird die Notaraufsicht in Zukunft die Aufspaltung von Grundstücks -, bzw. Wohnungseigentumsverträgen in Angebot und Annahme erheben? Weshalb nicht? Zu 4.: Eine entsprechende Erhebung ist derzeit nicht geplant. Voraussetzung wäre, dass alle Urkundsgeschäfte aller Notarinnen und Notare umfassend ausgewertet würden, was angesichts von nicht nur von einem geringen Teil der Notare handgeführten Bücher einen nicht zu rechtfertigenden Aufwand mit sich bringen würde. Denn die Aussagekraft einer solchen Erhebung wäre begrenzt, weil eine solche Aufspaltung weder materiellrechtlich noch berufsrechtlich grundsätzlich unzulässig ist, wie schon die Regelung in § 128 BGB zeigt. Ob der Notar, der sich für diese Aufspaltung des Beurkundungsver- fahrens entscheidet, eine Amtspflichtverletzung begeht, erfordert immer eine eingehende Betrachtung des jeweiligen Einzelfalles, denn es gibt auch Beurkundungen , bei denen eine Aufspaltung in Angebot und Annahme sachgerecht und im Interesse aller Beteiligten ist. Bei den Revisionen der Amtsgeschäfte der Notare und Notarinnen, die – abgesehen von sehr kleinen Notariaten – immer nur eine stichprobenartige Prüfung sein können – kann eine belastbare statistische Auswertung der Urkundsgeschäfte eines Notars oder einer Notarin von den Prüfungsbeauftragten des Präsidenten des Landgerichts nicht gefertigt werden. Es ist vielmehr von entscheidender Bedeutung, einzelne Urkunden, die lediglich ein Angebot zum Vertragsschluss enthalten, auf ihren Hintergrund – soweit dieser ermittelbar ist – und die Vereinbarkeit mit gesetzlichen Vorgaben zu prüfen. Der Vorstand der Notarkammer Berlin hat angekündigt , der nächsten Kammerversammlung im März 2012 vorzuschlagen, insoweit die Richtlinien der Notarkammer Berlin abzuändern und die Richtlinienempfehlung der Bundesnotarkammer zu übernehmen. Wie die Präsidentin der Notarkammer Berlin erwartet auch der Senat, dass es eine solche Änderung der Dienstaufsicht erleichtern würde, missbräuchliche Gestaltungen des Beurkundungsverfahrens zu ahnden. Vor allem wird aber entscheidend sein, gegebenenfalls den (bundesgesetzlichen) Rahmen zu verändern. 5. Vermerken Berliner Notare laut der Prüfung der ordnungsmäßigen Erledigung der Amtsgeschäfte des Notars nach § 93 Abs. 2 BNotO in den Grundstücks-, bzw. Wohnungseigentumsverträgen mit Verbrauchern die Einhaltung der 14-Tage-Frist des § 17 Abs. 2a BeurkG überwiegend bzw. umfassend dergestalt, dass der konkrete Termin des Zur-Verfügung-Stellens vermerkt wird? 6. Falls die konkrete Form der Belehrung nicht er- hoben werden: Wird die Notaraufsicht in Zukunft die konkrete Form der Einhaltung der Belehrungspflicht erheben? Weshalb nicht? Aufgrund des engen Sachzusammenhanges sollen Frage 5 und Frage 6 gemeinsam beantwortet werden: Zu 5. und 6.: Nach Eindruck der Prüfungsbeauftragten des Präsidenten des Landgerichts verfahren die Notarinnen und Notare in Berlin bei diesem Punkt unterschiedlich . Sie vermerken entweder einen konkreten Tag oder einen bestimmten Zeitraum. Wie bereits in der Vorbemerkung ausgeführt, prüft der Senat derzeit, ob der Verbraucherschutz bei der Beurkundung von Immobilienkaufverträgen durch weitere Maßnahmen jeglicher Art verstärkt werden kann. Berlin, den 08. Februar 2012 Thomas Heilmann Senator für Justiz und Verbraucherschutz (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 14. Feb. 2012) 2