Drucksache 17 / 10 069 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Klaus Lederer (LINKE) vom 22. Dezember 2011 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 28. Dezember 2011) und Antwort Übergangsgeld für Senatsmitglieder Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Nach welchen Kriterien unterscheidet der Senat von Berlin zwischen den beiden in § 14 S. 2 des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Senats – Senatorengesetz – normierten Beendigungsgründen für das Senatorenamt „Rücktritt“ und „Entlassung“? Zu 1.: Die Unterscheidung zwischen Rücktritt und Entlassung von Senatsmitgliedern ergibt sich aus verfassungsrechtlichen und einfachgesetzlichen Bestimmungen . Nach Art. 56 Abs. 3 Satz 1 der Verfassung von Berlin (VvB) können die Senatsmitglieder jederzeit von ihrem Amt zurücktreten. Der Rücktritt ist gegenüber dem Organ, das für die Ernennung bzw. Entlassung zuständig ist, also der Regierenden Bürgermeisterin oder dem Regierenden Bürgermeister, zu erklären. Das Amt des Senatsmitgliedes endet unmittelbar mit Abgabe der Rücktrittserklärung . Die Entlassung der Senatsmitglieder ist in Art. 56 Abs. 2 VvB geregelt. Die Regierende Bürgermeisterin oder der Regierende Bürgermeister hat hiernach jederzeit das Recht, ein anderes Senatsmitglied zu entlassen. Einer Begründung bedarf die Entlassung nicht, die Regierende Bürgermeisterin oder der Regierende Bürgermeister ist rechtlich insoweit an keine Vorgaben gebunden. Die Entlassung ist personeller Teil der der Regierenden Bürgermeisterin oder dem Regierenden Bürgermeister durch ihre oder seine Wahl zugewachsenen Organisationsgewalt . Nach der verfassungsrechtlichen Lage unterscheiden sich somit Rücktritt und Entlassung maßgeblich dadurch, dass im Falle einer Rücktrittserklärung der Regierenden Bürgermeisterin oder dem Regierenden Bürgermeister keine Gestaltungsmöglichkeit mehr zukommt, sondern das Amt kraft Verfassung endet, während die Befugnis zur Entlassung von Senatsmitgliedern – neben der Befugnis zu deren Ernennung – wesentlicher Teil der personellen Organisationsgewalt der Regierenden Bürgermeisterin oder des Regierenden Bürgermeisters ist. Dieser grundlegende Unterschied spiegelt sich auch in der Systematik des Art. 56 VvB: Während Absatz 2 die der Regierenden Bürgermeisterin oder dem Regierenden Bürgermeister aufgrund personeller Organisationsgewalt zukommenden statusbegründenden und –beendenden Befugnisse (Ernennung und Entlassung) enthält, regelt Absatz 3 in seinen Sätzen 1 und 2 jene Tatbestände (Rücktritt und Beendigung des Amtes der Regierenden Bürgermeisterin oder des Regierenden Bürgermeisters), die unmittelbar kraft Verfassungsnorm die Beendigung des Amtes der Senatorinnen und Senatoren nach sich ziehen, ohne dass der Regierenden Bürgermeisterin oder dem Regierenden Bürgermeister insoweit unmittelbare Gestaltungsmöglichkeit zukäme. Einfachgesetzlich entspricht dieser Verfassungslage § 14 Satz 2 des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Senats (Senatorengesetz - SenG), wonach das Amt der Senatorinnen und Senatoren durch ihren Rücktritt, ihre Entlassung, durch Tod oder durch den Amtsantritt einer Nachfolgerin oder eines Nachfolgers der Regierenden Bürgermeisterin oder des Regierenden Bürgermeisters endet. 2. Gesteht der Senat seinen Mitgliedern, die auf eigene Initiative aus dem Senat ausscheiden, ein „Wahlrecht“ zu – zwischen dem Rücktritt einerseits (mit der Konsequenz, dass der Anspruch auf Übergangsgeld gem. § 16 Abs. 1 Senatorengesetz in Verbindung mit Art. 56 Abs. 3 Verfassung von Berlin nicht entsteht) und der „Bitte um Entlassung “ andererseits (mit der Konsequenz eines Anspruchs auf Übergangsgeld)? Zu 2.: Soweit ein Mitglied des Senats keine Rück- trittserklärung abgibt, sein Verbleib im Senat von der Regierenden Bürgermeisterin oder vom Regierenden Bürgermeister aber nicht gewünscht ist, hat diese oder dieser nur die Möglichkeit der Entlassung. 3. Wenn 2. nein: Hätte dann der Regierende Bürger- meister nicht darauf bestehen müssen, dass der Rücktritt Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 069 2 des Senators Michael Braun auch als solcher rechtlich vollzogen wird, statt der „Bitte um Entlassung“ mit der Folge eines Anspruchs auf Übergangsgeld umstandslos zu entsprechen? Zu 3.: Entfällt im Hinblick auf die Beantwortung der Frage zu 2. 4. Spricht nicht vieles dafür, der Rechtsansicht zu folgen, dass die „Bitte auf Entlassung“ als Rücktritt im Sinne von Art. 56 Abs. 3 Verfassung von Berlin zu qualifizieren ist, weil es sich um eine Niederlegung des Amtes auf eigene Initiative handelt, während die „Entlassung“ die aus der Perspektive des Senatsmitglieds unfreiwillige Beendigung des Amtes durch eine Entscheidung des Regierenden Bürgermeisters darstellt – insbesondere weil der Sinn und Zweck des Übergangsgeldes darin besteht, beim unfreiwilligen und daher keinesfalls plan- bzw. beeinflussbarem Ausscheiden die Möglichkeit beruflicher Neuorientierung abzufedern? Zu 4.: Das Verfahren, wonach Senator a. D. Michael Braun den Regierenden Bürgermeister um Entlassung gebeten und dieser dem Ersuchen entsprochen und die Entlassung verfügt hat, lässt nicht den Schluss zu, es handele sich in der Sache um einen Rücktritt des Senatsmitgliedes . Die in der Antwort zu Frage 1 aufgezeigte verfassungsrechtlich und einfachgesetzlich klare Abgrenzung zwischen Rücktritt und Entlassung steht einer Auslegung der geäußerten Bitte um Entlassung als Rücktrittserklärung entgegen. 5. Erhält Senator a. D. Michael Braun nach der Be- endigung seines Senatorenamtes Übergangsgeld im Sinne von § 16 Senatorengesetz? Zu 5.: Infolge der Entlassung besteht dem Grunde nach ein Anspruch auf Übergangsgeld. Nach § 16 Abs. 4 Satz 2 Senatorengesetz werden ab dem zweiten Monat, für den Übergangsgeld zusteht, alle Erwerbseinkünfte aus einer privaten Berufstätigkeit angerechnet. 6. Wenn 5. ja: Kann der Senat von Berlin das vielfach manifestierte öffentliche Unverständnis über die Zahlung einer erheblichen Summe Übergangsgeldes nachvollziehen angesichts der recht kurzen Amtszeit des Senators a. D. Michael Braun, und teilt der Senat die Einschätzung, dass der Eindruck sich aufdrängt, dass vom 2001/2002 viel beschworenen „Mentalitätswechsels“ angesichts dieses „goldenen Handschlags“ nicht viel übrig geblieben ist? Zu 6.: Die oben dargestellte Rechtslage entspricht im Wesentlichen der im Bund und den anderen Ländern geltenden Rechtslage. Der Senat wird eventuell bestehenden Änderungsbedarf prüfen. Berlin, den 30. Januar 2012 In Vertretung Bernd Krömer Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 20. Feb. 2012)