Drucksache 17 / 10 086 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage der Abgeordneten Marianne Burkert-Eulitz und Canan Bayram (GRÜNE) vom 04. Januar 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 06. Januar 2012) und Antwort Recht auf Bildung auch für Flüchtlingskinder! Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie will der Senat sicherstellen, dass Flüchtlings- kinder im schulpflichtigen Alter das ihnen nach der inzwischen auch in Deutschland direkt anwendbaren UNKinderrechtskonvention (Art. 28) zustehende Recht auf einen Schulbesuch in Anspruch nehmen können? Zu 1.: Die Aufnahme und Beschulung von zu- gezogenen Kindern und Jugendlichen ist rechtlich geregelt . Es obliegt den Schulämtern der Bezirke in Abstimmung mit der regionalen Schulaufsicht, Neuzugänge an geeignete Schulen zu überweisen. Im Falle von Neuzugängen ohne Deutschkenntnisse erfolgt die Beschulung i.d.R. in Lerngruppen für Neuzugänge, die die Schülerinnen und Schüler parallel zum Regelunterricht solange besuchen, bis sie sprachlich in der Lage sind, dem Regelunterricht zu folgen. Das bisherige Verfahren der Aufnahme und Beschulung von zugezogenen Kindern und Jugendlichen hat sich im Grundsatz bewährt. 2. Wie will der Senat auf die Bezirke Lichtenberg, Neukölln, Steglitz-Zehlendorf, Charlottenburg-Wilmersdorf , Spandau und Mitte einwirken, damit diese ihrer Rechtspflicht nachkommen und die jeweiligen Schulämter ausreichende Ressourcen zur Verfügung stellen? Zu 2.: Die Bezirke bemühen sich, dem nicht prognostizierbaren Zuzug gerecht zu werden. Allen Engpässen wird von der für das Schulwesen zuständigen Senatsverwaltung unverzüglich und in jedem Einzelfall nachgegangen. Über die regionale Schulaufsicht besteht ein enger Kontakt zu den bezirklichen Schulämtern, die für die Zuweisung von Schulplätzen zuständig sind. 3. Wie will der Senat für die Zukunft sicherstellen, dass die Bezirke zwecks ausreichender Vorbereitungszeit für die höhere Anzahl schulpflichtiger Kinder nicht erst durch die Medien von der Eröffnung oder dem Umzug von Erstaufnahmestellen erfahren? Zu 3.: Die der Fragestellung zu Grunde liegende An- nahme, dass die Bezirke erst durch die Medien von der Eröffnung oder dem Umzug von Erstaufnahmestellen erfahren, trifft nicht zu. In der Rhinstraße im Bezirk Lichtenberg wird derzeit eine Einrichtung für die Unterbringung von Flüchtlingen hergerichtet, die nach aktueller Planung als Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber /innen genutzt werden soll. Die Kapazität der Einrichtung wird zwischen 250 bis 300 Plätze betragen. Die Planungen für die Einrichtung in der Rhinstraße wurden von Beginn an in enger Abstimmung mit dem Bezirk Lichtenberg vorgenommen: So wurde die Bezirksbürgermeisterin bereits mit Schreiben des Präsidenten des Landesamts für Gesundheit und Soziales vom 29. Oktober 2010 unter Hinweis auf eine vorangegangene Sitzung mit dem Staatssekretär für Soziales unter Beifügung ausführlicher Unterlagen über eine Erstaufnahmeeinrichtung als Ersatz für die Einrichtung in der Motardstraße im Bezirk Spandau informiert. Somit war und ist die angemessene fachliche Beteiligung der zuständigen Bezirksstellen unabhängig von der Berichterstattung der Medien gewährleistet. 4. Teilt der Senat die Meinung, dass der Unterricht in den Erstaufnahmeeinrichtungen zugunsten von Schulen vor Ort unbedingt vermieden werden muss? Zu 4.: Ja. Es soll den zugezogenen Kindern und Jugendlichen in möglichst kurzer Zeit und unter Alltagsbedingungen gelingen, nicht nur Deutsch zu lernen, sondern auch sozialen Anschluss an ihre Mitschülerinnen und Mitschüler zu entwickeln. Die Lerngruppen für Neuzugänge an den Schulen sind so organisiert, dass der Übergang in die Regelklasse individuell je nach Lern- und Integrationstempo von Schülerinnen und Schülern gestaltet werden kann. Dabei sind auch Mischformen der Beschulung möglich, so dass die Kinder und Jugendlichen in einigen Fächern sehr schnell am Regelunterricht Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 086 teilnehmen, die gezielte Sprachbildung aber noch längere Zeit in der Lerngruppe für Neuzugänge erfolgt. Dies wäre an einem Lernort außerhalb der Schule nicht organisierbar . 5. Wie viele Tage Wartezeit bestehen für die schul- medizinische Untersuchung von Flüchtlingskindern? (Bitte nach Bezirken getrennt auflisten.) 6. In welchen Bezirken stehen für welche Sprachen Dolmetscher und Dolmetscherinnen bei der schulmedizinischen Untersuchung zur Verfügung? (Bitte nach Bezirken getrennt auflisten.) Zu 5. und 6.: Die gewünschten Angaben sind unter Berücksichtigung der für die Beantwortung einer Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit recherchiert worden und der Anlage zu entnehmen. 7. Wie arbeitet der Senat konkret mit dem im Januar stattfindenden Rat der Bürgermeister zusammen, um den Flüchtlingskindern so schnell wie möglich den ihnen völkerrechtlich zustehenden Schulbesuch zu ermöglichen ? Zu 7.: Der Senat nimmt die Vorschläge des Rats der Bürgermeister kontinuierlich auf und berichtet ihm regelmäßig. Alle Fachverwaltungen streben eine effektive Koordination der erforderlichen Maßnahmen und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den örtlich betroffenen Stellen der Bezirksverwaltungen an. Unberührt davon besteht eine Aufgabenverteilung im Land Berlin gemäß dem Allgemeinen Zuständigkeitsgesetz (AZG). Für die Behandlung des Themas in der Sitzung des Rats der Bürgermeister am 19. Januar 2012 wurde eine Besprechungsunterlage vorbereitet. Berlin, den 31. Januar 2012 In Vertretung Sigrid Klebba Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 09. Feb. 2012) 2 Anlage Bezirke Zu 5.) Wie viele Tage Wartezeit bestehen für die schul-medizinische Untersuchung von Flüchtlingskindern? Zu 6.) In welchen Bezirken stehen für welche Sprachen Dolmetscher und Dolmetscherinnen bei der schulmedizinischen Untersuchung zur Verfügung? FriedrichshainKreuzberg Nach § 41 (2) unterliegen auch Flüchtlingskinder der allgemeinen Schulpflicht . Schulanfänger/innen - also Kinder vor dem erstmaligen Eintritt in die erste Klasse einer Grundschule - sind nach § 52 Abs. 1 - 3 zur schulärztlichen Untersuchung verpflichtet. Bei bestehender Schul- und Untersuchungspflicht spielt es keine Rolle, welchen Status ein Kind besitzt. Die Reihenfolge der Untersuchungen und etwaige Wartezeiten richten sich nach inhaltlichen Kriterien, es gibt keine abweichenden Wartezeiten für Flüchtlingskinder . Zurzeit erstreckt sich die Zeit der ESU (Einschulungsuntersuchungen ) vom November 2011 bis zum Juni 2012, "Wartezeiten" gibt es nicht, die Kinder werden regelhaft nach Alter eingeladen, bei voraussehbarem Hilfebedarf aber auch vorgezogen. Ausländische Kinder jenseits der Grundschuleingangsklasse müssen vor Schulantritt untersucht werden, ob gesundheitliche Bedenken gegen einen Schulbesuch bestehen. Diese Untersuchung ist keine allgemeine medizinische Untersuchung, sondern auf die Fragestellung "Schulbesuch" bezogen. In der Regel werden die Kinder zu der einmal in der Woche stattfindenden Sprechstunde eingeladen, bei eiligen Fällen auch zwischendurch, "Wartezeiten" gibt es auch hier nicht. Es stehen keine Sprachmittler/innen zur Verfügung. Lichtenberg In Lichtenberg dauerte es in der Regel bisher zwischen 7 und 14 Tagen, bis ein Termin zur Schulgesundheitsuntersuchung angeboten werden konnte. Leider halten neu zugezogene Familien die angebotenen Termine oft nicht ein. Da geplant ist, in Lichtenberg 2 neue Ausländerwohnheime zu eröffnen, wird das vermutlich so nicht mehr zu halten sein in Zukunft. Sprachmittler/innen stehen für diese Untersuchungen in Lichtenberg nicht zur Verfügung, die Familien müssen jemanden zum Dolmetschen mitbringen . MarzahnHellersdorf Im Kinder- und Jugendgesundheitsdienst (KJGD) Marzahn-Hellersdorf besteht maximal eine Woche Wartezeit für die Untersuchung von Flüchtlings- Es besteht die Möglichkeit russische und vietnamesische Dolmetscher/innen zur schulmedizinischen Untersuchung zu kindern zur Schuleingangsuntersuchung . nutzen. Mitte Termine für die Einschulungsuntersuchung (ESU) sind von Dezember 2011 bis Mai 2012 bereits vollständig an alle 35 Grundschulen vergeben worden; es gibt in jedem der 8 Teams des KJGD - Mitte sogenannte Restantentermine, zu denen kurzfristig zugezogenen Kinder oder beim geplanten Termin erkrankte Kinder einbestellt werden können. Vor den Sommerferien erhält somit jedes Kind, auch jetzt erst zugezogenen Kinder in der für die Schulverwaltung zur Planung erforderlichen Zeit einen Termin zur ESU. Dolmetscherdienste sind kostenpflichtig und stehen dem Bezirk nicht regelhaft zur Verfügung. Der Bezirk Mitte behilft sich bei der ESU mit deutschsprechenden Familienangehörigen , mit den sog. "Kiezmüttern" und im Einzelfall (meistens nur bei Kindeswohlgefährdung ) mit dem kostenpflichtigen Gemeindedolmetschdienst. Im Team des KJGD-Mitte ist die sprachliche Verständigung in Türkisch und Rumänisch (Tiergarten), Ungarisch (Wedding) möglich, Englisch in allen 8 Teams, Französich in 4 Teams und Spanisch in 2 Teams. Pankow Es gibt keine Wartezeit. Es gibt keinen organisierten Dolmetschereinsatz. Manchmal bringen Eltern Verwandte/Bekannte mit. Spandau Grundschulkinder: Unmittelbar bei der Anmeldung der schulpflichtigen Kinder durch die Eltern in der zuständigen Grundschule meldet die Schulsekretärin die zu untersuchenden Kinder an die zuständige Stelle im Kinder- und Jugendgesundheitsdienst zur Untersuchung an. Die Untersuchung findet in der Regel innerhalb einer Woche, in Ausnahmefällen innerhalb von zwei Wochen statt. Oberschüler/-schülerinnen: Sobald das Kind vom Schulamt einen Schulplatz zugewiesen bekommen hat und die Kinder in der Schule angemeldet wurden, erfolgt die schulärztliche Untersuchung im KJGD in der Regel innerhalb einer Woche. Für den Sekundarschulbereich werden alle Spandauer Schülerinnen und Schüler zunächst über die Schule am Staakener Kleeblatt (05K09) betreut. Vom Bezirksamt stehen keine Sprachmittler/innen zur Verfügung. Sofern die Eltern nicht eine Person ihres Vertrauens zum Übersetzen mitbringen, wird um Begleitung durch einen/einer HeimDolmetscher /in gebeten, was jedoch nur begrenzt möglich ist. Notfalls muss auf den Gemeindedolmetscherdienst zurückgegriffen werden. SteglitzZehlendorf Die Einrichtung "Erstaufnahme /Clearingstelle für die Inobhutnahme neu eingereister unbegleiteter ausländischer Kinder und Jugendlicher" in der Wupperstr. 17, 14169 Berlin wird von einer Ärztin des KJGD betreut, d.h. die Einrichtung wird regelmäßig alle 14 Tage aufgesucht und die neu aufgenommenen Kinder dort Bei sprachlichen Verständigungsproblemen werden entsprechende Übersetzungsmöglichkeiten zur Verfügung gestellt; es gibt keine Dolmetscher/innen für bestimmte Sprachen. untersucht um die medizinische Versorgung sicherzustellen und so die baldmögliche Beschulung zu ermöglichen . Daher beträgt die maximale Wartezeit für eine schulmedizinische Untersuchung 13 Tage. Unabhängig von dieser Institution eingereiste Kinder werden in den jeweilig zuständigen Stellen des KJGD nach Absprache untersucht; die Wartezeit beträgt maximal eine Woche. TempelhofSchöneberg Wartezeit für schulmedizinische Untersuchungen beträgt i.d.R. bis zu zwei Wochen. Übersetzer/innen stehen nicht zur Verfügung, es helfen Verwandte oder Nachbarn aus dem Durchgangslager (Balkansprachen, Russisch, Persisch, Arabisch). ka17-10086 ka17-10086 Anlage