Drucksache 17 / 10 091 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Joschka Langenbrinck (SPD) vom 03. Januar 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 10. Januar 2012) und Antwort Zum entschlossenen Einsatz der Polizei gegen Auto-Brandstifter in Berlin Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie viele zur Anzeige gebrachte versuchte und vollendete Brandstiftungen gab es in den Jahren 2010 und 2011 in Berlin in den einzelnen Bezirken und wie viele Fahrzeuge kamen dabei in den einzelnen Bezirken jeweils teilweise oder vollständig und insgesamt zu Schaden (Auflistung bitte nach Kalenderwochen und Bezirken)? Zu 1.: Die statistischen Erhebungen zu Brandanschlä- gen auf Kraftfahrzeuge (Kfz) beinhalten die Anzahl der Fälle sowie die Anzahl der angegriffenen Kfz. Werden in einem örtlichen, zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mehrere Kfz in Brand gesetzt (vermutlich gleiche Taturheberschaft), erfolgt die statistische Erfassung dieser Kfz als ein Fall mit der entsprechenden Anzahl der angegriffenen Kfz. Im Jahr 2010 wurden in Berlin 221 Fälle von ver- suchter und vollendeter Brandstiftung zur Anzeige gebracht , bei denen insgesamt 250 Fahrzeuge direkt in Brand gesetzt und weitere 50 Fahrzeuge durch das Brandgeschehen in Mitleidenschaft gezogen wurden. Im Jahr 2011 wurden in Berlin 403 Fälle von versuchter und vollendeter Brandstiftung zur Anzeige gebracht , bei denen insgesamt 537 Fahrzeuge direkt in Brand gesetzt und weitere 222 Fahrzeuge durch das Brandgeschehen in Mitleidenschaft gezogen wurden. Die Auflistung der im Jahr 2010 in den Berliner Bezirken in Brand gesetzten Fahrzeuge stellt sich wie folgt dar: Brandstiftungen an Kfz 2010 Bezirk direkt angegriffene Fahrzeuge Kollateralschäden FriedrichshainKreuzberg 57 14 Mitte 31 3 Pankow 20 2 Lichtenberg 25 6 MarzahnHellersdorf 15 3 TreptowKöpenick 14 2 Neukölln 23 5 TempelhofSchöneberg 10 3 Steglitzzehlendorf 20 1 CharlottenburgWilmersdorf 10 3 Spandau 11 0 Reinickendorf 14 8 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 091 Die Auflistung der im Jahr 2011 in den Berliner Bezirken in Brand gesetzten Fahrzeuge stellt sich wie folgt dar: Brandstiftungen an Kfz 2011 Bezirk direkt angegriffene Fahrzeuge Kollateralschäden FriedrichshainKreuzberg 78 26 Mitte 87 27 Pankow 36 23 Lichtenberg 41 44 MarzahnHellersdorf 36 3 TreptowKöpenick 48 16 Neukölln 33 6 TempelhofSchöneberg 26 23 Steglitzzehlendorf 28 10 CharlottenburgWilmersdorf 64 27 Spandau 41 14 Reinickendorf 19 3 Für die Auflistung der in 2010 und 2011 in Brand gesetzten Fahrzeuge nach Kalenderwochen und Bezirken wären Einzelauswertungen erforderlich. Der damit verbundene Arbeitsaufwand ist nicht vertretbar und wäre zudem im Rahmen der für die Bearbeitung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht leistbar. Eine statistische Unterscheidung zwischen „teilweise“ und „vollständig zerstört“ erfolgt nicht. 2. Wie viele der unter Frage 1 aufgelisteten Straftaten wurden bisher aufgeklärt, wie viele überführte Straftäter wurden bisher für ihre Tat mit welchem Strafmaß verurteilt, wie viele der teilweise oder vollständig zu Schaden gekommenen Fahrzeuge entfallen dabei auf die aufgeklärten Brandstiftungen und wie viele Anklagen gegen mutmaßliche Brandstifter wurden mangels Beweisen fallen gelassen? Zu 2.: Zu den politisch motivierten Brandstiftungen an Kfz wurde 2010 ein Tatverdächtiger ermittelt, der beschuldigt wurde, ein Fahrzeug in Brand gesetzt zu haben. Im Bereich der nicht politisch motivierten Brandstiftungen konnten 21 tatverdächtige Personen ermittelt werden, die beschuldigt wurden, 21 Fahrzeuge in Brand gesetzt zu haben. 2011 wurden zu den politisch motivierten Brandstiftungen an Kfz drei Tatverdächtige ermittelt, die beschuldigt wurden, fünf Fahrzeuge in Brand gesetzt zu haben. Im Zusammenhang mit den nicht politisch motivierten Brandstiftungen an Kfz wurden 32 tatverdächtige Personen ermittelt, die beschuldigt wurden, 133 Fahrzeuge in Brand gesetzt zu haben. Eine Anklage- oder Ver- urteilungsstatistik wird bei der Polizei Berlin nicht geführt. Im staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister werden Brandstiftungen an Kraftfahrzeugen nicht gesondert statistisch erfasst. Angaben zu Anklagen und Verurteilungen sind daher nur verfahrensbezogen im Einzelfall möglich. 3. Wie viele der aufgeklärten Brandstiftungen waren politisch motiviert, wie viele wurden von Trittbrettfahrern verübt, welche weiteren Tatmotive wurden ermittelt, wie viele teilweise oder vollständig zu Schaden gekommene Fahrzeuge entfallen auf die jeweiligen Tatmotive und wie beurteilt der Senat diese Erkenntnisse im Hinblick auf die politischen oder anderweitigen Tatmotivationen? Zu 3.: Hinsichtlich der aufgeklärten Brandstiftungen wird auf die Beantwortung der Frage 2 verwiesen. Politische motivierte Brandanschläge auf Kfz werden zumeist in den Begründungszusammenhang „Anti-Kapitalismus “, „Anti-Atom“, „Repression“, „Gentrifizierung“ oder „Antifaschismus“ gestellt. Die Motivationslage bei vermutlich nicht politisch motivierten Brandstiftungen an Kfz kann unter anderem in einem Zusammenhang mit Vandalismus, Versicherungsbetrug oder Beziehungstaten stehen. Einige handeln aus Frust, Neid, Hass oder Geltungssucht. Wie einige Festnahmen und Ermittlungen insbesondere im Jahr 2011 gezeigt haben, dürfte die einhergehende Berichterstattung in den Medien eine Vielzahl von Personen motiviert haben, so genannte Nachahmungstaten zu begehen. 2 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 091 4. Welches Täterprofil haben die aufgeklärten, politisch motivierten Brandstiftungen und unterscheidet sich dieses von den Profilen der Täter mit anderen Tatmotiven und wenn ja, inwiefern? Zu 4.: Die geringe Datenbasis und die häufig nicht vorhandene Aussagebereitschaft führen dazu, dass sich keine Täterprofile ableiten lassen. Größere organisierte Strukturen waren bislang in keinem der bei der Staatsanwaltschaft anhängigen Fälle zu erkennen. 5. Gab oder gibt es im Zusammenhang mit den Brandstiftungen von Fahrzeugen in Berlin Ermittlungen hinsichtlich des § 129a StGB (Bildung einer terroristischen Vereinigung) und falls ja, zu welchem Ergebnis kamen diese im Detail? Zu 5.: Ermittlungsverfahren wegen § 129a Strafgesetzbuch (StGB) fallen grundsätzlich in die Zuständigkeit des Generalbundesanwalts, wobei er Sachen minderer Bedeutung an die zuständige Generalstaatsanwaltschaft abgibt. Eine Abgabe einschlägiger Verfahren an die Generalstaatsanwaltschaft Berlin ist nicht erfolgt. 6. Wie viele Berliner Polizeibeamte waren in den einzelnen Monaten der Jahre 2010 und 2011 gegen Brandstiftungen im Einsatz, wie viele dieser Beamten waren für welche Aufgaben – z.B. Streife, Zivilstreife, Ermittlungen etc. – abgestellt (bitte Erläuterungen und Auflistung nach Monaten) und wie bewertet der Senat ihren Einsatz? Zu 6.: Die nachfolgende Übersicht gibt die Summe der im jeweiligen Monat eingesetzten Dienstkräfte wieder, dabei ist zu berücksichtigen, dass diese teilweise mehrmals im Monat eingesetzt wurden. Eine Statistik wird hierüber nicht geführt. Monat Gesamt davon: Führung davon: Streife in Uniform davon: Zivilstreife Januar 2010 3.877 105 2.200 1.572 Februar 2010 3.938 114 2.124 1.700 März 2010 4.747 115 2.820 1.812 April 2010 3.895 116 2.706 1.073 Mai 2010 3.034 55 2.222 757 Juni 2010 3.234 36 2.417 781 Juli 2010 2.459 0 1.920 539 August 2010 2.522 0 1.996 526 September 2010 4.691 176 3.640 875 Oktober 2010 2.568 0 2.063 505 November 2010 1.915 6 1.561 348 Mai 2011 565 0 373 192 Juni 2011 4.090 115 2.733 1.242 Juli 2011 4.104 80 2.972 1.052 August 2011 7.812 157 2.615 5.040 September 2011 13.714 406 1.952 11.356 Oktober 2011 10.082 331 1.898 7.853 November 2011 2.379 35 1.675 669 Im Zeitraum Dezember 2010 bis April 2011 wurden die polizeilichen Maßnahmen zur Bekämpfung der Branddelikte an Kfz im Rahmen der Allgemeinen Aufbauorganisation (AAO) bearbeitet und nicht gesondert erfasst. Konkrete Zahlen zu den eingesetzten Beamten/innen im Bereich Ermittlungen sind nicht benennbar. Die Bearbeitung erfolgte in je einem Fachkommissariat des polizeilichen Staatsschutzes bzw. des Branddezernates im Landeskriminalamt (LKA). Da in beiden Fachkommissariaten auch andere Delikte bearbeitet wurden, ist eine konkrete Benennung hier nicht möglich. Im Rahmen der von August bis November 2011 eingerichteten Besonderen Aufbauorganisation (BAO) Feuerschein erfolgte eine zentrale Bearbeitung aller entsprechenden Brandde- likte. Hier waren täglich bis zu 30 Beamtinnen und Beamte eingesetzt. Den immer wieder auftretenden Tathäufungen im Zu- sammenhang mit Brandstiftungen an Kraftfahrzeugen ist die Polizei Berlin mit verschiedenen operativen Konzepten begegnet, die jeweils dem tatsächlichen Tat-Aufkommen und den damit verbundenen Besonderheiten angepasst wurden. Die Arbeit der Polizei war sehr erfolgreich, sie führte zu mehreren Festnahmen und in der Folge zu einer deutlichen Abnahme der Fallzahlen. 7. Wie viele Berliner Polizeibeamte wurden für den Einsatz gegen Brandstiftungen aus welchen anderweitigen Aufgabenbereichen angefordert (bitte Erläuterungen und Auflistung nach Monaten)? 3 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 091 Zu 7.: Eine gesonderte Statistik über die geleistete Unterstützung aus anderen Aufgabenbereichen wurde nicht geführt. 8. Wie viele Bundespolizeibeamte waren gegen Brandstiftungen in Berlin im Einsatz, welche Aufgaben haben diese in welcher Personalstärke übernommen und in welche Höhe entstanden dabei Kosten für das Land Berlin (bitte Erläuterungen und Auflistung nach Monaten)? Zu 8.: Die Polizei Berlin wurde im Zeitraum vom 22.08.2011 bis 29.12.2011 durch die Bundespolizei unterstützt . Die Kräfte der Bundespolizei haben im Unterstützungszeitraum unter anderem polizeiliche Maßnahmen des Raumschutzes getroffen, aber auch Observationen vorgenommen. Insgesamt waren an 75 Tagen 18.706 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bundespolizei eingesetzt; dabei ist zu berücksichtigen, dass diese teilweise mehrmals im Monat eingesetzt wurden. Monat Anzahl Kräfte der Bundespolizei August 2011 3.636 September 2011 9.114 Oktober 2011 5.836 November 2011 120 Dezember 2011 0 Die Kosten für den Einsatz der unterstützenden Bundespolizei stehen noch nicht endgültig fest. In den bisher vorliegenden Rechnungen des Bundespolizeipräsidiums wurden für die geleistete Unterstützung in Berlin 2.591.482,22 EUR veranschlagt. Telefonisch wurde noch ein Anspruch in Höhe von ca. 100.000,- EUR in Aussicht gestellt. Zusätzlich sind die Kosten der Verpflegung (ca. 120.000,- EUR) und der Unterbringung (ca. 452.000,- EUR) zu berücksichtigen. Die Gesamtkosten für die Unterstützung der Bundespolizei belaufen sich demnach auf etwa 3.263.482,22 EUR. 9. Waren Polizeibeamte anderer Bundesländer gegen Brandstiftungen in Berlin im Einsatz und wenn ja, wie viele aus welchen Bundesländern, welche Aufgaben haben diese in welcher Personalstärke übernommen und in welche Höhe entstanden dabei Kosten für das Land Berlin (bitte Erläuterungen und Auflistung nach Monaten)? Zu 9.: Nein. Berlin, den 07. März 2012 Frank Henkel Senator für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 13. Mrz. 2012) 4 Brandstiftungen an Kfz 2010 Brandstiftungen an Kfz 2011