Drucksache 17 / 10 096 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Benedikt Lux (GRÜNE) vom 12. Januar 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 13. Januar 2012) und Antwort Zivilschutz und Katastrophenhilfe – Wie sorgt Berlin für den Fall der Fälle vor? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Welche Maßnahmen nach § 5 des ZSKG wurden im Land Berlin in den Jahren 2010 und 2011 in Art und Umfang und von wem getroffen (Um Aufteilung nach Jahren/Bezirken wird gebeten)? Wie viele Bürgerinnen und Bürger wurden unterrichtet und wie viele wurden ausgebildet, vgl. § 5 Abs. 2 ZSKG? Zu 1.: Vor dem Hintergrund der geänderten Be- drohungslage nach Ende des Kalten Krieges, im Blick auf die außenpolitische Entspannung und nach den Ereignissen des 11. September 2001 verständigten sich Bund und Länder auf eine neue politische Rahmenkonzeption, die so genannte „Neue Strategie zum Schutz der Bevölkerung in Deutschland“. Diese geht im Wesentlichen davon aus, dass der Verteidigungsfall im herkömmlichen Sinne unwahrscheinlicher geworden ist. Gegenwärtig sind andere Gefahrensituationen in den Fokus gerückt. Das Spektrum reicht von lokal begrenzten Unfällen, großflächigen Naturereignissen bis hin zu möglichen Anschlägen terroristischer Organisationen mit katastrophalen Auswirkungen. Maßnahmen des Zivilschutzes werden daher zugunsten des Katastrophenschutzes und der allgemeinen Gefahrenabwehr nicht mehr vordringlich verfolgt. Zu diesen Maßnahmen gehört gemäß § 5 Zivilschutz- und Katastrophenhilfegesetz (ZSKG) auch der Selbstschutz der Bevölkerung, der Behörden und Betriebe gegen die besonderen Gefahren, die im Verteidigungsfall drohen. Im Verteidigungsfall stützt sich der Bund auf den Katastrophenschutz der Länder, deren Ressourcen er für diesen Fall – also „zivilschutzbezogen“ – verstärkt und ergänzt. Zivilschutz und Katastrophenschutz bauen aufeinander auf, bedingen und ergänzen einander, bilden gemeinsam ein integratives Ganzes. Grundsätzlich wirken die verschiedenen Maßnahmen (vorbeugende Gefahrenabwehr, Förderung der Selbsthilfefähigkeit der Bevölkerung, Stärkung des Ehrenamtes im Katastrophenschutz, Erste-Hilfe-Ausbildung, Brandschutzausbildung etc.) aufgrund ihres Doppel-Nutzens auch auf die Ausbildung und Förderung des Selbstschutzes . Unter anderem wurde in den Rahmenplan Sachunterricht in der Grundschule eine Brandschutzerziehung aufgenommen. Diese Maßnahme wird durch die Berliner Feuerwehr begleitet. Weitere Angebote zur Unterrichtung der gesamten Bevölkerung sind die u.a. in Bürgerämtern ausgelegte Broschüre „Für den Notfall vorgesorgt“ und die im Internet von den Behörden zur Verfügung gestellten Informationen . Eine Angabe, wie viele Bürgerinnen und Bürger von den Angeboten erreicht werden bzw. Gebrauch machen, ist insbesondere hinsichtlich der Nutzung der „Neuen Medien“ nicht möglich. 2. Wie wird die Berliner Bevölkerung im Ka- tastrophenfall gewarnt? Zu 2.: Die Warnung der Berliner Bevölkerung im Katastrophenfall erfolgt derzeit über entsprechende Rundfunkmeldungen und/oder über lokal eingesetzte Lautsprecherkraftwagen der Polizei. Berlin ist mit zwei Standorten an das „Satellitengestützte Warnsystem“ des Bundes angeschlossen, über das parallel sowohl Medien als auch andere Länder und der Bund über aktuelle Warnmeldungen informiert werden können. Eine länderübergreifende Arbeitsgruppe unter Vorsitz des Bundes, in der auch Berlin vertreten ist, beschäftigt sich derzeit mit dem Umbau dieses Systems zu einem „Modularen Warnsystem“. Mit der entsprechenden BasisInfrastruktur wurde auch Berlin bereits ausgestattet. Durch Nutzung eines offenen Übertragungsprotokolls können damit künftig unterschiedliche Endgeräte unmittelbar mit Warnmeldungen versorgt werden. Im Bundesgebiet ist überwiegend die Anbindung von noch vorhandenen Sirenen geplant. Für Berlin wird derzeit der Versand von Textnachrichten mit Verhaltensempfehlungen an Betroffene postleitzahlengenau per E-Mail und SMS mit dem System “KATWARN“ geprüft. Dieses wurde vom Fraunhofer Institut in Zusammenarbeit mit Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 096 der Versicherungswirtschaft entwickelt und wird auch bereits in verschiedenen Städten und Landkreisen als zusätzliches Warnmittel erprobt. 3. Wie viele öffentliche Schutzräume gibt es in Ber- lin mit welchen Kapazitäten? Welche Einrichtungen befinden sich im Bundesbesitz, welche im Landesbesitz? Wie viele Hausschutzräume gibt es in Berlin? Zu 3.: Der Bundesminister des Innern hat aufgrund der veränderten außenpolitischen Lage mit Erlass vom 7. Mai 2007 die politische Entscheidung getroffen, den öffentlichen Schutzraumbau aufzugeben. Derzeit werden vom Land Berlin noch elf öffentliche Schutzraumanlagen mit einer Gesamtkapazität von 14.988 Schutzplätzen nach § 7 ZSKG verwaltet und unterhalten. Von diesen stehen drei im Eigentum des Bundes, eine im Eigentum des Bundes und des Landes Berlin, drei im Eigentum des Landes, eine im Eigentum des Landes Berlin und im Privateigentum sowie drei im Privateigentum (Tabelle 1). Im Zeitraum Juni 2010 bis Januar 2012 wurden in einem entsprechend abgestimmten Verfahren nach Konzeption des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) in Umsetzung der Entscheidung des Bundes fünf öffentliche Schutzraumanlagen von ihrer öffentlichen Zweckbestimmung für den Zivilschutz entwidmet und das Veränderungsverbot des § 7 Absatz 2 Satz 2 ZSKG aufgehoben (sog. Entlassung aus der Zivilschutzbindung). Tabelle 1 lfd. Nr. Anlagetyp (Übergabedatum) Adresse Bezirksteil Anzahl Schutzplätze Eigentümer 1. TB (1980) Otto-Wels-Ring 1-3 (Neukölln) 354 Bund/Land 2. HB (1980) Eiderstedter-Weg 34 (Zehlendorf) 293 Bund 3. TB (1984) Badstr./Blochplatz (Wedding) 1.318 Land 4. TB (1985) Bornsdorfer Str. 15 (Neukölln) 199 Land 5. HB (1987) Eiswaldtstr. 17 (Steglitz) 1.074 Bund 6. TB (1989) Stresemannstr. 90-102 (Kreuzberg) 520 Bund 7. ehem. HKH (1999) Am Grossen Wannsee 80 (Heckeshorn) (Zehlendorf) rd. 600 Land 8. MZA/TG (1976) Stresemannstr. 68/76 (Excelsiorgebäude) (Kreuzberg) 3.102 Privat 9. MZA/TG (1988) Laubacher Str. 1-2 (Schöneberg) 450 Land/Privat 10. MZA/UB (1978) Pankstraße (Wedding) 3.346 Privat 11. MZA/UB (1981) Siemensdamm 45-46/ Papitzweg 19/21 (Spandau) 4.332 Privat gesamt: rd. 14.988 HB=Hochbunker, TB=Tiefbunker, MZA/TG=Mehrzweckanlage in Verbindung mit Tiefgarage, MZA/UB= Mehrzweckanlage in Verbindung mit unterirdischen Bahnen, ehem. HKH=ehemaliges Hilfskrankenhaus Für das Land Berlin sind keine privaten Schutzräume, die nach den „Bautechnischen Grundsätzen für Hausschutzräume “ errichtet und öffentlich bezuschusst wurden (Hausschutzräume, vgl. § 8 Absatz 1 ZSKG), erfasst. 4. Wie viele Mitarbeiter des Landes Berlin von welchen Behörden haben in den Jahren 2010/11 an Ausund Fortbildungsmaßnahmen des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und/oder des Landes Berlin teilgenommen ? Zu 4.: Es haben in den Jahren 2010/2011 ca. 2000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landes Berlin an Aus- und Fortbildungsmaßnahmen des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und/oder des Landes Berlin teilgenommen . Die die Dienstkräfte entsendenden Behörden sind aus den nachfolgenden Übersichten (Tabelle 2 und Tabelle 3) ersichtlich. Tabelle 2 - Aus- und Fortbildungsmaßnahmen des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) Teilnehmende Behördenname 2010/2011 Der Polizeipräsident in Berlin* 22 Landeslabor Berlin-Brandenburg* 1 2 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 096 Teilnehmende Behördenname 2010/2011 Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz* 53 Senatsverwaltung für Inneres und Sport* 46 Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Frauen* 3 Senatsverwaltung für Stadtentwicklung* 1 Berliner Feuerwehr 31 Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg 1 Bezirksamt Mitte 5 Bezirksamt Neukölln 1 Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf 2 * Quelle: Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) In den Jahren 2010 und 2011 wurde unter Projekt- leitung des BBK jeweils eine „Länder Übergreifende Krisenmanagement-Übung/ EXercise“ (LÜKEX) durchgeführt . An dieser fortlaufenden Übungsserie im Bereich des nationalen Krisenmanagements ist stets auch die Berliner Verwaltung in unterschiedlichem Umfang (2010 ca. 200, 2011 ca. 10 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter) beteiligt. Tabelle 3 - Aus- und Fortbildungsmaßnahmen des Landes Berlin Teilnehmende Behördenname 2010/2011 Senatsverwaltung für Inneres und Sport 82 Berliner Feuerwehr 244 Der Polizeipräsident in Berlin 1.200 Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz 30 Senatsverwaltung für Finanzen 1 Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales 4 Senatsverwaltung für Justiz 5 Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Frauen 3 Senatsverwaltung für Stadtentwicklung 2 Senatskanzlei 11 Landesamt für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit 2 Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf 22 Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg 8 Bezirksamt Lichtenberg 4 Bezirksamt Marzahn-Hellersdorf 28 Bezirksamt Mitte 36 Bezirksamt Neukölln 15 Bezirksamt Pankow 34 Bezirksamt Reinickendorf 2 Bezirksamt Spandau 5 Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf 8 Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg 55 Bezirksamt Treptow-Köpenick 4 3 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 096 In den Jahren 2010/11 nahmen darüber hinaus jährlich ca. 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Berliner Landesbehörden an dem als Fortbildungsmaßnahme anerkannten jährlichen Katastrophenschutzforum des Landesamtes für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit (LAGetSi) teil. 5. Wie viele Fortbildungsmaßnahmen haben in den Jahren 2010/11 in der Berliner Polizei, wie viele bei der Feuerwehr zum Thema Zivil- und Katastrophenschutz stattgefunden? Zu 5.: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Berliner Polizei haben im Jahr 2010 an 66 und im Jahr 2011 an 70 katastrophenschutz-/zivilschutzbezogenen Fortbildungsmaßnahmen teilgenommen. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Berliner Feuerwehr haben im Jahr 2010 an 75 katastrophenschutz- /zivilschutzbezogenen Fortbildungsmaßnahmen teilgenommen . Für das Jahr 2011 liegen noch keine Zahlen vor. 6. Finden verpflichtende spezielle Fortbildungen zum operativen Krisenmanagement für politische Führungskräfte in diesem Bereich statt oder sind sie geplant? Zu 6.: Verpflichtende spezielle Fortbildungen zum operativen Krisenmanagement für politische Führungskräfte gibt es in diesem Bereich nicht. Die Senatsverwaltung für Inneres und Sport bietet regelmäßig Einweisungen in die Aufgaben im Koordinierungsgremium der im Katastrophenfall einzuberufenden Zentralen Einsatzleitung (ZELtg) unter dem Vorsitz des Senators für Inneres und Sport an. In diesem Rahmen wird bei Bedarf auch eine spezielle Fortbildung für die nach den Wahlen zum Abgeordnetenhaus am 18. September 2011 neu ernannten politischen Führungskräfte der Berliner Verwaltung angeboten werden. Berlin, den 16. Februar 2012 Frank Henkel Senator für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 06. Mrz. 2012) 4 Adresse