Drucksache 17 / 10 148 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Klaus Lederer (LINKE) vom 24. Januar 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 26. Januar 2012) und Antwort Kündigung von Arbeitnehmer*innen aufgrund einer HIV-Infektion Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie bewertet der Senat die in der aktuellen Debat- te um ein LAG-Urteil über die Kündigung eines HIVpositiven Arbeitnehmers von der Deutsche AIDS-Hilfe und der Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes , Christine Lüders, erhobene Forderung, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) um den Schutz für Menschen mit HIV und anderen chronischen Erkrankungen zu erweitern? Zu 1.: Das Recht auf Gleichbehandlung und der Schutz vor Diskriminierung haben für den Senat einen hohen Stellenwert und er unterstützt grundsätzlich das Bemühen, einen noch wirksameren Diskriminierungsschutz für alle Betroffenen zu verwirklichen. Die durch das Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) angestoßene Debatte zur Diskriminierung von Menschen mit HIV beim Zugang zu Arbeit oder im Berufsleben bewertet der Senat als sehr wichtig. Auch die im Beratungsnetzwerk der Landesstelle für Gleichbehandlung – gegen Diskriminierung des Berliner Senats vertretenen Beratungsstellen berichten immer wieder von Diskriminierungsfällen wegen eines positiven HIV-Status. Das Urteil des LAG wirft sehr deutlich die Frage auf, ob der Schutz vor Diskriminierung von mit HIV lebenden sowie von Menschen mit anderen chronischen Erkrankungen über das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ausreichend gewährleistet ist. Damit ist aus antidiskriminierungsrechtlicher Sicht zugleich die Frage angesprochen , wann eine chronische Krankheit eine Behinderung bedeuten kann und wie der AGG-Begriff der Behinderung insbesondere vor dem Hintergrund der in Deutschland 2009 in Kraft getretenen UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen ausgelegt werden muss. 2. Wird der Senat sich dafür einsetzen, auf Bundes- ebene eine Erweiterung des AGG um einen Schutz für Menschen mit HIV und anderen chronischen Erkrankungen zu bewirken? 3. Wenn 2. ja: Was gedenkt der Senat dafür zu unternehmen ? Zu 2. und 3.: Für den Senat steht im geschilderten Problemkontext weniger die Erweiterung der Diskriminierungsmerkmale des AGG an erster Stelle. Vielmehr wird der Senat im Rahmen seiner Möglichkeiten dazu beitragen, eine Fachdiskussion über das Verständnis des AGG-Merkmals Behinderung vor dem Hintergrund der Konvention zu unterstützen. In Art. 1 der Konvention heißt es: „Zu den Menschen mit Behinderungen zählen Menschen, die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können“. Damit wird der gesellschaftliche Aspekt des „an der Teilhabe behindert Werdens “ stärker in den Blick genommen. Die physischen, sozialen und kulturellen Barrieren, die in der Gesellschaft bestehen, sind mit entscheidend dafür, ob die Beeinträchtigung eines Menschen zu einer Behinderung der Teilhabe wird oder nicht. Der Senat ist der Auffassung, dass ein solches offenes, teilhabeorientiertes Verständnis von Behinderung einen verbesserten Diskriminierungsschutz für Menschen mit HIV und anderen chronischen Erkrankungen im Arbeitsleben gewährleisten würde. Unabhängig davon wird sich der Senat im Bundesrat für eine baldige Vorlage und Beratung der Stellungnahme der Bundesregierung zur Empfehlung der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) Nr. 200 betreffend HIV- und AIDS einsetzen, die die Mitgliedsstaaten auffordert, einen ausreichenden Schutz vor Diskriminierung wegen eines tatsächlichen oder angenommenen HIV-Status im Arbeitsleben zu etablieren. Berlin, den 27. Februar 2012 Dilek Kolat Senatorin für Arbeit, Integration und Frauen (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 01. Mrz. 2012)