Drucksache 17 / 10 151 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage der Abgeordneten Jutta Matuschek (LINKE) vom 26. Januar 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 27. Januar 2012) und Antwort Wie steht Berlin zu den Steuersenkungsplänen der Bundesregierung? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie bewertet der Senat die neuen Steuersenkungs- pläne der Bundesregierung, die in den nächsten Wochen in Bundestag und Bundesrat beschlossen werden sollen? Zu 1.: Im Dezember 2011 hat die Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes zum Abbau der kalten Progression (Tarifglättungsgesetz) verabschiedet, der u.a. die Anhebung des Grundfreibetrags von derzeit 8.004 € um insgesamt 350 € in zwei Stufen auf 8.354 € und eine Anpassung der Tarifeckwerte der Einkommensteuer um ca. 4,4% vorsieht. Der Gesetzentwurf soll nach Auffassung der Bundesregierung sicherstellen, dass Steuerpflichtige in den Jahren 2013 und 2014 von den Wirkungen der kalten Progression entlastet werden. Im Entwurf ist eine Kompensation der Steuermindereinnahmen der Länder und Gemeinden durch eine Änderung der vertikalen Umsatzsteuerverteilung zugunsten der Länder um 1,2 Mrd. € in der vollen Jahreswirkung enthalten ; eine vollständige Kompensation der Steuerausfälle der Länder und Gemeinden für die Anhebung der übrigen Tarifeckwerte um 4,4% müsste bei ca. 2,3 Mrd. € liegen. Die Anhebung des Grundfreibetrags soll nach den Plänen der Bundesregierung bereits für 2013 und 2014 erfolgen, ohne dass die Bundesregierung die sozialhilferechtlichen Berechnungsgrundlagen erstellt bzw. den Existenzminimumbericht vorgelegt hat, so dass die Höhe des verfassungsrechtlich gebotenen steuerlichen Grundfreibetrags noch nicht feststeht. Der Senat sieht den Gesetzentwurf der Bundesregierung daher kritisch; dies betrifft insbesondere die mangelnden haushaltspolitischen Spielräume für Steuersenkungsmaßnahmen , die verfrühte Festlegung zur Höhe des Grundfreibetrags und die unzureichende und nicht auskömmliche Kompensation für die Steuerausfälle von Ländern und Gemeinden. 2. Welche konkreten Auswirkungen werden diese Steuerrechtsänderungen auf den Berliner Landeshaushalt bis 2020 haben (bitte einzeln nach Steuerart und Jahr auflisten)? Zu 2.: Die finanziellen Auswirkungen des Gesetzes zum Abbau der kalten Progression (Tarifglättungsgesetz) auf Berlin nach dem Stand des Regierungsentwurfs ergeben sich aus der nachstehenden Tabelle: Auswirkungen auf Berlin nach Länderfinanzausgleich* Einkommensteuer - 56 - 163 - 180 - 185 - 190 - 195 - 200 - 206 Umsatzsteuer 21 66 66 66 66 66 66 66 Insgesamt - 35 - 97 - 114 - 119 - 124 - 129 - 134 - 140 * Quantifizierung im Gesetzgebungsverfahren 2013 bis 2017, 2018ff eigene Schätzung 2019 2020Mio € 2013 2014 2015 2016 2017 2018 3. Wie bewertet der Senat die beabsichtigten Steuerrechtsänderungen insbesondere hinsichtlich der Vorgaben aus Art. 109 GG? 4. Werden diese erwarteten Einnahmeausfälle die Er- füllung des mit dem Stabilisierungsrat abgeschlossenen Sanierungsprogramms für den Berliner Landeshaushalt beeinträchtigen, wenn ja, wie? 5. Wie wird der Senat gegenüber dem Stabilitätsrat a- gieren, wenn wegen der bundesgesetzlichen Steuerrechtsänderungen die Vorgaben des Sanierungsprogramms nicht eingehalten werden können? Zu 3.-5.: Die Richtlinien der Regierungspolitik für die 17. Legislaturperiode, die das Abgeordnetenhaus am 12. Januar 2012 gebilligt hat, sehen vor, dass sich der Senat sowohl auf Landesebene als auch auf Bundesebene für die Sicherung der erforderlichen Einnahmen einsetzt und im Bundesrat von dem Ziel leiten lassen wird, dass die Einnahmebasis nicht geschmälert werden darf, sondern die Erfüllung der verfassungsgemäßen Aufgaben ermöglichen Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 151 muss. Der Senat ist überzeugt, dass er in dieser Haltung auch von anderen Ländern unterstützt wird. Vor diesem Hintergrund stellen sich die Fragen nach den Folgen der von der Bundesregierung vorgeschlagenen Steuerrechtsänderungen für die Vorgaben aus Art. 109 GG und deren Auswirkungen auf das Berliner Sanierungsprogramm für den Berliner Senat nicht. 6. Wie wird das Land Berlin im Bundesrat bei der Be- ratung und Beschlussfassung zu diesen Steuerrechtsänderungen agieren? Zu 6.: Im ersten Durchgang des Gesetzgebungsverfah- rens unterstützt der Senat einen Antrag, der den Gesetzentwurf in der vorliegenden Fassung ablehnt und die unter zu 1. dargestellte Kritik an dem Gesetzentwurf aufgreift. Der Senat wird sich unter Anwendung der zu 2. genannten Richtlinien der Regierungspolitik und im Lichte der Ergebnisse der Diskussion über die verfassungsrechtlich gebotene Höhe des steuerlichen Grundfreibetrags zu gegebener Zeit zu dem Gesetzgebungsverfahren endgültig positionieren und dann sein weiteres Verhalten im Bundesrat festlegen. Berlin, den 05. März 2012 Dr. Ulrich Nußbaum Senator für Finanzen (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 08. Mrz. 2012) 2