Drucksache 17 / 10 167 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage der Abgeordneten Jasenka Villbrandt und Heiko Thomas (GRÜNE) vom 30. Januar 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 02. Februar 2012) und Antwort Sicherung der eigenverantwortlichen Pflege bei VIVANTES Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: Die Kleine Anfrage betrifft teilweise Sachverhalte, die der Senat nicht allein aus eigener Kenntnis beantworten kann. Er ist gleichwohl bemüht, Ihnen eine Antwort auf Ihre Anfrage zukommen zu lassen; und hat daher die Vivantes - Netzwerk für Gesundheit GmbH um Stellungnahmen gebeten, die von dort jeweils in eigener Verantwortung erstellt und dem Senat übermittelt wurden. Sie sind in die Antworten einbezogen. 1. Trifft es zu, dass der Konzern VIVANTES die zentrale Pflegedirektion „einspart“? Wenn ja, welches sind die Gründe dafür? 2. Trifft es zu, dass in den einzelnen Kliniken die Pflegedirektorinnen und Pflegedirektoren organisatorisch unter dem Geschäftsführer angesiedelt und damit in ihrer Kompetenz und Eigenverantwortung erheblich eingeschränkt werden? Wenn ja, wie wurde dieser Schritt fachlich begründet? Zu 1. und 2.: In der Gründungsphase und den ersten Jahren von Vivantes war die strikte Zentralisierung der gesamten administrativen Bereiche unabdingbar und Grundlage des heutigen Erfolges des Konzerns. Die einem Wandlungsprozess unterliegenden Erfordernisse des Gesundheitsmarktes stellen Vivantes in den kommenden Jahren jedoch vor weitere und neue Herausforderungen , die eine maximale Unterstützung der dezentralen Bereiche und eine effiziente Administration mit hohem Identifikationsgrad mit den peripheren Notwendigkeiten erfordern. Daher wird aus Sicht des Managements die Etablierung einer neuen Führungsstruktur und -kultur notwendig . Ziele sind eine verbesserte Unterstützung der Leistungsbereiche, eine verstärkte Konzentration auf die individuellen Belange der Leistungsbereiche sowie eine größere Einflussmöglichkeit, Flexibilität und Verantwortung der Standortleitung. Ein wesentlicher Baustein hierbei ist die Implementierung eines Direktoriums an allen Standorten, welches aus einem/einer endverantwortlichen Standortleiter/in, einem/einer nebenamtlichen ärztlichen Direktor/in sowie einer Pflegedirektion besteht. In diesem Kontext wird die Pflege deutlich gestärkt, findet doch deren Kompetenz unmittelbar Eingang in die Entscheidungen des Direktoriums eines jeden Standortes. Darüber hinaus erfolgt über das Instrument einer ständigen Konferenz der Pflegedirektoren mit Benennung eines Sprechers/ einer Sprecherin ein intensiver Austausch über pflegerelevante Themen der Kliniken untereinander und im Bereich Medizinstrategie zentral über die einzelnen Standorte hinaus. Hier besprechen und entscheiden alle Pflegedirektoren/innen Vivantes zusammen mit der Leitung der Medizin- und Pflegestrategie sowie bei Bedarf mit anderen beteiligten Bereichen des Unternehmens , selbstverständlich wie bisher auch in Abstimmung mit der Gesamtgeschäftsführung Vivantes. Dies ermöglicht eine unmittelbare Einflussnahme der Pflege auf zentrale Entscheidungen und es werden weiterhin zentrale, unternehmensweit wichtige und verbindliche pflegerische Themen wie Fachkräftemangel, Pflegestandards etc. gemeinsam bearbeitet. Im Kontext der oben beschriebenen neuen Aus- balancierung zwischen zentralen und dezentralen, standortbezogenen Verantwortlichkeiten befinden sich die zentralen Verwaltungsstrukturen von Vivantes insgesamt derzeit in einer erheblichen Umstrukturierungsphase, um dem Ziel der Errichtung eines effizienten administrativen Netzwerkes näherzukommen. Ein Schritt hierbei ist die Zusammenführung des Ressorts Pflege- und Betreuungsmanagement mit dem der Medizinstrategie zu einem gemeinsamen Bereich Medizin- und Pflegestrategie. Dadurch soll es zu einer Verkürzung von Entscheidungswegen , einer Erhöhung der Identifikation der Administration mit den übrigen Bereichen und einer Stärkung der Einflussmöglichkeiten der dezentralen Bereiche kommen. Bedingt durch eine berufliche Neuorientierung der bisherigen zentralen Pflegedirektorin wird die Leitung durch die bisherige Leitung der Medizinstrategie über- Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 167 nommen. Gleichwohl bleibt der Bereich Pflege auch personell explizit zentral besetzt und es wird auch weiterhin eine gemeinsame Pflegestrategie Vivantes geben. 3. Wie bewertet der Senat diesen Vorgang? Zu 3.: Die Erhöhung der Konzentration auf indivi- duelle Belange der Leistungsbereiche durch Etablierung einer neuen Führungsstruktur und die damit einhergehende Dezentralisierung von zentral organisierten Verwaltungsbereichen in die direkten Entscheidungsprozesse am Standort wird vom Senat begrüßt. Durch die Integration von ärztlichen und pflegerischen Bereichen in die Entscheidungen wird direkte ökonomische und prozessuale Verantwortung übernommen, was u. a. zur Erhöhung der Einbindung der Beteiligten in unternehmerische Prozesse insgesamt führt. 4. Wie will VIVANTES sicherstellen, dass eine fach- lich eigenständige und mündige Pflege in der Einheit von Verantwortung und Kompetenz in allen VIVANTES Kliniken geleistet wird? Zu 4.: Aus der Antwort zu den Fragen 1. und 2. wird deutlich, dass der Pflege bei Vivantes durch die Integration in die Direktorien aller klinischen Standorte vermehrt Verantwortung übergeben wird und die vorhandenen pflegerischen Kompetenzen noch stärker als bisher genutzt werden sollen. 5. Unter welcher Regie werden Entscheidungen zu einheitlichen Standards oder Pflegeentwicklungen getroffen ? Zu 5.: Die Entwicklung und Implementierung z. B. von Pflegestandards sowie deren Evaluierung, erfolgt in enger Abstimmung zwischen der Stabsstelle „Medizinund Pflegestrategie“ und der „Ständigen Konferenz der Pflegedirektionen“. 6. Aus welchem Grund wird bei Stellenanzeigen für KrankenpflegerInnen oder Operationstechnische AssistentInnen , wie z.B. im Tagesspiegel vom 14.01.2012, der Chefarzt als Ansprechpartner angegeben? Weshalb wird nicht die Funktionsdienstleitung als pflegerische Fachkompetenz angegeben? Zu 6.: Die Zuordnung des pflegerischen Funktions- dienstes zu den Chefärzten/innen erfolgte in Vivantes bereits im Jahre 2003. Die pflegerische Leitung des Funktionsdienstes ist ebenfalls in diese Zuständigkeit übergegangen. Sie ist in die Personalauswahl involviert. Es gibt hinsichtlich der Angabe von Ansprechpersonen bei Stellenausschreibungen keinen einheitlichen Standard. Wird der Chefarzt/ die Chefärztin als Ansprechperson benannt, so ist in der Regel das jeweilige Sekretariat in der koordinierenden Funktion, die Anfragen ggf. an die Funktionsdienstleitung weiterzuleiten. 7. Wie stellt VIVANTES sicher, dass die Entwicklung der entsprechenden Funktionsexpertise nicht einseitig durch ärztliche Dominanz geschwächt wird? Zu 7.: Wie in der Antwort zur Frage 6. ausgeführt, ist die bestehende Zuordnung historisch gewachsen und damit nicht neu. Dennoch befindet sie sich aktuell in der Überprüfung. Insofern ist hier eine Ausweitung ärztlicher Dominanz nicht zu befürchten. 8. Wie wird die Nachwuchssicherung in den Pflege- und Funktionsdiensten im Hinblick auf Fachkräftequoten bei VIVANTES künftig aussehen? Zu 8.: Das unternehmenseigene Institut für berufliche Bildung im Gesundheitswesen (IbBG) mit 765 Ausbildungsplätzen , davon 665 in der Pflege, ermöglicht größtenteils die Nachwuchssicherung. So wird z. B. für den Intensivpflegebereich bereits in der Ausbildung für interessierte zukünftige Gesundheits- und Krankenpfleger /innen (GKP) mit speziellen Programmen der Weg auf die Intensivstationen gebahnt. Für den gesamten Pflegedienst werden jährlich zwischen 100 und 120 examinierte GKP aus dem IbBG übernommen. 9. Wie erklärt VIVANTES die Erfahrungen aus anderen Einrichtungen, die die zentrale Pflegedirektion nach einiger Zeit wieder einführten? Zu 9.: Vivantes wird auch weiterhin eine gemeinsame Pflegestrategie haben und wichtige Instrumente wie zum Beispiel Pflegestandards übergeordnet zentral für alle Kliniken verbindlich festlegen. Allerdings sollen die Kompetenzen der Pflegedienstleitungen der Standorte stärker genutzt werden und Eingang in die für alle verbindlichen Vorgaben finden. Dies wird in enger Abstimmung mit der Medizinstrategie von Vivantes insgesamt erfolgen. 10. Das Berliner Landeskrankenhausgesetz unter- scheidet in § 3 Absatz 1 hinsichtlich ärztlicher und pflegerischer Eigenständigkeit mit einer jeweils klaren Trennung im Wirkungsradius. Wie kann ein öffentlicher Krankenhausträger wie VIVANTES die Fachkompetenz in den Pflege- und Funktionsbereichen in eigener Regie in der Einheit von Verantwortung und Kompetenz sicherstellen ? Zu 10.: Zunächst wird angemerkt, dass das Berliner Landeskrankenhausgesetz im zitierten Paragraphen grundsätzlich nicht die in der Fragestellung implizierte Eigenständigkeit und Trennung von ärztlicher und pflegerischer Versorgung regelt, sondern Begriffsbestimmungen des Krankenhauses aus dem Krankenhausfinanzierungsgesetz zugrunde legt. Gleichwohl plant Vivantes – wie bereits ausgeführt - die Installation von jeweils einem Klinikumsdirektorium je Standort mit einem Geschäftsführenden Direktor/in, einem Ärztlichen Direktor/in und einem Pflegedirektor/in. 2 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 167 3 Die Geschäftsverteilung in der Geschäftsordnung sieht jeweils die klassischen Aufgabenzuordnungen vor. Die klare Trennung der Wirkungsradien, soweit erforderlich, ist dadurch gegeben. Berlin, den 22. Februar 2012 In Vertretung Emine D e m i r b ü k e n - W e g n e r ____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 28. Feb. 2012)