Drucksache 17 / 10 176 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage der Abgeordneten Sabine Bangert (GRÜNE) vom 06. Februar 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 07. Februar 2012) und Antwort Zum aktuellen Stand der Provenienzforschung in Berlin und Restitutionsansprüchen an das Land Berlin Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Welche Forschungen hat die Arbeitsstelle für Pro- venienzrecherche/-forschung am Institut für Museumsforschung der Staatlichen Museen zu Berlin - Stiftung Preußischer Kulturbesitz seit Ihrer Einrichtung unternommen bzw., welche unterstützte sie gemäß ihrer Aufgabe und mit welchem Ergebnis (bitte Auflistung mit Nennung des Ortes, des Objekts und des dazugehörigen Budgets)? Zu 1.: Die Arbeitsstelle für Provenienzrecherche/-forschung hat seit ihrer Errichtung keine eigenen Forschungsprojekte durchgeführt. Ihre Hauptaufgabe besteht in der Betreuung der Kulturgut bewahrenden Einrichtungen von der Beratung bei der Antragstellung über die Projektdurchführung bis zur Unterstützung bei der Dokumentation der erzielten Forschungsergebnisse. Auf der Grundlage der geltenden Vergaberichtlinien und Bewilligungsgrundsätze hat die Arbeitsstelle seit 2008 Fördermittel für Provenienzrecherche und -forschung für folgende Einrichtungen in Berlin/Brandenburg bewilligt: Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften Provenienzrecherchen im Bestand 156.160 € Landesarchiv Berlin Online- Datenbank zu den Akten „Wiedergutmachungsämter von Berlin“ 539.200 € Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte Beschlagnahmte Bücher, Reichsaustauschstelle und Preußische Staatsbibliothek 1933-1945 38.500 € Stiftung Berlinische Galerie Provenienzrecherche für 1 Gemälde, Tiefenerschließung des Ferdinand MöllerArchivs 287.279 € Stiftung Deutsches Historisches Museum Provenienzrecherche für 1 Plakatsammlung 20.550 € Stiftung Neue Synagoge- Centrum Judaicum Prüfung des Bibliotheksbestandes 100.000 € Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Provenienzrecherchen im Gemäldebestand 236.377 € Staatsbibliothek zu Berlin, PK Prüfung des Druckschriftenbestandes 284.731 € Stiftung Stadtmuseum Provenienzrecherche für 3 Gemälde, Prüfung des Gemäldebestandes ehem. Berlin-Museum, Prüfung der Silbersammlung 334.864 € Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 176 Stiftung Zentral- und Landesbibliothek Berlin Provenienzrecherchen im Bestand 621.329 € Der Regierende Bürgermeister von Berlin, Senatskanzlei Kulturelle Angelegenheiten Provenienzrecherche für 2 Gemälde 21.139 € insgesamt rd. 2.640.129 € Die geförderten Projekte im Landesarchiv Berlin, in der Stiftung Berlinische Galerie, der Stiftung Neue Synagoge - Centrum Judaicum, der Stiftung Stadtmuseum und der Zentral- und Landesbibliothek Berlin werden im Jahr 2012 fortgeführt. 2. Welche Forschungen, an welchen Orten, Objekten und mit welchem Budget, unternimmt die Arbeitsstelle für Provenienzrecherche/-forschung derzeit bzw., welche unterstützt sie? Zu 2.: Die Arbeitsstelle ermöglicht entsprechend ihrer Aufgabenstellung eine effektivere Kooperation und bessere Vernetzung der Provenienzforscher/innen, vorrangig durch das webbasierte " Kommunikationsportal". In diesem Portal können sich derzeit ca. 200 registrierte Nutzer/innen in jeweils abgeschlossenen virtuellen Arbeitsräumen austauschen. Im Übrigen wird auf die Antwort zu 1. verwiesen 3. Wie viele Anträge auf Fördermittel für Provenienzenrecherche/-forschung wurden seit Einrichtung der Forschungsstelle 2008 gestellt und mit welchem Förderbudget (bitte Auflistung nach Jahren mit Nennung der AntragsstellerInnen)? a. Wie viele wurden bewilligt und in welchem Umfang (bitte Auflistung mit Budgets der bewilligten Anträge/Forschungsprojekte) b. Wie viele gestellte und/oder bewilligte Anträge waren einzelfallbezogen, wie viele dienten der systematischen Erforschung? Zu 3.: In dem Zeitraum 2008 bis 2011 standen För- dermittel des Bundes in Höhe von insgesamt 4 Mio. € zur Verfügung, die in vollem Umfang bewilligt wurden. Bei der Arbeitsstelle wurden insgesamt 184 Anträge gestellt, davon wurden 121 Anträge für 72 öffentliche Einrichtungen bewilligt. 39 Anträge bezogen sich auf objektbezogene Einzelfallrecherchen und 144 Anträge auf die systematische Prüfung von Sammlungen und Beständen. Für die Erstellung eines Rechtsgutachtens im Zusammenhang mit einem Rückgabeersuchen wurde lediglich ein Förderantrag gestellt. Im Übrigen wird auf die Antwort zu 1. verwiesen. 4. In welchen Fällen resultierten die oben genannten Forschungsergebnisse in der Restitution der jeweiligen Kulturgüter? a. In welchen Fällen gab es hierzu eine Kooperation zwischen der Arbeitsstelle Provenienzrecherche und der Koordinierungsstelle für Kulturgutverlust in Magdeburg? b. In welchen Fällen sind derzeit die Restitutionsverfahren noch ungeklärt und warum? Zu 4.: Zwischen der Arbeitsstelle für Provenienz- recherche/-forschung und der Koordinierungsstelle Magdeburg gibt es seit 2008 eine Kooperationsvereinbarung , die vorrangig zum Ziel hat, sich bei der jeweiligen Aufgabenstellung zu unterstützen, insbesondere bei Fragen der Dokumentation und Öffentlichkeitsarbeit . Nach den Vergaberichtlinien und Bewilligungsgrundsätzen der Arbeitsstelle sollen die Bewilligungsempfänger /innen identifizierte Kulturgüter mit „belasteter" Provenienz als Fundmeldungen in der Datenbank LostArt der Koordinierungsstelle Magdeburg veröffentlichen . Die Dokumentation von Rückgabeersuchen bzw. von Verhandlungen über eine "faire und gerechte Lösung" gehört nicht zu den Aufgaben der Arbeitsstelle. Die beratende Kommission hat im November 2011 dem Land Berlin die Rückgabe von zwei Gemälden von Karl-Schmidt-Rottluff empfohlen. Ich habe dieser Empfehlung entsprochen und die Gemälde an den Berechtigten zurückgegeben. Darüber hinaus könnte die Frage nur durch umfang- reiche und zeitaufwendige Nachforschungen beantwortet werden, die im Rahmen der in § 32 Abs. 2 GGO II vorgesehenen Frist nicht zu erledigen sind. Der Senat wird auf der Grundlage des Beschlusses des Abgeordnetenhauses von Berlin vom 29.05.2008 (Drs.Nr.16/1403) turnusmäßig zum 30.09.2012 über den Stand der Umsetzung der „Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz“ vom Dezember 1999 berichten und dabei auch über vorliegende Rückgabeersuchen in den Einrichtungen bzw. erfolgte Rückgaben informieren. 2 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 176 5. Wie hoch ist der vorgesehene Anteil Berlins an der Finanzierung der Arbeitsstelle für Provenienzrecherche/ - forschung über die Kulturstiftung der Länder (KSL) 2012 und wie hoch genau war dieser 2010/2011 (vgl. Epl 03, Kapitel 0310, Titel 68545 „ Finanzierungsanteil Berlins an der Kulturstiftung der Länder einschließlich Provenienzforschung“)? a. Warum hätte eine „evtl. Erhöhung des derzeitigen Länderanteils von 200.000 Euro/Jahr ab 2013“ an der KSL [...] „eine Erhöhung des Berliner Anteils an der Finanzierung der Arbeits- stelle auf ca. 15.000 Euro/Jahr zur Folge“ (Haushaltsentwurf 2012/2013, selber Titel)? Zu 5.: Der Berliner Anteil betrug für 2010/2011 je- weils 492.140 € und beläuft sich für 2012 auf 493.980 €. Die Antwort zu a) bitte ich den Erläuterungen im Entwurf des Haushaltsplans 2012/2013, Kapitel 0310/ Titel 68545 zu entnehmen. 6. Warum steigt der Finanzierungsanteil des Landes Berlin an der Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste in Magdeburg (Epl 03, Kapitel 0310 - Titel 67101) laut vorliegendem Haushaltsentwurf 2012/2013 (14.500 Euro pro Jahr) im Vergleich zum Zeitraum 2010/2011 (13.000 Euro pro Jahr)? Zu 6.: Die Steigerung dient dazu, die tariflich bedingt erhöhten Personalkosten und nachrangig die erhöhten Sachkosten der Koordinierungsstelle Magdeburg in 2012/2013 abzudecken. 7. Wie bewertet der Senat die Verdopplung der durch den BKM für die Provenienzrecherche zur Verfügung gestellten Fördergelder auf zwei Millionen Euro zu Anfang 2012? a. Wie bewertet der Senat die Erwartung des BKM, durch diese Budgeterhöhung könnten verstärkt kleinere Einrichtungen zur Provenienzrecherche gewonnen werden (PM 445 des Presse- und Informationsamts der Bundesregierung ) und wie wird der Senat dieses Anliegen speziell in Berlin unterstützen? Zu 7.: Der Senat begrüßt die Entscheidung der Bundesregierung, die Fördermittel ab 01.01.2012 zu verdoppeln . Diese Aufstockung entspricht dem Umfang der von der Arbeitsstelle für Provenienzrecherche/-forschung zu erfüllenden Aufgaben und wird auch eine Erweiterung der Personalkapazität nach sich ziehen müssen. Der Senat teilt die Auffassung der Bundesregierung, dass verstärkt kleinere und mittlere Einrichtungen eine Förderung erhalten und z.B. auch die Bereiche Graphik und Kunstgewerbe erforscht werden sollten. Der Senat fordert regelmäßig alle Zuschuss- und Zuwendungsempfänger /innen dazu auf, Förderanträge bei der Arbeitsstelle für Provenienzforschung zu stellen. 8. Ist das im Haushalt 2010/2011 Epl. 03, Kapitel 0310, Titel 54010 erwähnte „gemeinsame[...] Projekt mit der Stiftung Preußischer Kulturbesitz zur Erforschung der Provenienzen der landeseigenen Sammlung „Galerie des 20. Jahrhunderts““ realisiert worden? a. Wenn ja, mit welchem Budget? b. Wenn ja, mit welchem Ergebnis? c. Wenn nein, warum nicht? d. Wenn nein, soll dieses noch realisiert werden und wenn ja, wann und mit welchem Budget? Zu 8.: Die Prüfung des Gesamtbestandes „Galerie des 20. Jahrhunderts“ wurde im Jahr 2010 begonnen und soll bis Ende 2012 abgeschlossen sein. Für den Zeitraum 2010/2011 wurden der Stiftung Preußischer Kulturbesitz Personalkosten in Höhe von insgesamt 180.021,76 € erstattet . Mit Stand Dezember 2011 konnte bei den insgesamt 560 zu prüfenden Kunstwerken ein NS-verfolgungsbedingter Entzug für 250 Kunstwerke ausgeschlossen werden. Bei den übrigen Kunstwerken ist die Provenienzprüfung u. a. wegen der schwierigen Quellenlage noch nicht abgeschlossen. Der Abschlussbericht der Stiftung Preußischer Kulturbesitz wird zum Jahresende 2012 vorliegen. Die zu erstattenden Personalkosten für 2012 werden erst Anfang 2013 feststehen. 9. Sind aus dem bereits genannten Titel 54010, Epl. 03, Kapitel 0310, Haushalt 2010/2011 noch weitere Mittel von veranschlagten 300.000 Euro „mehr ab 2010 [...] wegen Provenienzforschung“ abgeflossen und wenn ja, an wen und mit welcher Begründung? a. Warum sind diese 2010/2011 veranschlagten 300.000 Euro im Haushaltsentwurf 2012/2013 auf zwei neue Titel verteilt worden (jetzt 240.000Euro Titel 52609 (neu) „Thematische Untersuchungen“ und 60.000 Euro Titel 42701 „Aufwendungen für freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“? Zu 9.: Nein. Die Mittelverteilung zwischen den Zu- schussempfängern und dem Brücke-Museum (Kapitel 0313/Titel 42701) erfolgte nach dem voraussichtlichen Bedarf. Das Brücke-Museum schließt nur Werkverträge für Provenienzrecherche und -forschung. Berlin, den 20. Februar 2012 In Vertretung André Schmitz Der Regierende Bürgermeister von Berlin Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 28. Feb. 2012) 3