Drucksache 17 / 10 179 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage der Abgeordneten Katrin Möller (LINKE) vom 07. Februar 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 08. Februar 2012) und Antwort Jugendberufshilfe Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Maßnahmen der Jugendberufshilfe nach § 13 SGB VIII haben die Berliner Bezirke in den Jahren 2009, 2010 und 2011 jeweils durchgeführt (bitte nach Bezirken getrennt aufführen)? Zu 1.: Eine Übersicht über die in Berlin durch- geführten Maßnahmen der Jugendberufshilfe nach § 13 (2) SGB VIII, also Berufsorientierung (BO), Berufsvorbereitung (BV) und Berufsausbildung (BA), ist getrennt nach Bezirken und Maßnahmen für die Jahre 2009 und 2010 der Anlage zu entnehmen. Für 2011 sind noch keine Angaben möglich, weil die betreffende Erhebung zum Zeitpunkt der Kleinen Anfrage noch nicht vollständig abgeschlossen ist. 2. Wie hoch war in den einzelnen Bezirken der Haus- haltsansatz für Maßnahmen der Jugendberufshilfe in den Jahren 2009, 2010 und 2011? Zu 2.: Die Haushaltsansätze für Maßnahmen der Jugendberufshilfe nach § 13 (2) SGB VIII getrennt nach Bezirken liegen in statistisch verarbeitbarer Form nicht vor und können in der für die Bearbeitung einer Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht ermittelt werden. Hilfsweise werden daher im Folgenden die tatsächlich in den Jahren 2009, 2010 und 2011 aufgewendeten Mittel dargestellt, die aus der Kosten- und Leistungsrechnung (KLAR) ermittelt wurden: Bezirk 2009 2010 2011 Mitte 1.380.619,56 € 1.324.221,18 € 1.039.869,31 € FriedrichshainKreuzberg 2.022.470,08 € 1.994.307,76€ 1.972.166,20 € Pankow 1.790.286,78 € 1.839.047,04 € 2.223.940,38 € CharlottenburgWilmersdorf 214.494,44 € 196.583,44 € 203.662,47 € Spandau 459.594,31 € 568.866,43 € 690.136,03 € Steglitz-Zehlendorf 435.061,25 € 371.612,68 € 236.138,53 € TempelhofSchöneberg 397.408,02 € 387.553,70 € 512.465,99 € Neukölln 1.220.946,23 € 1.073.509,57 € 872.049,20 € Treptow-Köpenick 402.071,96 437.934,18 € 390.269,34 € MarzahnHellersdorf 1.667.489,71 € 1.432.488,21 € 1.319.132,62 € Lichtenberg 870.128,92 € 763.059,17 € 503.848,36 € Reinickendorf 1.146.804,94 € 1.420.825,37 € 1.314.788,64 € Gesamt 12.007.376,20 € 11.810.008,73 € 11.278.467,07 € Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 179 3. Wie schätzt der Senat die Auskömmlichkeit der jeweiligen bezirklichen Haushaltsansätze und der daraus resultierenden Gesamtsumme der Ausgaben für diese Jugendhilfeleistung im Vergleich zum Bedarf ein? Zu 3.: Leistungen der Jugendberufshilfe sind Indi- vidualleistungen, für die ggf. ein Bedarf im Einzelfall von den bezirklichen Jugendämtern festgestellt wird. Im Rahmen eines Hilfeplanverfahrens nach § 36 SGB VIII wird danach die jeweils für notwendig erachtete Angebotsform einer Jugendberufshilfe (ambulante sozialpädagogische Begleitung, Berufsorientierung, Berufsvorbereitung oder Berufsausbildung) gewährt. Die Höhe der bezirklichen Haushaltsansätze orientiert sich an den jeweiligen Unterbringungszahlen der Vorjahre auf Grundlage der Kosten- und Leistungsrechnung und den vom Bezirk ermittelten Unterbringungsbedarfen. Im Rahmen des Gesamtangebotes der Jugendberufshilfe nach dem SGB VIII werden mehr Angebotsplätze vorgehalten als durch die Jugendämter der Bezirke in Anspruch genommen werden. Die Gewährleistungsverpflichtung der Jugendhilfe, rechtzeitig und ausreichend hierfür Hilfen zur Verfügung zu stellen, wird durch das vorgehaltene Platzangebot in diesem Leistungsbereich auskömmlich abgedeckt. 4. Wie hat sich nach Auffassung des Senats die Nach- rangigkeit der Leistungen der Jugendberufshilfe nach § 13 SGB VIII im Verhältnis zu den gesetzlichen Regelungen zum Arbeitsmarkt bewährt bzw. nicht bewährt? Welche Kriterien legt der Senat seiner Bewertung zugrunde? Zu 4.: Die Leistungsgesetze der Jugendhilfe und der Arbeitsförderung mit ihren jeweiligen Zielsetzungen und den dazu gehörigen Angeboten stehen zunächst grundsätzlich nebeneinander. Das Vorrang-Nachrang-Verhältnis stellt sich aus Sicht der Jugendhilfe daher nur bei deckungsgleichen Angeboten und bei einem erhöhten Hilfebedarf. Leistungen der Jugendberufshilfe nach dem SGB VIII sind daher nur bei qualitativ gleichwertigen Angeboten nachrangig. Deckt eine vorrangige Leistung nicht gleichwertig oder vollwertig den individuellen Hilfebedarf ab, greift in der Regel die Jugendhilfe mit ihren weitergehenden Leistungsangeboten. Dieser Nachrang hat sich bewährt, denn die Leistungen der Jugendhilfe werden regelmäßig bei einem besonderen Hilfebedarf unter den genannten Voraussetzungen gewährt. Die Entscheidung über die Unterbringung und Leistungsgewährung erfolgt auf gesetzlicher Grundlage sowie nach den Vorgaben und Kriterien des Hilfeplanverfahrens. Die Entscheidungskompetenz liegt bei den Jugendämtern der Bezirke. 5. Wie bewertet der Senat Auffassungen, wonach die Maßnahmen der Jugendberufshilfe grundsätzlich nicht kompatibel sind mit Zielstellung und Instrumentarium der gesetzlichen Regelungen zur Arbeitsmarktförderung? Welche Schlussfolgerung leitet er daraus für die Zukunft der Jugendberufshilfe in Berlin ab? Zu 5.: Der Auffassung, wonach Maßnahmen der Jugendberufshilfe grundsätzlich nicht kompatibel mit den Zielen und Instrumenten der Arbeitsförderung sind, kann nicht gefolgt werden. Synergien können durch kooperative Finanzierungen von Maßnahmen erzielt werden. Dabei sind die jeweils eigenständigen Zielsetzungen der Jugendhilfe mit ihrem umfassenden Integrationsauftrag und die der Arbeitsförderung mit ihrem vorrangig arbeitsmarktlichen Integrationsauftrag bei der Ausgestaltung von Maßnahmen zu berücksichtigen. Modelle der kooperativen Finanzierung wurden und werden in Berlin praktiziert. Ein deutliches Hemmnis sind die kaum beeinflussbaren Förderbedingungen der einzelnen Instrumente im Rahmen des Arbeitsförderrechts. 6. Wie bewertet der Senat die Möglichkeit der Ko- operation und insbesondere der gemeinsamen Finanzierung von individuellen Maßnahmen der Jugendberufshilfe mit den gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Arbeitsmarktförderung, insbesondere der verbindlichen Ausschreibungsregelungen? Zu 6.: Nach Auffassung des Senats ist eine anteilige Mitfinanzierung bzw. fallweise Inanspruchnahme von Leistungen der Jugendberufshilfe auch ohne Ausschreibung durch die Jobcenter oder die Arbeitsagenturen möglich. Die Anforderungen des Vergaberechts hinsichtlich Güte und Wirtschaftlichkeit können durch die Verfahrensregelungen der §§ 77 und 78 a-g SGB VIII, die bei Leistungen der Jugendberufshilfe grundsätzlich Anwendung finden, in mindestens gleichwertigem Ausmaß sichergestellt werden. Der Jugendhilfe ist an einer Ausweitung von Angeboten in gemeinsamer Finanzierung mit den Institutionen der Arbeitsförderung und der Grundsicherung über die bestehenden Projekte hinaus gelegen. Dazu finden aktuell Gespräche zwischen der Regionaldirektion BerlinBrandenburg und der für Jugend zuständigen Senatsverwaltung statt, die noch nicht abgeschlossen sind. Weitere Wege der Kooperation ergeben sich aus den abgeschlossenen Vereinbarungen zwischen den Jugendbzw . Bezirksämtern und den Jobcentern Berlins. 7. Wie haben sich durch die Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente die Möglichkeiten für die Kooperation von Jobcentern und Jugendämtern im Bereich der Jugendberufshilfe generell und insbesondere bei der Mischfinanzierung von gemeinsam geplanten Maßnahmen verändert? Zu 7.: Das Gesetz über die Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente ist beschlossen, aber noch nicht in Kraft getreten. Die Auswirkungen der Neuregelungen können daher im Einzelnen noch nicht bewertet werden, da sie für die bestehenden Maßnahmen keine Anwendung finden. 2 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 179 8. Wie bewertet der Senat das Konzept der Bundes- agentur für Arbeit zur Erprobung und Einführung von lokalen „Arbeitsbündnissen Jugend und Beruf“ und die daraus resultierenden Erfahrungen aus den „Leuchtturmprojekten “ im Hinblick auf die Erprobung entsprechender Projekte in Berlin? Zu 8.: Das Konzept der Bundesagentur für Arbeit zur Erprobung von „Arbeitsbündnissen Jugend und Beruf“ wird in drei Stufen umgesetzt. Die Umsetzung der 2. Stufe des Projektes „Arbeitsbündnisse Jugend und Beruf“ mit insgesamt 20 Standorten außerhalb Berlins war bis zum 31.12.2011 terminiert. Die für die Beteiligung am Programm zuständige Regionaldirektion BerlinBrandenburg hat keine „Pilot- oder Leuchtturmprojekte“ aus Berlin gemeldet. Mit der 3. Stufe soll das Projekt in 2012 bundesweit etabliert werden. Zum Auftakt ist eine Fachtagung angekündigt . Der Termin hierfür ist noch nicht bekannt. Es besteht ein grundsätzliches Interesse an lokalen Arbeitsbündnissen . Daher werden die Ergebnisse der Evaluation der bisherigen Standorte aus vorwiegend ländlichen Gebieten – vor allem in Hinblick auf die Übertragbarkeit - mit Interesse erwartet. 9. Wie bewertet der Senat Forderungen, die bezirk- lichen Aufwendungen für die Jugendberufshilfe deutlich zu erhöhen und wie wird er die Bezirke finanziell dazu in die Lage versetzen? Zu 9.: Die Ermittlung des regionalen Bedarfes und die Etatisierung im Rahmen der Haushaltsplanaufstellung liegt in der Zuständigkeit der Bezirke. Berlin, den 05. März 2012 In Vertretung Sigrid Klebba Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 09. Mrz. 2012) 3 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 179 4 Anlage Maßnahmen der Jugendberufshilfe nach § 13 (2) SGB VIII in den Jahren 2009 und 2010* - getrennt nach Bezirken - 2009 2010 Bezirk BO BV BA** BO BV BA** Mitte 42 2 40 8 2 17 Friedrichshain-Kreuzberg 16 0 157 14 5 165 Pankow 31 0 27 44 2 32 Charlottenburg-Wilmersdorf 3 0 10 0 3 9 Spandau 6 9 14 8 6 11 Steglitz-Zehlendorf 8 3 34 3 3 38 Tempelhof-Schöneberg 8 2 11 6 2 16 Neukölln 7 4 36 5 5 36 Treptow-Köpenick 1 9 24 1 7 23 Marzahn-Hellersdorf 60 3 59 36 14 17 Lichtenberg 0 2 180 0 0 142 Reinickendorf 20 4 24 11 4 23 Sonstige 3 0 5 12 0 0 Gesamt 205 38 621 148 53 529 * Für 2011 sind keine abschließenden Angaben möglich, weil die Erhebung der Daten für Maßnahmen der Jugendberufshilfe noch nicht vollständig abgeschlossen ist. ** Inklusive der Berufsausbildung mit kooperativer Finanzierung Bezirk