Drucksache 17 / 10 209 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Christopher Lauer (PIRATEN) vom 11. Februar 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 14. Februar 2012) und Antwort Kameraüberwachung im öffentlichen Raum Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Mit „öffentlichen Raum bzw. Bereich“ wird der Teil einer Gemeindefläche, oder einer Körperschaft des öffentlichen Rechts verstanden, der der Öffentlichkeit frei zugänglich ist. Im Allgemeinen fallen hierunter öffentliche Verkehrsflächen für Fußgänger, Fahrrad- und Kraftfahrzeugverkehr, aber auch Parkanlagen und Platzanlagen , die dem öffentlichen Verkehr gewidmet sind. Diese Auslegung lehnt sich an § 2 Abs. 1 Berliner Straßengesetz (BerlStrG) an. U-Bahn und S-Bahn-Bahnhöfe sind nicht Bestandteile , da sie durch eine Hausordnung reglementiert werden . 1. Wie viele Überwachungskameras überwachen im Land Berlin den öffentlichen Raum? Wie viele davon werden von öffentlichen Stellen betrieben? Auf die Aufzeichnungen der Aufnahmen wie vieler Überwachungskameras können die Polizei oder andere Behörden zugreifen ? Zu 1.: Im Rahmen der Geschwindigkeits- und/ oder Rotlichtüberwachung werden im Land Berlin folgende Überwachungskameras durch die Polizei Berlin eingesetzt : ƒ 22 mobile Verkehrsradargeräte zur Geschwindig- keitsüberwachung ƒ 21 mobile Videofahrzeuge ProViDa 2000 modular zur Geschwindigkeitsüberwachung durch Nachfahren ƒ 1 analoges LeivTec XV 2 mit Hi8- Videounterstüzung zu Geschwindigkeitsüberwachung ƒ 22 Standorte zur Rotlicht- und/oder Geschwindigkeitsüberwachung (sog. stationäre „Blitzer“). Weitere anlassunabhängige Überwachungskameras werden durch die Polizei Berlin nicht betrieben. Die Polizei Berlin hat darüber hinaus nur unter den Voraussetzungen der gesetzlichen Sicherstellungs- und Beschlagnahmevorschriften der Strafprozessordnung (StPO) und des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes Berlin (ASOG Berlin) oder bei freiwilliger Herausgabe Zugriff auf die Aufzeichnungen anderer Betreiber . 2. Welche Kosten in Anschaffung und Wartung entstehen dem Land Berlin dadurch? Zu 2.: Für die zur Geschwindigkeits- und / oder Rot- lichtüberwachung eingesetzten Kameras sind folgende durchschnittliche Netto-Beschaffungskosten (zzgl. Mehrwertsteuer ) zu veranschlagen: ƒ je mobilem Verkehrsradargerät zw. 45.000 u. 54.000 € (zzgl. Kosten für das Trägerfahrzeug in Höhe von ca. 27.500 €), ƒ je ProViDa-Anlage ca. 16.500 € (zzgl. Kosten für das Trägerfahrzeug 42.000 €), ƒ je LeivTec XV2 Messsystem ca. 24.000 €, ƒ je Standort zur stationären Rotlicht- und / oder Ge- schwindigkeitsüberwachung zw. 70.000 und 110.000 €. Für den Unterhalt (Wartung, Reparatur) der Über- wachungssysteme werden jährlich durchschnittlich folgende Kosten veranschlagt: ƒ je mobilen Verkehrsradar- bzw. Videofahrzeug ca. 4.500 € ƒ LeivTec XV 2 ca. 500 € ƒ je stationären Standort zur Rotlicht- und / oder Ge- schwindigkeitsüberwachung ca. 8.000 €. 3. Wie viele Polizisten könnte das Land Berlin für diese Summe beschäftigen? Zu 3.: Eine seriöse Berechnung ist nicht möglich, da die Personalkosten je nach Einsatz von Angestellten (Tarifgruppen) und Vollzugsbeamten/-innen (Besoldungsgruppen ) variieren. Hierzu siehe auch die Beantwortung der Frage 16. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 209 4. Welche Firmen wurden/werden zur Installation /Wartung der Kameras beauftragt? Zu 4.: Verkehrsüberwachungskameras werden durch die Physikalisch Technische Bundesanstalt (PTB) zur amtlichen Verkehrsüberwachung zugelassen. Ein Eingriff in die Hard- oder Software der Überwachungssysteme hat direkten Einfluss auf die Zulassung bzw. Eichfähigkeit der Anlagen. Vor diesem Hintergrund kann die Installation / Wartung nur durch die Geräte- bzw. Anlagenhersteller oder durch von ihnen autorisierte Vertragsfirmen erfolgen. Die Polizei Berlin setzt von folgenden Herstellern Überwachungstechnik ein: ƒ JENOPTIK Robot GmbH ƒ Vitronic GmbH ƒ eso GmbH ƒ TERNICA Handel, Sten Norre ƒ LEIVTEC Verkehrstechnik GmbH ƒ VDS Verkehrstechnik GmbH ƒ Siemens-JACKNAU, Siemens AG 5. Wer wertet die Aufzeichnungen mit wie viel Personal aus und welche Kosten entstehen hierdurch? Zu 5.: Die Auswertung der Aufzeichnungen der Ver- kehrsüberwachungskameras erfolgt durch die Bußgeldstelle (ZSE V B). Die Auswertung der bilddokumentierten Vorgänge aus der Geschwindigkeits- und Rotlichtüberwachung erfolgt derzeit von 16 Mitarbeiter/innen in der Entgeltgruppe 6 (Personalkostensatz KLR 2012 = 47.110 €) sowie durch eine 1. Sachbearbeiterin in der Besoldungsgruppe A 9 S (Personalkostensatz KLR 2012 = 52.370€). Weitere statistische Angaben zu Verwaltungskosten und Sachkosten werden bei der Polizei nicht erhoben. 6. Inwiefern ist dieses Personal im Bereich Daten- schutz und Persönlichkeitsrecht besonders qualifiziert/geschult ? Zu 6.: Die polizeiliche Auswertung und Verwendung der Aufzeichnungen der Verkehrsüberwachungskameras erfolgt ausschließlich im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben . Spezielle Regelungen zum Datenschutz und zum Persönlichkeitsrecht finden sich in der Geschäftsanweisung zum Bußgeldverfahren und sind mit dem Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit abgestimmt worden. Die Mitarbeiter/-innen sind entsprechend geschult. 7. Gibt es Bestrebungen Berlins, die Auswertung von Überwachungsaufnahmen zu automatisieren? Zu 7.: Derartige Bestrebungen sind hier nicht bekannt. 8. Wie viele Straftaten konnten durch die Über- wachungskameras verhindert werden? Zu 8.: Hierzu liegen naturgemäß keine Daten vor. 9. Wie viele Straftaten konnten nur durch die Auf- nahme einer Überwachungskamera aufgeklärt werden? (Antwort bitte nach Deliktsarten untergliedern) Zu 9.: Diese Daten werden statistisch von der Polizei nicht erhoben. 10. Wie viele durch Kameras aufgezeichnete Straf- taten konnten nicht aufgeklärt werden? (Antwort bitte nach Deliktsarten untergliedern) Zu 10.: Erhebungen / Auswertungen hierzu werden nicht durchgeführt. 11. Geschieht die Übermittlung von Kameraauf- nahmen an die Presse bewusst oder handelt es sich hierbei um Leaks? Zu 11.: Die Übermittlung von Fotos an die Öffentlichkeit erfolgt ausschließlich auf der Grundlage der StPO und des ASOG Berlin für die Zwecke der Strafverfolgung (z.B. Fahndung nach unbekannten Tatverdächtigen , entflohenen Straftätern) oder der Gefahrenabwehr (z.B. in Vermisstenangelegenheiten). 12. Auf was für einem Medium werden die durch Kameraaufnahmen gewonnenen Dateien gespeichert und wie lange? Wie erfolgt die Löschung dieser Aufnahmen? Wie wird die ordnungsgemäße Löschung sichergestellt? Wer überprüft die Löschung? Zu 12.: Nach dem Auslesen der Daten am Messsystem werden diese auf eine DVD oder CD-ROM gebrannt und auf polizeiinternem Weg der Bußgeldstelle zur Auswertung übergeben. Die Datenträger werden dort nach der Auswertung für drei Jahre eingelagert und danach nach Jahrgängen vernichtet. 13. Inwiefern schlägt sich der Einsatz von Über- wachungskameras in der Polizeilichen Kriminalstatistik nieder? Zu 13.: Da die nach bundesweit verbindlichen Vor- gaben zu erstellende Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) kein Kriterium „Einsatz von Überwachungskameras“ enthält , schlägt sich der Einsatz von Überwachungskameras in der PKS nicht nieder. 14. Lässt sich belastbar ein kausaler Zusammenhang zwischen Anstieg oder Senkung der Kriminalitätsrate und Kameraüberwachung herstellen? Zu 14.: Nein. 2 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 209 3 15. Welche Anschaffungen im Bereich Kameraüberwachung plant Berlin bis 2020? Zu 15.: Analoge Verkehrsüberwachungskameras (5 mobile Geschwindigkeitsmessgeräte, 13 stationäre Rotlichtüberwachungsanlagen ) werden sukzessive durch digitale Technik ersetzt. Eine Bestandserweiterung ist zurzeit nicht geplant. 16. Hält es die Senatsverwaltung für Inneres und Sport für sinnvoll, komplett auf Kameraüberwachung zu verzichten und dafür mehr Polizisten einzustellen? Zu 16.: Eine gezielte und kontinuierlich betriebene Verkehrsüberwachung - sowohl im mobilen Einsatz als auch im stationären Betrieb durch automatische Verkehrsüberwachungskameras - ist für die Verkehrssicherheit unerlässlich. Der Betrieb von stationären Verkehrsüberwachungskameras zur Rotlicht- und/oder Geschwindigkeitsüberwachung an ausgesuchten unfallbelasteten Standorten ist eine notwendige und personalsparende Ergänzung der mobilen Verkehrsüberwachung. 17. Welche Möglichkeit haben Opfer von z.B. Po- lizeigewalt an Aufnahmen der Kameraüberwachung zu kommen? Zu 17.: Videoüberwachungsmaßnahmen durch Private sind deutlich kenntlich zu machen. Der Betreiber der Videoüberwachung ist dabei anzugeben. Ein Interessent könnte sich die ihn betreffende Videosequenz mit einem schädigenden Ereignis von dem Betreiber geben lassen. Ferner kann sich jedes Opfer einer Straftat durch eine(n) Rechtsanwältin / Rechtsanwalt vertreten lassen, durch sie / ihn Akteneinsicht beantragen und dabei die Beweismittel in Augenschein nehmen. Die Opferrechte sind den §§ 403 ff StPO zu entnehmen. 18. Sind Fälle von missbräuchlicher Verwendung der Aufzeichnungen bekannt? Wenn ja, wird hierüber eine Statistik geführt? Zu 18.: Derartige Erkenntnisse liegen der Polizei Berlin nicht vor, statistische Erhebungen hierzu werden nicht durchgeführt. 19. Ist der Senatsverwaltung für Inneres und Sport eine Untersuchung der britischen Liberaldemokraten aus dem Jahr 2007 bekannt, wonach Kameraüberwachung in London keinen Effekt auf Verbrechensbekämpfung hat? Wenn ja: Welche Konsequenzen zog das Land Berlin hieraus bzw. wird sie noch ziehen? Zu 19.: Die wesentlichen Aussagen der Untersuchung sind hier bekannt. Eine mit London vergleichbare Kameraüberwachung gibt es in Berlin nicht. . 20. Lässt sich ein positiver Effekt der Videoüberwachung für die Sicherheit im Vergleich zu Städten/Ortschaften ohne Videoüberwachung belegen? Zu 20.: Siehe Antwort zu Frage 19. 21. Gibt es Erfahrungen mit Techniken zur auto- matischen Gesichtserkennung? Wird diese Technik bereits eingesetzt oder ist ein Einsatz dieser Technik geplant ? Zu 21.: Ja. Zur Identifizierung von unbekannten Tätern auf Tataufnahmen wird eine Technik benutzt, die das Bundeskriminalamt zur Verfügung stellt. Berlin, den 21. März 2012 Frank Henkel Senator für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 10. April 2012)