Drucksache 17 / 10 215 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage der Abgeordneten Monika Thamm (CDU) vom 16. Februar 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 17. Februar 2012) und Antwort Einnahmeverzicht gemäß § 59 LHO Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie hoch sind die niedergeschlagenen Forde- rungen aus Steuerschulden in den Jahren 2009, 2010 und 2011 insgesamt? zu 1. Die Berliner Finanzämter schlagen Steuer- forderungen auf der Grundlage des § 261 Abgabenordnung (AO) nieder. Die Höhe der in den Jahren 2009 - 2011 niedergeschlagenen Besitz-, Verkehrs- und Gemeindesteuern gliedert sich wie folgt auf: 2009 2010 2011 Betrag in TEUR 329.415 363.509 520.965 2. Wie verteilen sich diese nach Niederschla- gungsarten und Verwaltungsbereichen und in welcher Höhe? zu 2. Niederschlagungen zu Frage 1. betreffen nur Steuerforderungen. Die Niederschlagung nichtsteuerlicher , öffentlich-rechtlicher Forderungen nach § 59 Landeshaushaltsordnung (LHO) erfolgt nicht durch die Finanzämter, sondern durch den jeweils zuständigen Verwaltungsbereich. 3. In welchem Umfang sind per 31. Dezember 2011 Forderungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz aufgelaufen , und wie und durch wen werden diese Ansprüche verwaltungsseitig verfolgt? zu 3. 2011 waren Einnahmen aus Ersatzleistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG) in Höhe von rund 8,1 Mio. € in Kapitel 1000 / Titel 28131 sowie gezahlte UVG-Leistungen in Höhe von rund 62,3 Mio. € in Kapitel 1000 / Titel 68109 zu verzeichnen. Daraus ergibt sich eine Rückholquote von ca. 13 %, die damit im Schnitt der letzten fünf Jahre liegt. Welcher Anteil der gezahlten Unterhaltsleistungen tatsächlich Vorschüsse, die als Forderungen gegenüber den Unterhaltspflichtigen geltend gemacht werden, oder reine Ausfallleistungen sind, ist nicht sofort bzw. teilweise erst nach Jahren erkennbar. Aus ursprünglich als Unterhaltsvorschüsse begonnene Unterhaltsleistungen können vollständig oder zum Teil Ausfallleistungen werden. Der Wechsel tritt ein, wenn die Unterhaltsleistungen voll oder zum Teil auf Dauer nicht als Vorschüsse, sondern als Ausfallleistungen gezahlt werden, weil der dem Grunde nach Unterhaltspflichtige zwischenzeitlich nachweislich dauerhaft leistungsunfähig geworden ist, so dass damit auch seine Verpflichtung zur Unterhaltsleistung auf 0 sinkt. Hinzu kommen die Fälle, in denen der Schuldner oder die Schuldnerin zwar (weiterhin) zur Unterhaltsleistung verpflichtet, aber tatsächlich nicht leistungsfähig ist. Die Klärung, ob es sich um eine Vorschuss- oder Ausfallleistung gehandelt hat, ist häufig nicht möglich, wenn familienferne Elternteile es auf Grund ihrer hoffnungslosen wirtschaftlichen Situation unterlassen, ihre Einkommensverhältnisse darzulegen oder sich gegen die Geltendmachung angeblich übergegangener Forderungen zu wehren. Die Ansprüche werden durch die Unterhaltsvor- schussstellen der bezirklichen Jugendämter verfolgt oder, sofern das Kind durch einen Beistand vertreten wird und der Anspruch zu gemeinsamen Geltendmachung mit weiteren Unterhaltsansprüchen gemäß § 7 Abs. 4 UVG zurück übertragen worden ist, durch die Beistände. Da es sich um Unterhaltsansprüche handelt, werden sie auf zivilrechtlichem Weg verfolgt. Mit der 2005 erfolgten Ergänzung des Gesetzes über das Verfahren der Berliner Verwaltung wurde zudem die Möglichkeit des öffentlichrechtlichen Vollstreckungsweges eröffnet. 4. In welchem Umfang wurden in den Jahren 2010 und 2011 Forderungen, die nach dem Unterhaltsvorschussgesetz auf Berlin übergingen, niedergeschlagen? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 215 zu 4. Bei der Niederschlagung handelt es sich immer um eine Entscheidung im Einzelfall. Der Gesamtumfang von Niederschlagungen der nach § 7 UVG auf das Land übergegangenen Ansprüche wird nicht erhoben. Die Unterhaltsvorschussstellen verzichten durch Niederschlagungen nach § 59 Abs. 1 Nr. 2 LHO nicht auf Einnahmen , wie die Überschrift der Kleinen Anfrage vermuten lässt. Eine Niederschlagung erfolgt, wenn die Einziehung des Anspruchs entweder voraussichtlich keinen Erfolg haben wird oder die Kosten der Einziehung gegenüber der Höhe des Anspruchs unverhältnismäßig sind. Die Niederschlagung ist eine nicht nach außen wirkende verwaltungsinterne Maßnahme, durch die die Weiterverfolgung des Anspruchs ruht. Die Verfolgung des Anspruchs wird wieder aufgenommen, sobald sich Anhaltspunkte für seine voraussichtlich erfolgreiche Durchsetzung ergeben oder die Verjährung des Anspruchs droht. Folglich werden die Ansprüche regelmäßig befristet niedergeschlagen. Für das Ruhen des Anspruchs mit anschließender Weiterverfolgung wird beispielhaft darauf hingewiesen, dass die UV-Stellen gehalten sind, Ersuchen an die Finanzämter zu stellen, um mit Auszahlungsansprüchen des Unterhaltsschuldners oder der Unterhaltsschuldnerin (z. B. aus Steuererstattungen) mit den übergegangenen Ansprüchen aufzurechnen. Bis zum Zeitpunkt der Aufrechnung , die teilweise erst Jahre später zum Erfolg führen kann, kann der Anspruch durch Niederschlagung ruhend gestellt werden. 5. Wo werden befristet und unbefristet nieder- geschlagene Forderungen im Berliner Rechnungswesen (Haushalts-, Vermögensrechnung; Kosten- und Leistungsrechnung ) erfasst, mit welchen Beträgen werden sie bewertet und entspricht dies dem vollen Wert im Sinne von § 63 LHO? zu 5. Gemäß § 34 Abs. 1 LHO sind Einnahmen voll- ständig zu erheben. Ansprüche dürfen nach § 59 Abs 1 Nr. 2 LHO nur niedergeschlagen werden, wenn feststeht, dass die Einziehung keinen Erfolg haben wird oder wenn die Kosten der Einziehung außer Verhältnis zur Höhe des Anspruchs stehen. Hier kommen die befristete Niederschlagung aufgrund vorübergehender Erfolglosigkeit [Nr. 2.3 Ausführungsvorschriften (AV) § 59 LHO] oder die unbefristete Niederschlagung aufgrund anzunehmender dauerhafter Erfolglosigkeit (Nr. 2.4 AV § 59 LHO) in Betracht. Der Anspruch an sich erlischt durch diese verwaltungsinternen Maßnahmen nicht und kann später ggf. weiterverfolgt werden (Nr.2.2 AV § 59 LHO). Diesen haushaltsrechtlichen Grundsätzen folgend werden Forderungen in der Haushaltsdurchführung in voller Höhe erfasst und zum Soll gestellt. Können zu diesen Sollstellungen keine Ist-Einnahmen verzeichnet werden, erfolgen entsprechende Mahn- und Vollstreckungsmaßnahmen . Bleiben Einziehungsmaßnahmen letztlich erfolglos und wird nach entsprechender Prüfung und Bewertung unbefristet niedergeschlagen, ist die Forderung im Soll auszubuchen. Unabhängig von dem systemseitigen Abgang bleiben die offenen Forderungen rechtlich bestehen. Per Stichtag 31.12. sind vermögensseitig offene Forderungen zu erfassen. Hier ist die der Forderungsgrundlage entsprechende Vermögenskennziffer nach fachlicher Gliederung zu bebuchen. Forderungen werden somit im Rahmen der Haushalts- und Vermögensrechnung unter der betreffenden Vermögenskennziffer nach dem aktuellen (Rest)betrag stichtagsbezogen per 31.12. eines Haushaltsjahres ausgewiesen. Die Erfassung im Vermögensbestand von ProFiskal erfolgt dezentral und eigenverantwortlich durch die Organisationseinheiten. In der Kosten- und Leistungsrechnung bzw. Kosten- und Ertragsrechnung werden die tatsächlichen Isteinnahmen als Erträge erfasst und zur Ermittlung des Kostendeckungsgrades den Kosten gegenübergestellt. 6. Welche Möglichkeiten sieht der Senat, Forde- rungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz zu veräußern , insbesondere vor dem Hintergrund, dass diese Forderungen auch nach Einschätzung des Senats privatrechtliche Forderungen sind, die nach § 398 BGB abgetreten werden können und nach der Untersuchung von forsa lediglich 46 % der Schuldner nicht zahlungsfähig sind, während 42 % die Zahlung verweigern? zu 6. Bei der Frage, Forderungen nach dem UVG zu veräußern, ist zu beachten, dass es sich bei Forderungen, die das Land nach Leistung des Unterhaltsvorschusses kraft Gesetzes erwirbt (§ 7 Abs. 1 UVG), ihrem Wesen nach um Unterhaltsforderungen des Kindes gegen den nach Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) barunterhaltspflichtigen Elternteil handelt, somit um Unterhaltsansprüche , die auf gesetzlicher Vorschrift beruhen. Diese sind nach § 850b Abs. 1 Nr. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) unpfändbar. Nach § 400 BGB kann eine Forderung nicht abgetreten werden, soweit sie der Pfändung nicht unterworfen ist. Eine Veräußerung kommt daher aus rechtlichen Gründen nicht in Betracht. Berlin, den 09. März 2012 In Vertretung Klaus Feiler Senatsverwaltung für Finanzen (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 19. Mrz. 2012) 2 In Vertretung