Drucksache 17 / 10 228 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Fabio Reinhardt (PIRATEN) vom 20. Februar 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 21. Februar 2012) und Antwort Geplante Senatsinitiativen zur Stärkung des Diskriminierungsschutzes im Land Berlin? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie ist der Zeitplan des Berliner Senats zum Erlass einer „gesetzlichen Regelung“, „die von Diskriminierung betroffene Menschen wirksamer unterstützt, eine niedrigschwellige und alle Merkmale umfassende Beratungsinfrastruktur gewährleistet und die die Verwaltung nicht nur in ihrer Rolle als Arbeitgeberin, sondern auch als öffentliche Dienstleisterin in die Pflicht nimmt“ (Aussage im Koalitionsvertrag von SPD und CDU für die 17. Legislaturperiode)? Zu 1.: Die vom Fragesteller zitierte Passage aus der Koalitionsvereinbarung hat inhaltsgleich Eingang in die vom Senat vorgelegten und vom Abgeordnetenhaus beschlossenen Richtlinien der Regierungspolitik (Drs. 17/0077) gefunden. Benannt sind die zentralen antidiskriminierungspolitische Zielsetzungen, deren Realisierung der Senat im Rahmen der laufenden Legislaturperiode anstrebt. 2. Wird der im Juli 2011 von der Landesstelle für Gleichbehandlung – gegen Diskriminierung veröffenlichte Entwurf für ein Berliner Antidiskriminierungsgesetz (LADG) Grundlage der „gesetzlichen Regelung“ (siehe Frage 1) sein? Zu 2.: Die Landesstelle für Gleichbehandlung – gegen Diskriminierung hat 2011 eine Expertise mit dem Ziel in Auftrag gegeben, die landesrechtlichen Möglichkeiten zur Verbesserung des Diskriminierungsschutzes auszuloten. Diese Expertise wird in den Prozess der rechtlichen Weiterentwicklung des Diskriminierungsschutzes im Land Berlin einfließen. 3. Welche Maßnahmen umfasst die beabsichtigte „gesetzliche Regelung“ des Senats von Berlin? 4. Plant der Senat eine Stärkung der Verbindlichkeit existierender positiver Maßnahmen sowie eine bessere Verknüpfung dieser und zukünftiger Maßnahmen mit existierenden chancengleichheits- oder teilhabeorientierten Gesetzen wie dem Landes-Gleichstellungsgesetz (LGG), dem Landes-Gleichberechtigungsgesetz (LGBG), dem Partizipations- und Integrationsgesetz (PartIntG) oder der UN-Behindertenrechtskonvention? 5. Wo sieht der Senat von Berlin Defizite im Bereich des Diskriminierungsschutzes, die durch das Bundesgesetz , dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vom August 2006, noch nicht abgedeckt sind? 6. Wird die „gesetzliche Regelung“ dem Sachverhalt der Diskriminierung aufgrund des sozialen Status oder der finanziellen Leistungsfähigkeit Rechnung tragen? 7. Wird die Neuregelung dem Sachverhalt der Diskri- minierung aufgrund der Sprache Rechnung tragen? 9. Wie trägt die „gesetzliche Regelung“ den stän- digen Veränderungen des Sachverhalts der Diskriminierung Rechnung? 10. Befürwortet der Senat die Einführung eines Verbandsklagerechts? Zu 3.-7. und 9.,10.: Des gegebenen Sachzusammen- hangs wegen werden die Fragen zusammengefasst beantwortet . Dem Senat ist es ein wichtiges Anliegen, die Bür- gerinnen und Bürger in Berlin vor Diskriminierung zu schützen. Er befindet sich dabei in engem Austausch mit den im Handlungsfeld der Antidiskriminierungsarbeit aktiven Akteurinnen und Akteuren in Berlin und weiß um die aus fachlicher Sicht zu fordernden Nachbesserungen im Diskriminierungsschutz, u.a. die Bereiche „öffentlichrechtlich organisiertes Bildungswesen“ und „Ämter und Behörden“ betreffend. Dies gilt auch für die Durchsetzungsinstrumente des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG), vor allem hinsichtlich der Fristen, der Beweislast und der unzureichenden Möglichkeit für Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 228 Antidiskriminierungsverbände, Betroffene bei der Geltendmachung ihrer Rechte zu unterstützen. Der Senat sieht in den genannten Punkten einen deutlichen Korrektur - und Handlungsbedarf durch den Bundesge-setzgeber. Soweit Länderzuständigkeiten berührt sind, wird der Senat im Wege einer eigenen Gesetzesinitiative dafür Sorge tragen, dass von Diskriminierung betroffene Menschen wirksamer unterstützt werden. Die Relevanz der bisher im AGG genannten und zu schützenden Merkmale ist unbestritten. Ebenso unbestritten ist aber auch, dass gesellschaftliche (Ausgrenzungs -)Realitäten sich in Intensität und Bezugspunkten verändern und verschieben. Dies gilt insbesondere für das Merkmal „Sozialer Status“, dessen Aufnahme in antidiskriminierungsrechtliche Regelungen in Erwägung zu ziehen ist. Eine explizite Aufnahme des Merkmals „Sprache“ ist vor dem Hintergrund zu prüfen, dass eine sich hierauf gründende Benachteiligung bereits jetzt als mittelbare Diskriminierung aus Gründen der ethnischen Herkunft oder Behinderung (z. B. Gebärdensprache ) verstanden wird. In Forcierung einer auch präventiv wirkenden Antidiskriminierungspolitik möchte der Senat die eigenen Verwaltungsstrukturen verbindlich diversity-orientiert gestalten und Diversity als Querschnittsaufgabe etablieren. Die Aufnahme und Stärkung positiver Maßnahmen im Sinne der Förderung einer Kultur der Wertschätzung von Vielfalt in eine gesetzliche Regelung wird geprüft werden . 8. Nach welchen Kriterien werden die Posten von Senatoren/Senatorinnen, Staatssekretären/ Staatssekretärinnen und Vorstandsposten landeseigener Unternehmen besetzt? Zu 8.: Die Mitglieder des Senats werden nach Artikel 56 Absatz 2 der Verfassung von Berlin von dem/der Regierenden Bürgermeister/in ernannt. Er/sie ist bei der Ernennung weitgehend frei; Staatssekretärinnen und Staatssekretäre werden vom Senat auf Vorschlag des jeweils zuständigen Senatsmitgliedes nach beamtenrechtlichen Vorschriften ernannt. Sie gehören zu den Beamten/innen, die nach § 46 Landesbeamtengesetz in Verbindung mit § 30 Beamtenstatusgesetz bei ihrer Amtsausübung in fortdauernder Übereinstimmung mit den grundsätzlichen politischen Ansichten und Zielen des Senats stehen müssen. Bei der Besetzung von Vorstandsposten landeseigener Unternehmen ist neben der fachlichen Qualifikation und den persönlichen Anforderungen, die als Kriterien für die Auswahl zugrunde gelegt werden, darauf zu achten, dass die beabsichtigte Besetzung einer Position auf Ebene der Geschäftsleitung eines Unternehmens öffentlich bekannt gemacht und das Auswahlverfahren diskriminierungsfrei durchgeführt wird. Zu besetzende Vorstands- und Geschäftsleitungspositionen von Unternehmen in der Rechtsform von Anstalten öffentlichen Rechts und von juristischen Personen des privaten Rechts sowie Personengesellschaften mit Mehrheitsbeteiligung des Landes sind nach § 5 Abs. 3 des Landesgleichstellungsgesetzes (LGG) öffentlich bekannt zu machen, sofern eine Unterrepräsentanz von Frauen besteht. Die Bekanntmachung hat überregional auf der Grundlage eines Anforderungsprofils zu den fachlichen und persönlichen Voraussetzungen für die zu besetzende Position zu erfolgen. Das LGG regelt in §§ 6 und 8 weitere Einzelheiten im Hinblick auf eine Gestaltung von Auswahlverfahren und anschließende Einstellungen, die den Vorgaben des Landesgleichstellungsgesetzes Rechnung trägt. 11. Mit welchen Maßnahmen plant der Senat, Landesantidiskriminierungsstelle sowie Selbsthilfe-strukturen zu stärken und wie sieht der Zeitplan dafür aus? Vorbehaltlich der Verabschiedung des Haushalts- gesetzes beabsichtigt der Senat, erstmalig ein Angebot zu fördern, das für die Merkmalsbereiche „Behinderung“ und „Alter“ Beratung in Diskriminierungsfällen beinhaltet. Hierdurch wird die bestehende Beratungsinfrastruktur mit dem Ziel erweitert, für alle Diskriminierungsmerkmale ausreichend und niedrigschwellig Beratungsangebote zu etablieren. Insgesamt wird die Selbsthilfe- und Beratungsinfrastruktur durch Projektzuwendungen sowie durch die koordinierende und steuernde Netzwerkarbeit der Landesstelle für Gleichbehandlung – gegen Diskriminierung gestärkt. Berlin, den 30. März 2012 Dilek Kolat ____________________ Senatorin für Arbeit, Integration und Frauen (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 5. April 2012) 2