Drucksache 17 / 10 229 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Fabio Reinhardt (PIRATEN) vom 17. Februar 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 21. Februar 2012) und Antwort Syrische Flüchtlinge in Berlin Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. a)Wie viele Personen aus Syrien leben in Berlin? b)Welchen Aufenthaltsstatus haben sie? Zu 1.: a) Laut Ausländerzentralregister (AZR) halten sich derzeit (Stand: 31.01.2012) 2.129 syrische Staatsangehörige in Berlin auf. b) Der überwiegende Teil der in Berlin lebenden syrischen Staatsangehörigen ist im Besitz einer Aufenthalts- bzw. Niederlassungserlaubnis. Nur wenige syrische Staatsangehörige haben aufgrund eines anhängigen Asylverfahrens eine Aufenthaltsgestattung. Zum weiteren Personenkreis verweise ich auf die Antworten zu 2.) und 4.). 2. Wie viele Personen aus Syrien hatten 2010/2011 (Stichtag ist der 31.12. des jeweiligen Jahres) und zum 15.02.2012 eine Duldung, eine Grenztrittüberschreitung, eine Fiktionsbescheinigung? Zu 2.: Laut AZR waren am 31.12.2010 95 syrische Staatsangehörige im Besitz einer Duldung. Zum Stichtag 31.12.2011 wurden 97 Syrer/innen, zum Stichtag 31.01.2012 102 Syrer/innen geduldet. Aktuellere Zahlen liegen nicht vor. Zahlen zu den Inhabern/innen einer Grenzübertrittsbescheinigung und einer Fiktionsbescheinigung sind nicht vorhanden und können auch nicht mit einem vertretbaren Aufwand beschafft werden. 3. Wie viele Personen aus Syrien wurden im Zuständigkeitsbereich des Landes Berlin von den Berliner Flughäfen und anderen Flughäfen in der Bundesrepublik in den Jahren 2010/2011 (Stichtag ist der 31.12. des jeweiligen Jahres) und bis zum 15.02.2012 nach Syrien abgeschoben? Zu 3.: Im Jahr 2010 wurden im Zuständigkeitsbereich der Berliner Ausländerbehörde zwei syrische Staatsangehörige in einen sicheren Drittstaat abgeschoben. Abschiebungen nach Syrien erfolgten weder im Jahr 2010, 2011 noch 2012. 4. a) Wie viele Personen aus Syrien (Zuständigkeit des Landes Berlin) waren in den Jahren 2010/2011 (Stichtag ist der 31.12. des jeweiligen Jahres) ausreisepflichtig ? b) Wie viele waren bis zum 15.02.2012 ausreisepflichtig ? Zu 4.: a) Laut AZR waren am 31.12.2011 118 Personen aus Syrien ausreisepflichtig. Zahlen zum 31.12.2010 können nicht geliefert werden, da das AZR erst seit 2011 die Anzahl der Ausreisepflichtigen gesondert erfasst. b) Zahlen zum Stichtag 15.02.2012 liegen nicht vor. Zum 31.01.2012 waren laut AZR 123 Personen aus Syrien ausreisepflichtig. 5. Wie viele Personen aus Syrien (mit Zuständigkeit des Landes Berlins) waren in den Jahren 2010/2011 (Stichtag ist der 31.12 des jeweiligen Jahres) und bis zum 15.02.2012 in Abschiebungshaft? Zu 5.: Im Jahr 2010 befanden sich zwei syrische Staatsangehörige in Abschiebungshaft. Diese wurden im gleichen Jahr in einen sicheren Drittstaat abgeschoben (siehe Antwort zu 3.). In den Jahren 2011 und 2012 befanden sich keine Syrer/innen in Abschiebungshaft. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10229 6. Wie viele syrische Flüchtlinge erhielten in den Jahren 2010/2011(Stichtag ist der 31.12 des jeweiligen Jahres) und bis zum 15.02.2012 a) Asyl nach § 16a GG? b) einen Flüchtlingsstatus nach der GFK oder subsidären Schutz? Zu 6.: a und b) Das AZR erfasst lediglich die Anzahl der zum jeweiligen Stichtag in Berlin lebenden anerkannten Asylberechtigten bzw. der anerkannten Flüchtlinge. Zum 31.12.2010 waren dies 94 Personen, zum 31.12.2011 95 Personen und zum 31.01.2012 96 Personen. Aktuellere Zahlen liegen hier nicht vor. 7. a) Wie viele Personen aus Syrien haben 2010/2011 (Stichtag ist der 31.12 des jeweiligen Jahres) und bis zum 15.02.2012 bei der Ausländerbehörde Berlin eine Aufenthaltserlaubnis beantragt wegen der Feststellung eines Abschiebeverbots nach § 60 Abs. 2, 3, 5 oder 7 AufenthG? b) Wie viele dieser Anträge wurden bewilligt? Zu 7.: a und b) Die erbetenen Daten werden statistisch nicht erfasst und können mit einem vertretbaren Aufwand auch nicht ermittelt werden. 8. Wie viele syrische Flüchtlinge haben in den Jahren 2010/2011 (Stichtag ist der 31.12 des jeweiligen Jahres) und bis zum 15.02.2012 in Berlin eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz erhalten? Zu 8.: Das AZR erfasst die Anzahl der zum jeweiligen Stichtag in Berlin lebenden syrischen Staatsangehörigen, die im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG sind. Zum 31.12.2010 waren dies 69 Personen, zum 31.12.2011 80 Personen und zum 31.01.2012 79 Personen. 9. Erhalten geduldete syrische Flüchtlinge in Berlin eine unbeschränkte Arbeitserlaubnis wegen der Unmöglichkeit der Ausreise? Zu 9.: Geduldeten syrischen Flüchtlingen kann – wie allen anderen geduldeten Ausländern/innen– nach § 10 der Beschäftigungsverfahrensverordnung – BeschVerfV – die Ausübung einer Beschäftigung erlaubt werden, wenn sie sich seit einem Jahr erlaubt, geduldet oder gestattet im Bundesgebiet aufgehalten haben. Hierfür ist die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit erforderlich. Sofern sich die betroffenen Personen seit vier Jahren in Deutschland ununterbrochen erlaubt, geduldet oder mit einer Aufenthaltsgestattung aufgehalten haben, wird die Erlaubnis für einen unbeschränkten Zugang zu unabhängigen Beschäftigungsverhältnissen erteilt. Aufgrund der politischen Lage in Syrien ist derzeit bei syrischen Flüchtlingen von einem nicht zu vertretenden Abschiebungshindernis im Sinne des § 11 BeschVerfV auszugehen. 10. Wie viele Personen aus Syrien erhalten in Berlin gekürzte Leistungen nach § 1a AsylbLG (bitte getrennt für 2010/2011 und zum 15.02.2012 angeben), weil ihen vorgeworfen wird, das aufenthaltsbeendene Maßnahmen aus von ihnen zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden? Zu 10.: Die Statistik zum Asylbewerber- leistungsgesetz (AsylbLG) weist zum Stichtag 31.12.2010 insgesamt 278 syrische Hilfeempfänger/innen aus, von denen 14 Personen eingeschränkte Leistungen nach § 1a AsylbLG erhalten haben. Zum 31.10.2011 waren 316 syrische Hilfebedürftige erfasst, von denen 14 der Leistungseinschränkung unterlagen. Neuere Zahlen liegen dem Senat hierzu nicht vor und könnten auch nicht mit vertretbarem Aufwand ermittelt werden. Auch gibt die Statistik keine Auskunft darüber, welcher der beiden gesetzlich definierten Ausschlusstatbestände zu der Leistungseinschränkung geführt hat. 11. a) Hat der Senat – wie das Land Brandenburg – einen Abschiebestopp für syrische Flüchtlinge in Berlin verfügt? b) Wenn nein, warum nicht? Zu 11: a) Nein. b) Vor dem Hintergrund der Lageentwicklung in Syrien wurde die Berliner Ausländerbehörde bereits vor mehreren Monaten angewiesen, von Abschiebungen nach Syrien vorläufig abzusehen und den Betroffenen eine Duldung für drei Monate zu erteilen. Diese Verfahrensweise gilt nach wie vor. Aktuell wird im Kreise der Innenminister – wie auch in der für Bund und Länder verbindlichen allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz vorgesehen - ein gemeinsames und einheitliches Vorgehen von Bund und Ländern in der Frage der Anordnung eines förmlichen Abschiebungsstopps nach § 60 a Aufenthaltsgesetz abgestimmt. In diesem Zusammenhang wird der Senat aufgrund der Zuspitzung der politischen Lage in Syrien die Anordnung eines bundesweiten Abschiebungstopps unterstützen und sodann - entsprechend dem sich derzeit in der Abstimmung befindenden Beschlussvorschlag - einen Abschiebungsstopp anordnen. 12. a) Wird sich der Berliner Senat für die Aufkündigung des deutsch-syrischen Rückabnahmeaufkommes einsetzen? b) Wenn ja, mit welcher Begründung? c) Wenn nein, mit welcher Begründung? Zu 12.: a) Nein. c) Das deutsch-syrische Rückübernahmeabkommen regelt die Rückführung von illegal im Bundesgebiet aufhältigen Personen und ist bei der Durchführung einer 2 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10229 3 konkreten Rückführungsmaßnahme sehr hilfreich. Es besteht keine Veranlassung, das Rückübernahmeabkommen aufzukündigen, denn unabhängig vom Bestehen eines Rückübernahmeabkommens wird immer geprüft, ob eine Rückführung in den Herkunftsstaat aufgrund einer aktuellen Lage überhaupt in Betracht kommt. Mit Blick auf die derzeitige politische Situation in Syrien wurde sichergestellt, dass Rückführungen nach Syrien bis auf Weiteres nicht erfolgen. Wenn sich die Menschenrechtssituation in Syrien wieder stabilisiert hat, wird es nützlich sein, das bestehende Abkommen wieder anzuwenden, ohne über ein neues Abkommen verhandeln zu müssen. 13. Was unternimmt der Berliner Senat, um Personen aus Syrien, die sich an politischen Demonstrationen und Kundgebungen beteiligen, vor Überwachungen und Übergriffen durch GeheindienstmitarbeiterInnen des Assad-Regimes zu schützem? Zu 13.: Teilnehmer/innen von Demonstrationen und Kundgebungen werden grundsätzlich durch die Polizei Berlin geschützt. Dies gilt auch für syrische Flüchtlinge oder syrische Oppositionelle, die sich an Versammlungen beteiligen. Gleichwohl ist die Teilnahme an einer Kundgebung öffentlich und damit für Jedermann feststell- und beobachtbar. Ein Schutz vor Überwachung während der Teilnahme an einer öffentlichen Veranstaltung ist daher nicht möglich. Die Koordination und Auswertung von Spionage- aktivitäten fremder Nachrichtendienste erfolgt beim Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV). Laut Jahresbericht 2010 des BfV überwachen die syrischen Nachrichtendienste im In- und Ausland oppositionelle Gruppierungen und Einzelpersonen, in denen sie eine Gefahr für das Regime sehen. Hierzu zählen islamistische und kurdische Gruppierungen, aber auch Regimekritiker und Menschenrechtsaktivisten. Für ihre Aktivitäten unterhalten sie eine Legal- residentur an der Syrischen Botschaft in Berlin. Bei der Werbung neuer Agenten/innen und zur Einschüchterung von Regimegegnern/innen schrecken sie nicht vor Repressalien gegen Betroffene oder deren im Heimatland lebende Angehörige zurück. In Deutschland lebende Angehörige von Zielpersonen müssen im Einzelfall bei einem Besuch in Syrien mit Festnahmen, Verhören und Misshandlungen rechnen, die nicht selten in einen Anwerbungsversuch münden. Sobald der Polizei Berlin Erkenntnisse vom straf- rechtlich relevanten Tätigwerden ausländischer Nachrichtendienste in Berlin vorliegen, wird ein entsprechendes Ermittlungsverfahren eingeleitet. Bei Erkenntnissen zu konkreten Gefährdungen einzelner Personen werden alle erforderlichen Schutzmaßnahmen durchgeführt. 14. Werden Personen aus Syrien gegenwärtig von der Berliner Ausländerbehörde aufgefordert, bei der syrischen Botschaft zur Ausstellung von Reisedokumenten vorzusprechen ? Zu 14.: Nein. Berlin, den 14. März 2012 Frank Henkel Senator für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 17. April 2012)