Drucksache 17 / 10 235 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage der Abgeordneten Katrin Vogel und Roman Simon (CDU) vom 20. Februar 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 22. Februar 2012) und Antwort Kinderschutz in Berlin stärken und ausbauen Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Welche Qualität und welche Strukturdichte hat das Netzwerk Kinderschutz in Berlin nach Einschätzung des Senats in den letzten Jahren erreicht? Wo sieht der Senat Ausbaupotentiale und wo sind dringend Änderungen notwendig? Zu 1.: Mit dem „Konzept für ein Netzwerk Kinder- schutz“ hat der Berliner Senat umfangreiche integrierte Maßnahmen gemeinsam mit den Bezirken, freien Trägern und anderen Beteiligten auf den Weg gebracht und umgesetzt . Das betrifft sowohl Prävention, Beratung, Früherkennung wie auch Krisenintervention und rechtzeitige Hilfegewährung. Dazu wurden verbindliche Strukturen aufgebaut, berlineinheitliche Verfahren implementiert und verbindliche fachliche Standards der Zusammenarbeit im „Netzwerk Kinderschutz“, insbesondere zwischen der Kinderund Jugendhilfe und dem Gesundheitswesen, festgelegt. Nach vorliegenden Ergebnissen haben sich in allen Bezirken Netzwerkstrukturen entwickelt, mit dem Ziel, das Optimum zum Schutz der Kinder zu erreichen. Entsprechend dem flexiblen Ansatz, der dem „Konzept für ein Netzwerk Kinderschutz“ zugrunde liegt, erfolgen Veränderungen und Weiterentwicklungen soweit erforderlich. In den nächsten Jahren sieht der Senat einen Ausbau insbesondere bei der: • Weiterentwicklung des präventiven Kinderschutzes , vor allem durch den Aufbau von Familienzentren , • Weiterentwicklung des Modellprojektes „Aufsuchende Elternhilfe“ durch Erprobung des Einsatzes von Sozialpädagogen/innen und Familienhebammen im Tandem, • Begleitung und Umsetzung der Landesaufgaben im Rahmen der „Bundesinitiative Frühe Hilfen“, • Qualifizierung und Ausbau der Hotline-Kinderschutz mit einem migrationssensiblen, mehrsprachigen Beratungsangebot. 2. Wie will der Senat die Frühen Hilfen weiterentwickeln und wie will er insbesondere gemäß Bundeskinderschutzgesetz verstärkt Familienhebammen einbinden ? Zu 2.: Frühe Hilfen für (werdende) Eltern und Kinder verfolgen das Ziel, Elternkompetenzen von Anfang an zu stärken, um die Entwicklungsmöglichkeiten von Kindern bestmöglich zu fördern, Risiken für ihr Wohl möglichst frühzeitig wahrzunehmen und Gefährdungen abzuwenden . Die Vernetzung und Kooperation von Institutionen und Angeboten aus den Bereichen der Schwangerschaftsberatung , des Gesundheitswesens, der interdisziplinären Frühförderung, der Kinder- und Jugendhilfe und weiterer sozialer Dienste sind dafür eine unerlässliche Voraussetzung . Der Senat wird in Umsetzung der neuen Anforderungen , die sich aus dem Bundeskinderschutzgesetz ergeben, diese Vernetzung weiter ausbauen und qualifizieren . Das schließt auch den Einsatz von Familienhebammen ein, der in den kommenden vier Jahren modellhaft im Rahmen der Bundesinitiative „Frühe Hilfen“ erprobt wird. Die Ausgestaltung der Bundesinitiative wird zurzeit zwischen Bund und Ländern verhandelt. Es bleibt abzuwarten , unter welchen Bedingungen und Auflagen Bundesmittel zur Weiterentwicklung „Früher Hilfen“ eingesetzt werden können. 3. Wie werden entsprechend § 2 des Bundeskinder- schutzgesetzes insbesondere jungen Eltern Informationsund Unterstützungsangebote angeboten und welchen Stellenwert nimmt dabei die aufsuchende Elternarbeit ein? Zu 3.: Berlin verfügt über vielfältige Informations- und Unterstützungsangebote und Leistungen für junge Eltern zur Vorbereitung auf die Geburt des Kindes/die Elternschaft und zur Förderung der Entwicklung des Kindes, die den Anforderungen des § 2 Bundeskinderschutzgesetz entsprechen. Die Angebote reichen von Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 235 Veranstaltungen zur Geburtsvorbereitung der Schwangerschaftsberatungsstellen , über den „Willkommensbesuch bzw. –kontakt“ durch den Kinder- und Jugendgesundheitsdienst der Gesundheitsämter, Angebote der Familienbildung nach § 16 SGB VIII wie beispielsweise „ElternKind -Gruppen“, Gesprächskreise und „Krabbelgruppen“ in Familienzentren und Nachbarschaftseinrichtungen bis hin zu den „Elternbriefen“ des Arbeitskreis Neue Erziehung (ANE). Das Modellprojekt „Aufsuchende Elternhilfe“ ist ein wichtiger Teil dieses Spektrums. Es versteht sich als präventives Hilfeangebot an der Schnittstelle zwischen Jugendhilfe und Gesundheit. Es richtet sich insbesondere an die Zielgruppe der werdenden Eltern, die aus Mangel an Erfahrungen, Kenntnissen oder Motivation bzw. aus Überforderung nicht in der Lage sind, sich die notwendige Unterstützung zu organisieren. Die Erfahrungen haben gezeigt, dass es gelingen kann, auf werdende Mütter und Väter in belastenden Lebenssituationen frühzeitig und niedrigschwellig zuzugehen und sie wirksam durch aktive Netzwerkarbeit zu stärken. Aufbauend auf den positiven Erfahrungen des Modellprojektes ist in der weiteren Modellphase 2012/13 der Einsatz des Tandems Sozialpädagoge/in/Familienhebamme vorgesehen. Ziel ist die Überführung in ein Regelangebot im Hilfespektrum der Jugendhilfe nach § 16 SGB VIII. 4. Wie wird in Berlin die Beratung gefährdeter Kinder und Jugendlicher ohne Kenntnis der Personensorgeberechtigten umgesetzt und welche Erfahrungen gibt es dabei? Zu 4.: Nach den bisherigen Regelungen des SGB VIII hatten Kinder und Jugendliche in einer Not- und Konfliktlage bereits die Möglichkeit, ohne Kenntnis der Eltern beraten zu werden, wenn durch die Mitteilung an die Personensorgeberechtigten der Beratungszweck vereitelt würde. Mit der Novellierung des SGB VIII ist dieser Beratungsanspruch in § 8 Abs. 3 als Rechtsanspruch formuliert worden. In Berlin stehen Kindern und Jugendlichen niedrig- schwellige und vertrauliche Beratungsangebote zur Verfügung , an die sie sich bei der Suche nach Unterstützung wenden können. Diese Angebote werden von Kindern in Krisensituationen, auch in Form von Online-Beratung gut angenommen. 5. Wo steht das Land Berlin bei der Verwirklichung einheitlicher Standards bei der Betreuung gefährdeter Familien? Zu 5.: Berlin hat mit der Umsetzung des „Konzept für ein Netzwerk Kinderschutz“ und des „Berliner Gesetz zum Schutz und Wohl des Kindes“ (Kinderschutz-Gesetz) vielfältige Maßnahmen zur Verbesserung des Kinderschutzes ergriffen sowie verbindliche Strukturen in der Zusammenarbeit im „Netzwerk Kinderschutz“, insbe- sondere zwischen der Kinder- und Jugendhilfe und dem Gesundheitswesen aufgebaut. Darin eingeschlossen ist die Festlegung von verbindlichen Verfahren und fachlichen Standards bei der Betreuung gefährdeter Familien, die berlinweit angewendet werden. 6. Wie viele Kinderschutzfälle kommen durch- schnittlich auf eine Mitarbeiterin/einen Mitarbeiter eines Berliner Jugendamtes, die im Bereich Kinderschutz tätig sind und wie sieht dieses Verhältnis bei den Mitarbeitern freier Träger aus? 7. Wie bewertet der Senat das Verhältnis Mit- arbeiter/Fälle in Bezug auf die Einhaltung von Standards und Aufgabenbewältigung? Was müsste ggf. geändert werden? Zu 6. und 7.: Angaben über die durchschnittliche An- zahl der Kinderschutzfälle, die von Mitarbeitern/innen der Jugendämter und der freien Träger bearbeitet werden sowie zum Verhältnis Mitarbeiter/in/Fälle in Bezug auf die Einhaltung von Standards und Aufgabenbewältigung liegen dem Senat nicht vor, so dass hierzu keine Aussagen getroffen werden können. 8. Wie wurde die Zusammenarbeit zwischen den Jugend- und Gesundheitsämtern verbessert? Denkt der Senat ggf. darüber nach, die zurzeit geltenden Ausführungsvorschriften zu überarbeiten? Wenn ja, was soll inhaltlich geändert werden? Zu 8.: Die Zusammenarbeit zwischen den Berliner Jugend- und Gesundheitsämtern wurde insbesondere dadurch verbessert, dass die jeweiligen Bereiche sich dahin gehend geeinigt haben, den Kinderschutz gemeinschaftlich zu bewältigen. Kinderschutz ist damit ein Ressort übergreifendes Anliegen geworden. Dies wird etwa durch Schaffung einer gemeinsamen Ausführungsvorschrift (AV) zum Kinderschutz sowie den Abschluss von Kooperationsvereinbarungen zum Kinderschutz zwischen allen Jugend- und Gesundheitsämtern deutlich. Mit Inkrafttreten des Berliner Gesetzes zum Schutz und Wohl des Kindes (BKischG) wurden die Aufgaben der Jugendund der Gesundheitsämter in Bezug auf Verantwortlichkeiten für die Netzwerkarbeit zum Kinderschutz im Bezirk und die Zuständigkeiten für Kooperationen konkretisiert (Artikel I Dritter Teil). Eine entsprechende Anpassung/Aktualisierung der gemeinsamen AV Kinderschutz wird durch die beiden zuständigen Senatsverwaltungen derzeit vorgenommen. Die Regelungen und neuen Bestimmungen aus dem BKischG (insbesondere die erweiterte Aufgabe der Jugendämter für Netzwerkarbeit und die Beratungsverpflichtung gegenüber Dritten) werden dabei mit beachtet. Zudem sind die Jugend- und Gesundheitsämter im Rahmen der Novellierung der gemeinsamen Ausführungsvorschriften zum Kinderschutz bestrebt, einen gemeinsamen Schutzauftrag zu normieren. Die Jugend- und Gesundheitsämter wollen ihre Handlungskompetenzen zu einer in sich geschlossenen, lückenlosen Reaktionskette („Hinschauen, Wahrnehmen, Bewerten und Handeln“) 2 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 235 zusammenführen und im Sinne einer Verantwortungsgemeinschaft im Rahmen ihrer Aufgaben und der bestehenden Gesetze darauf hinwirken, die Rechte der Kinder verwirklichen zu helfen. Grundlage für die Zusammenarbeit zwischen der Kinder- und Jugendhilfe und dem Gesundheitswesen sind die seit dem 8. April 2008 in Kraft getretenen gemeinsamen Ausführungsvorschriften über die Durchführung von Maßnahmen zum Kinderschutz in den Jugend- und Gesundheitsämtern der Bezirksämter des Landes Berlin (AV Kinderschutz Jug Ges). Sie regeln insbesondere - das Verfahren zur Aufnahme einer Kinderschutzmeldung und der Risikoabschätzung, - die verbindliche Erreichbarkeit des ‚Krisendienst Kinderschutz’ sowie die Einrichtung der ‚Koordination Kinderschutz’ in den Jugend- und Gesundheitsämtern, - die inhaltlichen Schwerpunkte für den Abschluss einer Kooperationsvereinbarung zwischen beiden Ämtern, - Vereinbarungen zur Zusammenarbeit zwischen Jugendhilfe, Polizei, Schule und Familiengerichten . 9. Welche Potentiale der Kinderschutzarbeit müssen in Zusammenarbeit mit Kitas, Schulen und Jugendeinrichtungen stärker genutzt werden? Zu 9.: Pädagoginnen und Pädagogen in Kitas, Schulen und Jugendeinrichtungen sind ein wichtiger Partner, um Kinder und Jugendliche vor psychischen und physischen Verletzungen zu schützen. Schule und Jugendhilfe sind in steigendem Maße gefordert, Familien zu unterstützen in Form von allgemeinen, präventiven bis einzelfallbezogenen Angeboten. Vor diesem Hintergrund ist es zwingend notwendig, dass sich die Bereiche im Interesse der Kinder und Jugendlichen abstimmen und die jeweiligen Stärken besser gebündelt werden. Dazu tragen zum einen die entwickelten Arbeitshilfen „Handlungsleitfaden für die Zusammenarbeit zwischen Schulen und bezirklichem Jugendamt im Kinderschutz“ sowie „Handlungsleitfaden für die Zusammenarbeit von Kindertageseinrichtungen, Jugend- und Gesundheitsämtern im Kinderschutz“ bei. Des Weiteren verfolgen in allen Bezirken die bezirklichen Kinderschutzkonferenzen, die regionalen „Runden Tische Kinderschutz“ bzw. die Arbeitsgemeinschaft (AG) gem. § 78 SGB VIII dieses Anliegen. 10. Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit zwischen den Jugendämtern und beauftragten freien Trägern, die in gefährdeten Familien arbeiten oder betroffene Kinder und Jugendliche betreuen? Wie sind dabei Unterstützung und Kontrollen durch die Jugendämter geregelt? Zu 10.: Der Schutz von Kindern und Jugendlichen durch die Träger der öffentlichen und freien Jugendhilfe wird in vielfältiger Art und Weise vorgenommen. Im Bereich der Hilfen zur Erziehung erfolgt die Zusammenarbeit zwischen den Jugendämtern und den beauf- tragten freien Trägern im Rahmen der Hilfeplanung gemäß § 36 SGB VIII: In der Verantwortung der fallzuständigen Fachkraft im Jugendamt liegt die Hilfeplanung , die regelmäßige Überprüfung und Kontrolle des Hilfeverlaufs, einschließlich der Überprüfung der vereinbarten Ziele und Perspektiven hinsichtlich der Geeignetheit (vgl. AV-Hilfeplanung). Aufgabe der freien Träger als Leistungserbringer der Hilfen zur Erziehung ist es, die jeweilige Hilfe entsprechend den im Hilfeplan festgelegten Zielen und der vereinbarten Qualität sowie den zeitlichen Perspektiven umzusetzen. Darüber ist das Jugendamt regelhaft schriftlich zu unterrichten. Bei außergewöhnlichen oder krisenhaften Entwicklungen und bei besonderen Vorkommnissen ist der Träger verpflichtet, das Jugendamt unverzüglich zu informieren. Das betrifft auch die Fälle, in denen die Sorgeberechtigten keine Hilfe annehmen wollen. Bei Kindeswohlgefährdung ist sofortiges Handeln notwendig, das Jugendamt ist umgehend zu benachrichtigen . Auf der Grundlage des Berliner Rahmenvertrages für Hilfen in Einrichtungen und Dienste (BRVJug) wird das Leistungsangebot der freien Träger vereinbart. Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft schließt mit allen geeigneten Anbietern von Leistungen, entsprechende Trägerverträge in Form von Leistungs-, Qualitätsentwicklungs- und Entgeltvereinbarungen ab. Darin verpflichten sich die Leistungserbringer, die Regeln zur Sicherstellung des Schutzauftrages bei Kindeswohlgefährdung gemäß § 8a SGB VIII und der persönlichen Eignung gemäß § 72a SGB VIII, sicherzustellen. (vgl. Anlage E des Berliner Rahmenvertrages - Regeln zur Sicherstellung des Schutzauftrages bei Kindeswohlgefährdung gemäß § 8a SGB VIII und der persönlichen Eignung gemäß § 72a SGB VIII durch die Leistungserbringer und die dort erwähnten Jugend-Rundschreiben Nr. 34 / 2006 und Nr. 2 / 2010). Ein Jahr nach Abschluss des Trägervertrages erfolgt der Qualitätsdialog zwischen dem Leistungserbringer (Träger), der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft und dem zuständigen Jugendamt. Bei Anzeichen für einen möglichen Verstoß gegen Verpflichtungen entsprechend den Vorgaben des Rahmen- oder Trägervertrages wird die Senatsverwaltung eigenständig tätig (vgl. BRVJug Tz 15.1). Darüber hinaus stellt das Jugendamt gemäß § 8a Abs. 2 SGB VIII im Rahmen seiner Planungs- und Gewährleistungsverpflichtung die erforderliche Fachberatung gegenüber den Leistungserbringern als auch die einzelfallbezogene Beratung von Fachkräften sicher (vgl. Jugend -Rundschreiben Nr. 71 / 2006 zur Umsetzung des Schutzauftrages nach § 8a SGB VIII bei Kindeswohlgefährdung ). 11. Wie schätzt zurzeit der Senat die Mitwirkung der Personen unter § 4 des Bundeskinderschutzgesetzes (u.a. Ärzte, Lehrer Sozialarbeiter) ein, Kindeswohlgefährdung zu erkennen und zu begegnen? 3 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 235 Zu 11.: Auf der Grundlage des vom Senat be- schlossenen „Konzept für ein Netzwerk Kinderschutz“ konnte die Zusammenarbeit und Kooperation mit Fachkräften und Personen außerhalb der Kinder- und Jugendhilfe in Angelegenheiten des Kinderschutzes intensiviert werden. Mit dem Berliner Kinderschutzgesetz und der Aufnahme des neuen § 5a „Zusammenarbeit zwischen Schule und Jugendamt“ in das Schulgesetz hat dieser Prozess eine weitere Qualifizierung erfahren. Es wurden Regelungen aufgenommen zur einzelfallbezogenen Zusammenarbeit im Kinderschutz. Das betrifft insbesondere die Schwelle und die Befugnis von Berufsgeheimnisträgern /innen zur Weitergabe von Informationen an das Jugendamt , wenn Beteiligte aus der Familie bei vermuteter Kindeswohlgefährdung nicht dafür gewonnen werden konnten, von sich aus die benötigten Hilfen in Anspruch zu nehmen (§ 4 Gesetzt zur Kooperation und Information im Kinderschutz (KKG), § 11 KiSchG) Des Weiteren haben alle Professionelle, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, einen Rechtsanspruch auf Beratung durch eine insoweit erfahrene Fachkraft der Kinder- und Jugendhilfe (§ 4 Abs. 2 KKG, § 8b Abs. 1 SGB VIII). Der Senat geht davon aus, dass die Kooperation der mit Kindern und Jugendlichen befassten Akteure und Stellen im Sinne eines wirksamen Kinderschutzes in Berlin erfolgt. 12. Wie wird sichergestellt, dass die im Bereich des Kinderschutzes tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Ämtern und freien Trägern in die Lage versetzt werden, eine Kindeswohlgefährdung wirklich zu erkennen und einzuschätzen? Worauf führt es der Senat zurück, dass dies in vielen bekannt gewordenen Fällen angeblich nicht der Fall war? Zu 12.: Mit der Einführung des § 8a SGB VIII (Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung) haben die Jugendämter mit den Trägern von Diensten und Einrichtungen Vereinbarungen abgeschlossen und umgesetzt, die eine koordinierte und fachlich angemessene Zusammenarbeit im Kinderschutz regeln. Das betrifft Verfahrensschritte zur Gefährdungseinschätzung, dem Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte und die Einbeziehung der Personensorgeberechtigten und jungen Menschen. Die Anfang 2007 herausgegebenen „Empfehlungen zur Umsetzung des Schutzauftrages nach § 8a SGB VIII“ werden in Berlin umgesetzt. Damit ist eine wesentliche Grundlage für die Verwirklichung einheitlicher Standards bei der Betreuung gefährdeter Familien gegeben. Die Einschätzung, dass es Fachkräften in vielen bekannt gewordenen Fällen angeblich nicht möglich war, eine Kindeswohlgefährdung zu erkennen, teilt der Senat nicht. 13. Wie erfolgt im Land Berlin die Beratung, Unter- stützung und Kontrolle von Pflegepersonen, die ein Kind oder Jugendlichen, die aus ihrer Familie herausgenommen werden mussten, aufnehmen? Zu 13.: Eine Pflegeperson hat gemäß § 37 SGB VIII Anspruch auf Beratung und Unterstützung. Diese Aufgabe obliegt dem zuständigen Jugendamt. Bestandteil der in Berlin seit 2010 geltenden einheit- lichen fachlichen Standards zur Vollzeitpflege sind Kriterien und Regelungen zur Überprüfung und Vorbereitung von Pflegeeltern sowie Maßnahmen zur Schulung, Beratung , Begleitung und Kontrolle der Pflegeeltern. Alle Pflegeeltern haben eine Qualifikation durch Teilnahme an einer Pflegeelternschulung zu erwerben (vgl. Ausführungsvorschriften über Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege (§ 33 SGB VIII) und teilstationärer Familienpflege (§ 32 Satz 2 SGB VIII) (AV-Pflege) Nr. 3 Abs. 4)). Die Schulung basiert auf dem Rahmenplan zur Grundqualifikation : Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege (§ 33 SGB VIII) und teilstationärer Familienpflege (§ 32 Satz 2 SGB VIII) (vgl. Rundschreiben Jug 4 / 2004 der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport vom 01.07.2004). Die Standards regeln weiterhin die Beratung, Begleitung und Kontrolle von Pflegepersonen: monatliche Kontakte mit den Pflegeeltern, mindestens zwei Kontakte pro Jahr werden als Hausbesuche durchgeführt. Themen der Beratung und Kontrolle sind u.a. die Vorbereitung und Umsetzung der Hilfeplanung, die Situation, Entwicklung und Förderung des Pflegekindes, die Vorund Nachbereitung von Umgangskontakten mit den Eltern , Großeltern und anderen Angehörigen, außerdem die Beratung und Begleitung in konflikthaften Phasen eines Pflegeverhältnisses sowie in möglichen Krisensituationen, Beratung über Angebote der Supervision und weitere Angebote zur Unterstützung für Pflegeeltern und Pflegekinder . Darüber hinaus gelten auch die gemeinsame AV Kinderschutz Jug Ges vom 8. April 2008 und die Regelungen über verbindliche Bewertungs- und Dokumentationsverfahren bei Verdacht einer Kindeswohlgefährdung (vgl. Jugend-Rundschreiben Nr. 5 / 2008) in der Pflegekinderhilfe . 14. Welche Maßnahmen hat der Senat ergriffen, damit bei Zuständigkeitswechsel durch Umzug oder Wegzug die zu betreuenden Familien und ihre Kinder nicht aus dem Betreuungsnetz fallen? Zu 14.: In der o.g. gemeinsamen AV Kinderschutz Jug Ges ist geregelt, dass beim Wohnortwechsel im Rahmen der Fallübernahme das nunmehr zuständige Jugendamt bzw. Gesundheitsamt alle notwendigen Informationen insbesondere zum Sachstand und zu der Arbeit mit der Familie sowie zu Anhaltspunkten, Möglichkeiten, Einschätzungen und Risiken einer Kindeswohlgefährdung mitgeteilt werden. Erst mit der schriftlichen Bestätigung des neuen Jugendamtes bzw. Gesundheitsamtes über die Fallübernahme endet die Zuständigkeit und Verantwortung des abgebenden Jugend- oder Gesundheitsamtes . 4 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 235 15. Wie wird im Land Berlin der Tätigkeitsaus- schluss einschlägig vorbestrafter Personen im Bereich der Jugendhilfe und Jugendarbeit umgesetzt? Zu 15.: Gemäß § 72 a SGB VIII dürfen die Träger der öffentlichen Jugendhilfe für die Wahrnehmung der Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe keine Personen beschäftigen oder vermitteln, die einschlägig vorbestraft sind. Das Land Berlin hat in Umsetzung des § 72 a SGB VIII die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses bestimmt (vgl. Jugend-Rundschreiben Nr. 2 / 2010). Die Vorlagepflicht betrifft auch Honorarkräfte, Zivildienstleistende , Freiwilligendienstleistende, Teilnehmende von Arbeitsfördermaßnahmen im Rahmen der Arbeitsförderung , ehrenamtlich Tätige, Praktikantinnen und Praktikanten sowie andere vergleichbar tätige Personen, die regelmäßig mit Kindern und Jugendlichen in Kontakt kommen. Für den Bereich der Kindertageseinrichtungen wird auf der Grundlage einer Vereinbarung mit den Spitzenverbänden der freien Wohlfahrtspflege sichergestellt, dass sich die Leistungsanbieter von allen Beschäftigten bei der Einstellung ein Führungszeugnis vorlegen lassen und dies auch in regelmäßigen Abständen wiederholen. Der Landesjugendring Berlin und die Sportjugend Berlin haben mit dem Senat Vereinbarungen entsprechend § 72 a SGB VIII geschlossen. Danach muss nicht nur für alle hauptberuflichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bereich der Jugendarbeit vor Aufnahme der Tätigkeit ein erweitertes Führungszeugnis eingeholt werden. Das gilt auch für alle ehrenamtlich tätigen Personen. Vor der Aufnahme einer Tätigkeit ist aufgrund von Art, Intensität und Dauer des Kontakts mit Kindern und Jugendlichen ein aktuelles Führungszeugnis im Sinne des § 30 a des Bundeszentralregisters vorzulegen. Mit diesen Regelungen, die bereits vor der Einführung eines „erweiterten Führungszeugnisses“ für kinder- und jugendnahe Beschäftigte durch das neue Bundeskinderschutzgesetz im Land Berlin umgesetzt wurden, nimmt Berlin eine Vorreiterstellung ein. Berlin, den 23. März 2012 In Vertretung Sigrid Klebba Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 2. April 2012) 5