Drucksache 17 / 10 236 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Stefan Gelbhaar (GRÜNE) vom 21. Februar 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 23. Februar 2012) und Antwort Digitale Zukunft der Kunst- und Programmkinos: Berlin nur mit halber Kraft unterwegs? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Nach welchen Kriterien und mit welchem Zeitplan (Angaben bitte in Jahresschritten) soll die Digitalisierung der Vorführtechnik der Berliner Kinos umgesetzt werden? Wann ist die Digitalisierung nach Einschätzung des Senats abgeschlossen? Zu 1.: Das sog. „Sonderprogramm Kinodigitalisie- rung“, mit dessen Durchführung die Medienboard BerlinBrandenburg GmbH von den Ländern Berlin und Brandenburg im Jahre 2010 beauftragt wurde, hat eine Laufzeit bis 31.12.2014. Gefördert werden in der Regel in Berlin nur Filmkunsttheater nach den Kriterien, wie sie im „Merkblatt Kinodigitalisierung“ des Medienboard festgelegt sind. Zuschüsse für die Umstellung von Kinos auf digitale Projektion werden nur auf Antrag gewährt, so dass der Ablauf der Umsetzung nicht genau vorhergesagt werden kann. 2. Wie erklärt der Senat, dass Berlin derart lange mit der Findung tragfähiger Förderkonzepte verbracht hat, während Bundesländer wie NRW oder Bayern moderne technische Standards durch dortige Kinoförderprogramme schon umgesetzt hat? Zu 2.: Auch in den anderen Ländern sind die För- derprogramme mit Ausnahme von Bayern erst 2010, in vielen Ländern erst 2011, begonnen worden. Bayern als erstes Land hat im Herbst 2009 den Anfang gemacht. Die komplementären Förderprogramme der Filmförderungsanstalt des Bundes (FFA) und des Beauftragten für Kultur und Medien der Bundesregierung (BKM) werden erst seit 2011 angeboten. Aus diesem Grund hat die flächendeckende Digitalisierung der Filmkunsttheater erst 2011 an Fahrt aufgenommen. 3. Wie viele Berliner Kinos haben bereits Fördermittel des Sonderprogramms „Kinodigitalisierung“ der Medienboard Berlin-Brandenburg GmbH abgerufen? a) Wie viele davon sind Programm- und Kunstkinos? b) Wie viele Anträge wurden gestellt, wie viele sind bewilligt und wie viele abgelehnt worden? c) Wie viele der Berliner Kinos greifen zur Umset- zung der Digitalisierung auf Bundesfördermittel des Programms zur Digitalisierung von Kinos des Kulturstaatsministers allein oder zusätzlich zurück? zu 3.: Nach den unter Antwort 1 dargestellten Krite- rien haben in 2010 und 2011 insgesamt 61 Leinwände Fördermittel in Höhe von 1.233.703,81 € erhalten, davon 31 aus Berlin mit 633.279,74 €. a) Alle geförderten Leinwände gehören zu Programmbzw . Kunstkinos entsprechend der Kategorie der förderfähigen „Kriterienkinos“. b) Kein Antrag wurde abgelehnt, da, wie bei den anderen Förderkategorien auch, erst ein Vorgespräch mit dem zuständigen Förderreferenten geführt werden muss. Insgesamt wurden 34 Anträge gestellt, 3 wurden wegen Besitzerwechsel zurückgezogen. c) Im Prinzip sind alle antragstellenden Filmtheater auch bei der FFA und dem BKM antragsberechtigt. Um die großen Arthouse-Leuchttürme in Berlin, wie Delphi oder Cinema Paris, die die Obergrenze von 260.000 € Nettojahresumsatz der Bundesförderung deutlich übersteigen, dennoch „mitnehmen“ zu können, wurden auf Anregung der beiden Filmtheaterverbände und mit Zustimmung der beiden Länder die Richtlinien des „Merkblatt Kinodigitalisierung “ um diese Ausnahmen erweitert. Außerdem wurden Ausnahmen von der Regel zugelassen , dass pro Kino nur für 2 Leinwände pro Jahr Förderung beantragt werden kann, um ArthouseCenter zügig umzustellen. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 236 4. Wie sollen insbesondere kleinere Kinos die erheb- lichen Kosten (von rund 70 000 € 2D-Technik, 100 000 € 3D-Technik pro Leinwand) finanzieren, wenn der höchstmögliche Förderungszuschuss durch die Medienboard Berlin-Brandenburg GmbH 30 % (= 21.600) € pro Kinosaal beträgt? Wie positioniert sich der Senat vor diesem Hintergrund zu den Förderobergrenzen? zu 4.: In der Regel wird der Zuschuss der Medien- board mit den anderen Förderungen aus öffentlichen Mitteln kumuliert. Bei allen Programmen ist ein Eigenanteil der Antragsteller/innen von lediglich ca. 20% erforderlich , der angemessen erscheint und geringer ist als bei den meisten Investitionsförderungen. Außerdem steht in Aussicht die Mitfinanzierung der Digitalisierungskosten der sog. Kriterienkinos durch die Filmverleiher, die wirtschaftlich von der Digitalisierung profitieren, da sie mittelfristig keine analogen Kopien mehr herstellen und vertreiben müssen. Das lange überfällige Modell hierzu steht kurz vor dem Abschluss. Die FFA wird als Treuhand fungieren und privatrechtliche Einzelverträge mit den teilnehmenden Kinos und den Verleihern abschließen . Insgesamt kann sich dann ein Berliner Kriterienkino mit Hilfe von bis zu 5 Partnern finanzieren: FFA, BKM, Medienboard, Verleiheranteil und Eigenanteil. Der Verleiheranteil kann als Fremdmittelbeitrag auch dem erforderlichen Eigenanteil zugerechnet werden. Zusätzlich bietet die Investitionsbank Berlin in ihren Förderprogrammen für die Creative Industries Mikrokredite bis 25.000 € unter erleichterten und darüber hinausgehende Kredite zu üblichen Konditionen an, mit denen der Kreativwirtschaftssektor „Kino“ die Digitalisierung , aber auch den Abbau des oft damit einhergehenden Renovierungsstaus finanzieren kann. Bei allen Förderprogrammen ist in der Regel die Finanzierung der 3D-Komponenten ausgeschlossen, da davon ausgegangen wird, dass die Kosten der 3D-Umstellung durch Aufschläge auf die Eintrittskarten refinanziert werden können. 5. Wie beurteilt der Senat die Chancen der Kinos hin- sichtlich einer Digitalisierung, die die Förderkriterien des Sonderprogramms „Kinodigitalisierung“ der Medienboard Berlin-Brandenburg GmbH (insbesondere den maximalen Nettokartenumsatz von 260.000 Euro und die Mindestbesucherzahl von 8.000) nicht erfüllen? Welche Möglich- und Notwendigkeiten sieht der Senat für diese Fälle? zu 5.: Das „Sonderprogramm Kinodigitalisierung“ bewegt sich im Rahmen der Kriterien, die auch den Bundesprogrammen zugrunde liegen. Bisher liegt mit der internationalen Festlegung auf den DCI-2K-Standard auch nur ein einziger Maßstab vor, nach dem alle Kinos gleichermaßen behandelt und beliefert werden können. Nur dieser Standard gewährleistet bisher die geforderte Nachhaltigkeit von 5 Jahren, die geförderte Server und Projektoren in den Kinos verbleiben müssen. In der Kinopraxis sind dagegen seit vielen Jahren schon in kleineren Kinos sog. E-Cinema-Anlagen in Betrieb, die Beamer unterhalb des 2K-Standards und ohne DCI-Sicherheitszertifikat nutzen und von einigen Verleihern beliefert werden. Sollten sich alle Verleiher darauf verständigen, auch Kinos mit Anlagen unterhalb der DCI- 2K-Norm barrierefrei zu beliefern, so können die Förderer ihre Programme auch für diese Lösungen öffnen. Unterhalb von 8.000 Besuchern/innen pro Jahr kann sich bei den vielen konkurrierenden Arthouse-Leinwänden in der Kinohauptstadt Berlin eine Investition in die Digitalisierung wegen der hohen Kosten wirtschaftlich nicht rechnen. Die Bagatell-Untergrenze entspricht der Praxis auch in den anderen Ländern und beim Bund (zu den Obergrenzen vgl. Antwort zu 3). 6. Wie beurteilt der Senat die Situation kleiner Programmkinos vor diesem Hintergrund? Was unternimmt der Senat, damit die Kinos nicht wegen der fehlenden finanziellen Möglichkeiten zur Digitalisierung ihren Betrieb einstellen und schließen müssen? zu 6.: Zum einen wird es für Berliner Kinos, die we- niger als 8.000 Besucher/innen pro Leinwand/Jahr erzielen , kaum möglich sein, den notwendigen Eigenanteil zu erbringen. Zum anderen überleben jetzt schon eine ganze Reihe dieser Kinos durch eine Programmierung mit Filmen von Verleihern, die ihnen ihre Filme zum Abspiel als E-Cinema oder im Sub-DCI-2K-Standard liefern. Insbesondere die großen Verleiher werden dies aber auf absehbare Zeit nicht tun. Insofern suchen diese Kinos nach neuen Profilen. 7. Ist vor diesen Hintergrund geplant, die zur Verfügung stehenden Fördermittel aufzustocken? zu 7.: Die Mittel für das „Sonderprogramm Kino- digitalisierung“ kommenden aus den laufenden Zuschüssen der Länder Berlin und Brandenburg zu dem von der Medienboard treuhänderisch verwalteten Förderfonds. Die Länder stellen sicher, dass wie 2010 und 2011 auch in den Folgejahren alle förderfähigen Anträge zeitnah positiv beschieden werden können. Für 2012 sind 3 Antragstermine festgelegt: 1. März, 2. Juli und 1. November 2012. Die Medienboard rechnet damit, dass 2012 und 2013 für Berliner und Brandenburger Anträge insgesamt jeweils ca. 1 Mio. Euro benötigt werden. Neben der Förderung der Digitalisierung vergibt Medienboard jährlich Kinoprogrammpreisprämien in Höhe von 270.000 € und fördert innovatives Kinomarketing mit jährlich bis zu 100.000 €. 8. Wie positioniert sich der Senat zur Forderung der AG Kino-Gilde vom 10.2.2012, die Verleiher verpflichtend an den Kosten der Digitalisierung zu beteiligen ? zu 8.: Das Positionspapier der AG Kino – Gilde deut- scher Filmkunsttheater e.V. ist bekannt, die erhobene Forderung ist nicht neu. Auch der Senat hält es für unabdingbar , dass sich die Verleiher als Hauptnutznießer an den Kosten der Digitalisierung bei den Kinos beteiligen. 2 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 236 Die Verhandlungen dazu werden von BKM und FFA auf Bundesebene geführt und von den Ländern begleitet. Einige größere Verleiher haben bisher die Vereinbarungen mit der FFA noch nicht unterzeichnet. Mit einem erfolgreichen Abschluss ist aber in den kommenden Wochen zu rechnen. Antragsberechtigt werden mit einem Stichdatum auch Kinos sein, die inzwischen schon erfolgreich umgerüstet haben, so dass eine ganze Reihe von Kriterienkinos nachträglich in den Genuss des Verleiheranteils kommen und den Eigenanteil damit senken könnte. Berlin, den 8. März 2012 Klaus Wowereit Regierender Bürgermeister (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 23. Mrz. 2012) 3