Drucksache 17 / 10 263 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage der Abgeordneten Katrin Lompscher (LINKE) vom 01. März 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 02. März 2012) und Antwort Mieterbeiräte – Instrument der Partizipation oder lästige Pflichtaufgabe städtischer Wohnungsunternehmen ? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: Die Kleine Anfrage betrifft Sachverhalte, die der Senat nicht aus eigener Zuständigkeit und Kenntnis beantworten kann. Er ist gleichwohl bemüht, Ihnen eine Antwort auf Ihre Anfrage zukommen zu lassen und hat daher alle sechs städtischen Wohnungsbaugesellschaften um eine Stellungnahme gebeten, die von dort in eigener Verantwortung erstellt und dem Senat übermittelt wurde. Sie wird nachfolgend wiedergegeben: Frage 1: Wie viele Mieterbeiräte gibt es derzeit bei den städtischen Wohnungsbaugesellschaften (bitte aufschlüsseln nach Wohnungsbaugesellschaften und örtlicher Zuständigkeit bzw. Kundenzentren) und wie hat sich deren Zahl in den letzten fünf Jahren verändert? Antwort zu 1: Derzeit gibt es rd. 70 Mieterbeiräte bei den sechs städtischen Wohnungsbaugesellschaften. Dies sind bei der degewo 22 Mieterbeiräte. Für 51 % aller Wohnungen sind Mieterbeiräte tätig. GESOBAU 8 Mieterbeiräte in Siedlungen mit mehr als 300 Wohnungen. Für 57 % aller Wohnungen sind Mieterbeiräte tätig. GEWOBAG 11 Mieterbeiräte in Siedlungen mit mehr als 300 Wohnungen. Für 31 % aller Wohnungen sind Mieterbeiräte tätig. HOWOGE 6 Mieterbeiräte in Siedlungen mit mehr als 300 Wohnungen. Für 85 % aller Wohnungen sind Mieterbeiräte tätig. STADT und LAND 14 Mieterbeiräte. Für 59 % aller Wohnungen sind Mieterbeiräte tätig. WBM 13 Mieterbeiräte. Für 13 % aller Wohnungen sind Mieterbeiräte tätig. Eine Aufschlüsselung nach örtlicher Zuständigkeit bzw. Kundenzentren würde den Rahmen der Be- antwortung einer Kleinen Anfrage übersteigen. Die entsprechenden Zahlen wurden vor fünf Jahren nicht erfasst. Frage 2: Ist dem Senat bekannt, ob es bei anderen Wohnungsunternehmen in Berlin Mieterbeiräte gibt und welche sind das ggf.? Antwort zu 2: Dem Senat liegen dazu keine statistischen Informationen vor. Frage 3: Welche Informations- und Mitbestimmungs- rechte haben die Mieterbeiräte in den städtischen Wohnungsbaugesellschaften und mit welchen Mitteln wird deren Arbeit durch die jeweilige Wohnungsbaugesellschaft konkret unterstützt? Antwort zu 3: In den Satzungen der städtischen Wohnungsbaugesellschaften ist eine einheitliche Regelung im § 5 der jeweiligen Satzung (Aktiengesellschaften : DEGEWO; GESOBAU; GEWOBAG;) bzw. den Gesellschafterverträgen (GmbH: HOWOGE; STADT und LAND; WBM) vorgesehen: „Die Gesellschaft ermöglicht ihren Mietern eine Mitwirkung in geeigneten Formen. Insbesondere bildet sie innerhalb der Wirtschaftseinheiten Mieterbeiräte, die die Interessen der Mietergemeinschaft wahrnehmen. Sie haben ein Anhörungs- und Vorschlagsrecht in allen die Gesamtheit der Mieter der Wohnanlage unmittelbar betreffenden Angelegenheiten. Die Gesellschaft unterrichtet den Mieterbeirat über geplante wesentliche Instandhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen sowie sich daraus ergebende Mietänderungen. Der Mieterbeirat kann bei Verstößen gegen die Hausordnung und bei Schlichtung von Streitigkeiten unter den Mietern herangezogen werden.“ Genauere Informations- und Mitbestimmungsrechte sind in den jeweiligen Satzungen der Mieterbeiräte festgelegt . Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 263 Die Gesellschaften unterstützen die Mieterbeiräte in unterschiedlicher Weise. Eine differenzierte Auflistung aller Leistungen ist im Rahmen einer Kleinen Anfrage nicht möglich. Frage 4: Welche Vorgaben seitens des Landes Berlin gibt es zur Bildung, Arbeitsweise, Partizipation und Unterstützung von Mieterbeiräten, wie werden diese Vorgaben in den städtischen Wohnungsbaugesellschaften umgesetzt und wie wird deren Umsetzung vom Senat kontrolliert? Antwort zu 4: Das Gesamtkonzept des Senates für die städtischen Wohnungsbaugesellschaften vom 11. Juli 2007 (Drs 16/0747 Zf. 1.1.5; S. 8/9) sieht vor: „Öffentliche Wohnungsbaugesellschaften haben eine Vorreiterrolle bei der Pflege von Nachbarschaften und bei der Förderung von Partizipation der Bewohnerinnen und Bewohner. Dabei sind Mieterbeiräte als ein wichtiges Element der Bestandsentwicklung zu fördern und aktiv in die Sanierungsprozesse einzubeziehen. Gleichzeitig helfen sie, zusammen mit den Servicemitarbeitern der Gesellschaften, Probleme und Konflikte vor Ort zu lösen. Die ehrenamtliche Mitarbeit der Mieterbeiräte hilft die Mieteridentifikation und -zufriedenheit in den Beständen zu erhöhen. Die Gesellschaften sind angehalten , die Zusammenarbeit mit den Mieterbeiräten zu fördern und sie in Entscheidungsprozesse, die ihren Wohnbereich betreffen, einzubeziehen.“ Es wird auch auf die Mitteilung – zur Kenntnisnahme – Mieterbeiräte stärken (Drs16/3540) hingewiesen. Dort heißt es: „Der Anteil der Wohnungen, in denen Mieterbeiräte tätig sind, ist aus Sicht des Senates steigerungsfähig. Ziel soll es sein, in mindestens 80 % der Siedlungen ab 300 Wohnungen Mieterbeiräte zu bilden. Bei kleineren Siedlungen sollte die Installation eines Mieterbeirates durch städtische Wohnungsunternehmen dann erfolgen, wenn dies in der Mieterschaft mitgetragen wird.“ Frage 5: Welchen Stellenwert hat die Arbeit der Mieterbeiräte für den Senat und welche Erfahrungen gibt es in den Wohnungsbaugesellschaften mit den Mieterbeiräten ? Antwort zu 5: Der Stellenwert, den der Senat der Arbeit der Mieterbeiräte beimisst, ergibt sich aus den Antworten zu den vorherigen Fragen. Die Mieterbeiräte sind in den Satzungen der städtischen Wohnungsbaugesellschaften verankert. Der Senat hat das Ziel, dass die städtischen Wohnungsbaugesellschaften in mindestens 80 % der Siedlungen ab 300 Wohnungen Mieterbeiräte bilden. Bei kleineren Siedlungen sollte die Installation eines Mieterbeirates durch städtische Wohnungsunternehmen dann erfolgen, wenn dies in der Mieterschaft mitgetragen wird. Die städtischen Wohnungsbaugesellschaften antwor- ten auf die Frage nach den Erfahrungen mit den Mieter- beiräten differenziert. Zusammenfassend kann gesagt werden: Die Berücksichtigung der Mieterinteressen hat eine große Bedeutung. So ist die Kooperation mit aktiven Mieterbeiräten vor Ort eine tragende Säule bei der Weiterentwicklung nachbarschaftlichen Zusammenlebens und Engagements im Kiez. Neben dem Engagement der Mieterbeiräte in nachbarschaftlichen Fragen (Mieterfeste etc.), sind sie als Frühwarnsystem für kritische Themen sehr wertvoll, um rechtzeitig dagegen zu steuern. Mieterbeiräte sind für ein partnerschaftliches Verhält- nis zwischen Wohnungsunternehmen und Mieter unverzichtbar und liefern wertvolle Anregungen für zum Beispiel bevorstehende Modernisierungsmaßnahmen. Wünsche und Anregungen der Mieterbeiräte sind hilfreich bei der Gestaltung eines vertrauensvollen Miteinanders und eines angenehmen Wohnklimas. Mieterbeiräte werden unterstützt und gefördert. Mieterbeiräte tragen zur Stabilisierung der nachbarschaftlichen Verhältnisse, einem besseren Selbstverständnis und im Fazit zu einer besseren Mieterzufriedenheit bei. Es wird darauf hingewiesen, dass Mieterbeiräte zum Teil seit mehr als 20 Jahren bestehen und in ihrem Kiez durch die Mieterinnen und Mieter anerkannte Interessenvertreter sind. Diese Mieterbeiräte sind eng verknüpft mit dem persönlichen Engagement einzelner Mitglieder. i.d.R. deren Sprecherin oder Sprecher. Sie agieren auch ohne Veränderungen, die vom Vermieter/in ausgehen, z.B. bei Modernisierungen. Sie beschäftigen sich mit Betriebskosten, Pflegezuständen oder auch Einflüssen, die nicht in der Verantwortung der/des Vermieterin/Vermieters liegen, z.B. mit der Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr. Die Zusammenarbeit mit den Mieterbeiräten wird für beide Seiten als gewinnbringend eingestuft. Ein Unternehmen weist auch darauf hin, dass die (direkte) Beteiligung der Mieterinnen und Mieter eine Möglichkeit partnerschaftlichen Umgangs sein kann. z.B. bei Sanierungsvorhaben. Die Mieterinnen und Mieter werden dazu ca. ein Jahr vor Baubeginn bei einer ersten Mieterversammlung mit der Planung vertraut gemacht. Sie erhalten im Anschluss einen Fragebogen. Mit der Weiterentwicklung der Planung gibt es weitere Versammlungen . Die Erfahrungen aus der Zusammenarbeit mit den Mieterbeiräten sind aber sehr vielschichtig. Auffallend sind die zum Teil geringe Wahlbeteiligung der vergangenen Jahre sowie zunehmende interne Streitigkeiten in den Gremien, die eine konstruktive Zusammenarbeit erschweren. Frage 6: Wie bewertet der Senat die Forderung einiger Mieterbeiräte nach der Einführung einer Mustersatzung für Mieterbeiräte als einheitlichem Standard und beabsichtigt der Senat die Einführung einer solchen Muster- 2 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 263 3 satzung bzw. einheitlicher Vorgaben? Wenn ja, wann und mit welchen Eckpunkten? Wenn nein, warum nicht? Antwort zu 6: Der Senat beabsichtigt nicht die Ein- führung einer Mustersatzung für Mieterbeiräte als einheitlichen Standard. Die bestehenden Satzungen der Mieterbeiräte sind historisch zum Teil über Jahrzehnte gewachsen und in ihren einzelnen Bestimmungen vielfältig, z.B. bei dem Quorum, das bei der Wahl eines Mieterbeirates erreicht werden muss. Es erscheint nicht sinnvoll, alle Detailregelungen zu vereinheitlichen. Frage 7: Beabsichtigt der Senat, die Tätigkeit und Unterstützung von Mieterbeiräten zum Gegenstand der geplanten Zielvereinbarungen des Landes mit den städtischen Wohnungsunternehmen zu machen? Wenn ja, in welcher Weise? Wenn nein, warum nicht? Antwort zu 7: Ich weise auf die Mitteilung – zur Kenntnisnahme – Mieterbeiräte stärken (Drs16/3540) hin. Dort heißt es u.a.: „Der Anteil der Wohnungen, in denen Mieterbeiräte tätig sind, ist aus Sicht des Senates steigerungsfähig. Ziel soll es sein, in mindestens 80 % der Siedlungen ab 300 Wohnungen Mieterbeiräte zu bilden. Bei kleineren Siedlungen sollte die Installation eines Mieterbeirates durch städtische Wohnungsunternehmen dann erfolgen, wenn dies in der Mieterschaft mitgetragen wird. Der Senat wird daher künftig im Interesse der Ziel- setzung einer Erhöhung der Zahl der Mieterbeiräte und der Verbesserung der Mieterpartizipation die jährlich abzuschließenden Zielvereinbarungen zwischen den Aufsichtsratsvorsitzenden und den Geschäftsführern und Vorständen der städtischen Wohnungsunternehmen dahingehend akzentuieren.“ Berlin, den 23. März 2012 In Vertretung E p h r a i m G o t h e ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 30. Mrz. 2012)