Drucksache 17 / 10 269 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Andreas Otto (GRÜNE) vom 02. März 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 05. März 2012) und Antwort Räumungsklagen und Wohnungsräumungen Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Menschen und Haushalte in Berlin sind 2009, 2010 und 2011 von einem Wohnungsverlust durch Räumungsklagen bedroht gewesen? In wie vielen Fällen davon handelte es sich um Räumungsklagen aufgrund von Mietschulden (§ 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB), was waren die anderen Gründe? Zu 1.: Gemäß Abschnitt 2, Ziffer IV. der Mitteilungspflichten in Zivilsachen (MiZi) sind die Amtsgerichte lediglich verpflichtet, eingehende Klagen, mit der die Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses wegen Zahlungsverzugs des Mieters nach § 543 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 in Verbindung mit § 569 Abs. 3 BGB verlangt wird (§ 22 Abs. 6 SGB II, § 34 Abs. 2 SGB XII), dem Bezirksamt – Bereich Soziales – bzw. dem Jobcenter mitzuteilen, je nachdem welche Stelle im jeweiligen Amtsgerichtsbezirk für die Entgegennahme zuständig ist. Die Führung einer entsprechenden Statistik ist bei den Berliner Zivilgerichten eingesetztem Softwareprogramm AULAK nicht vorgesehen. Von der dortigen Statistik wird lediglich die Zahl der bearbeiteten Wohnungsangelegenheiten ohne explizite Ausweisung der Räumungsangelegenheiten erfasst. Die Sozialämter der Bezirke melden der zuständigen Senatsverwaltung für Soziales quartalsweise die eingegangenen Räumungsklagemitteilungen von den Amtsgerichten. Die Daten für 2011 liegen noch nicht aus allen Bezirken vor. Im Jahr 2009 sind 9.072 Räumungsklagen eingegangen und 2010 waren es 9.934. Die Daten sind mit folgenden Einschränkungen zu betrachten: - die Angaben sind nicht vollständig, da in Neukölln und Reinickendorf seit April 2006 die Jobcenter (JC) und Sozialämter die Amtsgerichtsmitteilungen getrennt erhalten. Die JC schicken nur die Meldungen an das jeweilige Sozialamt weiter, die sie nicht zuordnen können, - 2009 fehlen aus dem Bezirksamt Neukölln Angaben für das 3. und 4.Quartal - 2010 sind auch teilweise Daten des Jobcenters Neukölln enthalten (nur die Anzahl der gestellten Mietentschuldungsanträge aufgrund mitgeteilter Räumungsklagen). Die Räumungsklagen werden nicht getrennt nach vorhandenen Mietschulden oder anderen Gründen erfasst. Überwiegend handelt es sich aber bei den Klagegründen um Mietschulden. 2. Wie häufig ist in Berlin 2009, 2010 und 2011 die Räumung einer Wohnung durch die zuständigen GerichtsvollzieherInnen terminiert worden? Wie viele Räumungen sind tatsächlich durchgeführt worden? Zu 2.: Eine entsprechende Statistik wird bei den Berliner Amtsgerichten nicht geführt. Statistisch erfasst wird lediglich, wie viele Zwangsvollstreckungsaufträge die einzelnen Gerichtsvollzieher/innen erhalten. Eine Unterscheidung nach Räumungs- oder sonstigen Vollstreckungsaufträgen wird dabei nicht vorgenommen. Die Sozialämter der Bezirke melden der zuständigen Senatsverwaltung für Soziales quartalsweise die eingegangenen Räumungsmitteilungen von Gerichtsvollziehern . Die Daten für 2011 liegen noch nicht aus allen Bezirken vor. Im Jahr 2009 sind 5.021 Räumungsmitteilungen eingegangen und 2010 waren es 5.603. Wie viele Räumungen tatsächlich durchgeführt wurden ist nicht bekannt. Die Sozialämter bzw. Jobcenter erhalten keine entsprechenden Meldungen von den Gerichtsvollziehern /innen. 3. Wie dokumentieren die Berliner Amtsgerichte sowie die zuständigen GerichtsvollzieherInnen in Berlin Räumungsklagen, Räumungsterminierungen und durchgeführte Räumungen? Welche Daten über die betroffenen Menschen und Haushalte sowie die Höhe der aufgelaufenen Mietschulden werden dabei erfasst? Zu 3.: Zur Beantwortung wird zunächst auf die Antwort zu 2. verwiesen. Auch der/die einzelne Gerichtsvollzieher /in erfasst lediglich, wie viele Zwangs- Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10269 vollstreckungsaufträge er/sie erhält, ohne darin eine Unterscheidung zwischen Räumung oder Vollstreckung vorzunehmen. Bei entsprechendem zeitlichem Vorlauf wäre durch Befragung der einzelnen Gerichtsvollzieher /innen unter Umständen ermittelbar, wie viele Räumungen jeder einzelne von ihnen im Jahr 2011 durchgeführt hat. Hintergründe oder Einzelheiten wie Mietschuldenhöhe etc., die bei der Räumungsvollstreckung keine Rolle spielen, werden von den Gerichtsvollziehern/innen indessen nicht erfasst. 4. Wie hoch ist die Summe der Mietschulden, die 2009, 2010 und 2011 bei den Berliner Wohnungsunternehmen aufgelaufen sind (bitte nach privaten VermieterInnen und landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften unterscheiden )? Zu 4: Nach Umfrage bei allen landeseigenen Wohnungsunternehmen stellen sich die jährlichen Mietschulden wie folgt dar. Die Gemeinsame Berliner Wohnen GmbH (GDE), welche von der Degewo und der Gesobau jeweils hälftig erworben wurde, ist separat ausgewiesen. Mietschulden der Wohnungsbaugesellschaften (WBG) in Mio. EUR WBG 31.12.2009 31.12.2010 31.12.2011 Degewo 8,4 5,8 5,9 Gesobau 2,5 2,0 1,9 GeWoBaG 4,8 4,7 4,1 HoWoGe 0,7 0,8 0,6 Stadt und Land 3,6 3,2 3,8 WBM 2,3 1,9 1,6 GeDe 0,36 0,28 0,31 Summe 22,66 18,68 18,21 Insgesamt ist bei den Mietschulden eine abnehmende Tendenz erkennbar, was durch das verbesserte Forderungsmanagement der Gesellschaften zu erklären ist. Angaben zu Mietschulden bei privaten Vermietern/innen liegen dem Senat nicht vor. 5. Wie wird in Berlin und in den einzelnen Bezirken die gesetzliche Verpflichtung umgesetzt, dass die Amtsgerichte dem örtlich zuständigen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende sowie dem zuständigen örtlichen Träger der Sozialhilfe oder der von diesen beauftragten Stellen über den drohenden Wohnungsverlust aufgrund einer Räumungsklage wegen Mietschulden informieren müssen (§ 22 Abs. 9 SGB II und § 36 Abs. 2 SGB XII)? Wie erfolgt die jeweilige Koordination zwischen SGB-II- und SGB-XII-Träger? Zu 5.: Die Amtsgerichte schicken alle eingegangenen Räumungsklagen an die Sozialämter der einzelnen Bezirke, außer in Neukölln und Reinickendorf. In diesen beiden Bezirken gehen die Räumungsklagen getrennt nach § 36 Abs. 2 SGB XII und § 22 Abs. 9 SGB II an die Sozialämter und Jobcenter. Letztgenannte geben alle Mitteilungen, die ihren Kunden nicht zugeordnet werden können, an die Sozialämter weiter. 6. Welche Schritte unternehmen die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende sowie die örtlichen Träger der Sozialhilfe in Berlin, wenn sie über eine Räumungsklage oder eine terminierte Räumung (Informationspflicht nach § 181 Geschäftsanweisung für Gerichtsvollzieher - GVGA) informiert werden? Zu 6.: In den Bezirken - bis auf Neukölln und Reinickendorf - schreiben die Sozialämter alle Beklagten an und verweisen auf Beratung und Unterstützung im Sozialamt oder Jobcenter. Dieses in der Regel mit der Angabe des/der konkreten Ansprechpartners/in und der Bitte dort einen Termin zu vereinbaren. Wenn es sich bei den Beklagten erkennbar um Familien mit minderjährigen Kindern handelt, werden die Räumungsklagen bzw. Gerichtsvollziehermitteilungen an die Jugendämter weitergegeben. In entsprechenden Fällen werden auch die Sozialpsychiatrischen Dienste der Bezirksämter vom Sozialamt in Kenntnis gesetzt. In Neukölln und Reinickendorf gilt das beschriebene Verfahren der Sozialämter nur für eingegangene Räumungsklagen gem. § 36 Abs. 2 SGB XII. Die dortigen Jobcenter nehmen die Aufgaben im Zusammenhang mit Räumungsklagen gem. § 22 Abs. 9 SGB II in eigner Verantwortung war. Die Zusammenarbeit bei Räumungsklagen und Gerichtsvollziehermitteilungen zwischen den Jobcentern und Sozialämtern sind unterschiedlich in den Bezirken geregelt. Berlin, den 30. März 2012 In Vertretung Michael B ü g e _________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 05. April 2012) 2