Drucksache 17 / 10 289 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Klaus Lederer (LINKE) vom 06. März 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 08. März 2012) und Antwort BWB-Teilprivatisierung und EU-Beihilferecht Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie bewertet der Senat die Vorschriften über die Tarifkalkulation der BWB (BerlBetrG in Verbindung mit Wassertarifverordnung und Verordnung über die angemessene Verzinsung des betriebsnotwendigen Kapitals der Berliner Wasserbetriebe (BWB)) in Verbindung mit der Ausgleichspflicht des Landes Berlin aus § 23 Abs. 7 des Konsortialvertrages zur Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe (daraus folgend: vertraglich garantierte Kalkulationsvorschriften und -grundsätze) aus beihilferechtlicher Perspektive? 2. Trifft es zu, dass durch die unter 1. genannten rechtlichen Bindungen berechenbare und kalkulierte Gewinnausschüttungen für die privaten Anteilseigner der BWH in weitgehend festgelegter Höhe entstehen, die sich via vertraglich garantierter kalkulatorischer Verzinsung in der Tarifkalkulation aus den Kundenentgelten der Wasserver - und Abwasserentsorgung der BWB AöR speisen? 3. Trifft es zu, dass das Land wegen § 23 Abs. 7 des Konsortialvertrags zur Teilprivatisierung der BWB verpflichtet ist, die unter 2. genannten Gewinnausschüttungen an die privaten Anteilseigner auch dann – durch Verzicht auf eigene Gewinnansprüche bzw. durch Zahlungen aus dem Landeshaushalt – sicherzustellen, wenn Berlin die gesetzlichen bzw. Verordnungsvorgaben zur Tarifkalkulation zu Lasten des erwarteten Gewinns der Anteilseigner ändern sollte? Zu 1. - 3.: Die rechtlichen Grundlagen für die Kalkulation der Tarife der Berliner Wasserbetriebe im Berliner Betriebe-Gesetz in Verbindung mit der Wassertarifverordnung sowie die BWB-Kapitalverzinsungsverordnungen für die einzelnen Jahre sind offenkundig und daher nicht erläuterungsbedürftig. Auch die vertraglichen Regelungen zwischen dem Land Berlin und den privaten Anteilseignern der Berliner Wasserbetriebe sind inzwischen öffentlich und daher ebenfalls im Einzelnen bekannt. Die beihilferechtliche Bewertung ist Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Schriftwechsels der Bundesregierung mit der Europäischen Kommission, auf dessen Einzelheiten im gegenwärtigen Stadium nicht näher eingegangen werden kann. 4. Welche marktkonform ermittelte Gegenleistung steht nach Ansicht des Senats den wirtschaftlichen Vorteilen gegenüber, die den privaten Investoren durch diesen gestaffelten Ausgleichsanspruch aus § 23 Abs. 7 des Konsortialvertrags zur Teilprivatisierung der BWB gegen das Land Berlin eingeräumt werden – völlig unabhängig von Effizienzmaßstäben und betrieblichem Erfolg, der sich im natürlichen Monopol bei kalkulatorischen Preisen ohnehin schwer bemessen lässt? Zu 4.: Die Gegenleistung der privaten Anteilseigner ist in der Zahlung der Einlagen im Rahmen der stillen Beteiligungen an den BWB sowie den sonstigen, im Konsortialvertrag von den Investoren und ihren jeweiligen Muttergesellschaften übernommenen Verpflichtungen zu sehen. Dem Vertrag lag ein Angebot zugrunde, das sich im Rahmen eines offenen, transparenten und diskriminierungsfreien Bieterwettbewerbs auf internationaler Ebene durchgesetzt hatte und ausgewählt wurde. 5. Liegt nach Ansicht des Senats in der disproportionalen Gewinnverteilung und dem Ausgleichsanspruch der privaten Anteilseigner in einem natürlichen Monopol eine „staatliche“ Zuwendung bzw. eine Zuwendung „aus staatlichen Mitteln“ insoweit, als das Land entweder auf ihm nach Aktienrecht zustehende Gewinnanteile (und damit auf Einnahmen zugunsten des Landeshaushalts) verzichtet oder sogar direkt aus dem Landeshaushalt zum Ausgleich verpflichtet ist? 6. Inwieweit ist aus Sicht des Senats nach dem weiten Beihilfebegriff des Art. 107 Abs. 1 AEUV aufgrund der genannten vertraglichen Ausgleichsverpflichtung des Landes Berlin gegenüber den privaten Investoren eine Wettbewerbsverzerrung schon denkbar, weil im Vergleich Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 289 zu anderen Wasserunternehmen das Land Berlin überkompensatorisch für unternehmerische Risiken geradesteht , die europäische oder deutsche Versorgungsunternehmen im Wettbewerb um den Wassermarkt in Ausschreibungs- und Vergabeverfahren für Wasserdienstleistungen regelmäßig selbst tragen müssen? Zu 5. und 6.: Es gibt keine dem Land nach Aktienrecht zustehenden Gewinnanteile bei den BWB. Im Übrigen gilt auch hier die Aussage im letzten Satz der Antwort zu den Fragen 1 bis 3. 7. Inwieweit ergeben sich aus dieser Einstandspflicht Berlins für die Gewinnausschüttungen an RWE und Veolia für beide privaten Versorgungskonzerne möglicherweise im Vergleich zu anderen Wasserversorgern verbesserte Refinanzierungskonditionen für Kredite? Zu 7.: Wie sich aus der Antwort zu Frage 4 ergibt, enthält die auf bestimmte Kalkulationsbestandteile bezogene Ausgleichsregelung in § 23.7 des Konsortialvertrages keine unbedingte Einstandspflicht des Landes. 8. Hat das Land Berlin im Rahmen der Teilprivatisie- rung der BWB für die Kaufpreisrealisierung durch eine stille Einlage von Kapital in den BWB AöR seitens RWE und Veolia (bei gleichzeitiger Entnahme von Kapital in gleicher Höhe aus den BWB durch das Land Berlin) Sicherheiten (z. B. durch Bürgschaftsübernahme) geleistet? Wenn ja, welche und in welcher Höhe? Zu 8.: Nein. 9. Hält der Senat an seiner äußerst knappen Antwort vom 11.3.2011 auf meine Kleine Anfrage vom 1.3.2011 (Drucksache 16/15249) fest, „ein Grund für die Annahme einer notifizierungspflichtigen Beihilfe“ werde „nicht gesehen“? Zu 9.: Ja. 10. Liegen dem Senat seit seiner Beantwortung mei- ner Kleinen Anfrage (Drucksache 16/15249) neue Expertisen oder Anhaltspunkte zur Beurteilung dieser Frage vor? Wenn ja, welche? Zu 10.: Ja. Es gibt dazu eine Stellungnahme der Bundesregierung gegenüber der Europäischen Kommission, zu der das Land im Vorfeld einen Textvorschlag unterbreitet hatte. Berlin, den 23. März 2012 In Vertretung Dr. Margaretha Sudhof Senatsverwaltung für Finanzen (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 16. April 2012) 2