Drucksache 17 / 10 294 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Klaus Lederer (LINKE) vom 08. März 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 08. März 2012) und Antwort Kalkulatorische Kosten in den Berliner Wasserpreisen Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: Soweit in der Antwort auf die Kleine Anfrage auf Zahlenmaterial oder bilanzielle Herleitungen zurückgegriffen wird, stammen diese aus Zuarbeiten der Berliner Wasserbetriebe (BWB). 1. Welche Möglichkeiten sieht der Senat von Berlin zur Dämpfung des Wasserpreises, ohne dass dadurch der vertragliche Ausgleichsmechanismus des § 23 Abs. 7 des Konsortialvertrags zwischen RWE, Veolia und Land Berlin zulasten Berlins ausgelöst wird? a. Welche dieser Möglichkeiten wirken sich auf die realen Kosten aus? Mit welchen Folgen für die betrieblichen Abläufe und für die Beschäftigten in den Berliner Wasserbetrieben wäre das gegebenenfalls verbunden ? b. Welche dieser Möglichkeiten betreffen ausschließlich kalkulatorische Kostenansätze, die die Berliner Wasserkund *innen preiswirksam belasten? Zu 1., 1.a. und 1.b.: Die Wasserpreise können durch Absenkung der tatsächlichen Kosten, ohne dass das Land Berlin nach § 23.7 Konsortialvertrages ausgleichspflichtig gegenüber den privaten Investoren wird, stabilisiert werden . Die tatsächlichen Kosten lassen sich durch Hebung von Effizienzen im Betrieb senken. Die BWB evaluieren zzt. die Möglichkeiten zur Senkung der operativen Kosten . Die Auswirkungen u.a. auf Aufbau- und Ablaufstrukturen und Beschäftigte werden dem Aufsichtsrat in einer der nächsten Sitzungen vorgestellt. Ein Gewinnverzicht der Anteilseigner, wie für das Geschäftsjahr 2012 angestrebt, kann ebenfalls – als Ausnahme – die Wasserpreise stabilisieren. Dazu bedarf es jedoch eines Konsenses mit den privaten Investoren. Derzeit laufen Gespräche mit RWE und Veolia um für 2012 einen gemeinsamen Gewinnverzicht zu erklären. Bei der „Dämpfung“ des Wasserpreises über die Minderung der kalkulatorischen Kosten wird der Konsens mit den privaten Investoren angestrebt, um so ein etwa bestehendes Risiko einer Ausgleichspflicht des Landes Berlin zu vermeiden. 2. Wie wird mit Sonderposten und Zuschüssen umgegangen ? Gibt es das Land Berlin oder die BWB rechtlich bindende Vorschriften oder Vereinbarungen dazu, dass Sonderposten und Zuschüsse ratierlich tarifwirksam aufzulösen bzw. nicht aufzulösen sind? Zu 2.: Die Erträge der BWB aus der Auflösung der Sonderposten wurden bis 2003 tarifmindernd in der Kalkulation angesetzt. Diese Praxis wurde mit der Umstellung der Abschreibung auf Basis von Anschaffungs- und Herstellungskosten auf die Abschreibung auf Basis der Wiederbeschaffungszeitwerte aufgegeben. a. Welche Folgen hat es für die Wasserpreisentwicklung , ob eine Auflösung erfolgt oder eben nicht? Zu 2.a.: Sollten die Auflösungserträge aus den Baukosten /Sonderposten tarifmindernd berücksichtigt werden , würde dies den Wassertarif senken. Bei Durchsetzung von Maßnahmen in Rahmen der Tarifkalkulation muss grundsätzlich eine ggf. nach § 23.7 Konsortialvertrag bestehende Ausgleichspflicht des Landes Berlin beachtet und vermieden werden. b. Welche Folgen hat die gewählte Verfahrensweise für die Entwicklung der Abrechnung der Kosten für die Entwässerung der öffentlichen Straßen und Plätze, die als Aufgabe des Landes Berlin in Verwaltungshilfe durch die BWB wahrgenommen und Berlin in Rechnung gestellt werden, und wie wäre es anderenfalls? Zu 2.b.: Die Kosten für die Entwässerung der öffentlichen Straßen und Plätze würden sich für Berlin reduzieren . Hinsichtlich der Risikobewertung vgl. Antwort zu Frage 2.a.. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 294 3. Werden bereits einmal aus den Wasserpreisen fi- nanzierte Gewinnrücklagen im Rahmen des Betriebsnotwendigen Kapitals der BWB (BNK) ein weiteres Mal bei der kalkulatorischen Kostenermittlung verzinst und damit ergebniswirksam gemacht? Gibt es das Land Berlin oder die BWB rechtlich bindende Vorschriften oder Vereinbarungen dazu, dass so zu verfahren bzw. nicht zu verfahren ist? Zu 3.: Nach § 16 Abs. 5 Berliner Betriebe-Gesetz (BerlBG) wird das betriebsnotwendige Kapital verzinst. Das betriebsnotwendige Kapital setzt sich nach Maßgabe der Anlage zu § 2 Wassertarifverordnung aus dem betriebsnotwendigen Vermögen vermindert um das Abzugskapital zusammen. Die Gewinnrücklagen sind bei den hierbei zu berücksichtigenden Bilanzpositionen nicht als Abzugskapital aufgeführt. a. Welche Folgen hat es für die Wasserpreisentwicklung , ob eine solche erneute Einbeziehung erfolgt oder eben nicht? b. Welche Folgen hat es für die Entwicklung der Abrechnung der Kosten für die Entwässerung der öffentlichen Straßen und Plätze, die als Aufgabe des Landes Berlin in Verwaltungshilfe durch die BWB wahrgenommen und Berlin in Rechnung gestellt werden? Zu 3.a. und 3.b.: Sollten zukünftig die Gewinnrücklagen bei der Ermittlung des betriebsnotwendigen Kapitals abgezogen werden, würde sich in diesem Umfang das betriebsnotwendige Kapital verringern. Der Effekt aus der niedrigeren Verzinsung würde den Wassertarif entlasten. Hinsichtlich der Risikobewertung vgl. Antwort zu Frage 2.a.. Die Kosten für die Entwässerung der öffentlichen Straßen und Plätze sind hiervon nicht betroffen. 4. Wie wird in Bezug auf die Abschreibungszeiträume beim Anlagevermögen der BWB (spezifiziert nach den konkreten Typen von Anlagegütern bei Netzen und Aufbereitungsanlagen ) verfahren? Zu 4.: Die Abschreibungsdauer richtet sich nach der Anlagenklasse. Brunnen werden über einen Zeitraum von 12 Jahren abgeschrieben, Wasseraufbereitungsanlagen zwischen 10 und 25 Jahren, Wasserverteilungsanlagen (Rohrnetz) zwischen 30 und 40 Jahren. Maßgeblich sind die voraussichtliche technische Nutzungsdauer und handels - und steuerrechtliche Vorschriften. Die in der Tarifkalkulation für den Wasserpreis angesetzten Nutzungsdauern entsprechen grundsätzlich den handelsrechtlichen. a. Wie stellt sich diese Praxis im Vergleich zu anderen deutschen Wasserver- und Abwasserentsorgungsunternehmen dar? b. Gibt es ingenieurtechnische Standards oder branchenspezifische Empfehlungen zu Abschreibungszeiträumen bei den Anlagegütern in der Siedlungswasserwirtschaft ? Wenn ja, welche, und wie stellt sich die Praxis der BWB im Vergleich dazu dar? Zu 4.a. und 4.b.: Die vom Aufsichtsrat der BWB ausgewählte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PFK Fasselt Schlage hat im Rahmen der letzten Tarifprüfung die Nutzungsdauern der BWB analysiert und diese mit den Nutzungsdauern anderer Wasserver- und Abwasserentsorger verglichen. Diese Prüfung hat ergeben, dass die BWB mit der Übernahme handelsrechtlicher Nutzungsdauern für kalkulatorische Zwecke weitestgehend Nutzungsdauern im unteren Bereich der jeweiligen Branche ansetzen. c. Gibt es rechtlich bindende Vorschriften oder Vereinbarungen , die die Praxis der BWB vorschreiben, oder sind hier Veränderungen möglich, die aus den geltenden ingenieurtechnisch-betriebswirtschaftlichen Standards begründbar sind? Zu 4.c.: Die Abschreibungsdauer ist in § 253 Abs. 2 Handelsgesetzbuch (HGB) geregelt. Für eine Vielzahl von Anlagegütern sind steuerlich anerkannte Abschreibungstabellen nach Anlagegütern veröffentlicht, welche vor allem branchenübergreifende Nutzungsdauern für Betriebsgebäude, Maschinen und Anlagen darstellen. Die speziellen Anlagen der Wasserversorgung sind hier nicht erfasst. Die Bund/Länder Arbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) gibt hier nur Empfehlungen. Anpassungen sind möglich, sie liegen in der Verantwortung der BWB. d. Wie wirkt sich eine Verlängerung bzw. Verkürzung der Abschreibungszeiträume auf die Wasserpreisentwicklung aus? Zu 4.d.: Grundsätzlich ist darauf hinzuweisen, dass eine Verlängerung der Nutzungsdauer über die Gesamtperiode immer zu zusätzlichen Kosten führt, da mit der Verlängerung immer auch eine erhöhte kalkulatorische Verzinsung einhergeht. Kurzfristig wirkt diese Maßnahme tarifentlastend, langfristig tarifsteigernd. Der Effekt aus der Anpassung der Nutzungsdauer ist abhängig von der Anlagenklasse sowie von der unterstellten Nutzungsdauerveränderung . e. Wie wirkt sich eine Verlängerung bzw. Verkürzung der Abschreibungszeiträume auf die Entwicklung der Abrechnung der Kosten für die Entwässerung der öffentlichen Straßen und Plätze aus, die als Aufgabe des Landes Berlin in Verwaltungshilfe durch die BWB wahrgenommen und Berlin in Rechnung gestellt werden? Zu 4.e.: Die Abrechnung der BWB gegenüber dem Land Berlin zur Entwässerung der öffentlichen Straßen und Plätze erfolgt vertragsgemäß auf der Grundlage von Abschreibungen zu Anschaffungs- und Herstellungskosten . Eine Verlängerung der Nutzungsdauer der Abwasserkanäle , der Abwasserförder- sowie Abwasserreinigungsanlagen auf den Branchendurchschnittswert würden die jährliche Zahlung des Landes an die BWB kurzfristig senken. Jedoch auch hier träte der mittel- und langfristige Effekt der höheren Verzinsung des betriebsnotwendigen Kapitals auf. 2 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 294 3 5. Wann ist die letzte unabhängige Bewertung des Anlagevermögens der BWB erfolgt? Wie wurde die Unabhängigkeit dieser Bewertung verfahrensmäßig sichergestellt ? Zu 5.: Die Prüfung der richtigen wertmäßigen Darstellung des Anlagevermögens in der Bilanz der BWB ist eine wichtige Prüfungshandlung bei jeder Jahresabschlussprüfung . Diverse voneinander unabhängige Prüfungsgesellschaften sind zur Feststellung gelangt, dass die Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der BWB ein zutreffendes Bild vermittelt. Eine Neubewertung des Anlagevermögens ist mit diesen Prüfungen jedoch nicht verbunden. Das Anlagevermögen wird entsprechend dem Handelsgesetzbuch zu seinen historischen Anschaffungs- und Herstellungskosten bewertet. Eine Neubewertung des Anlagevermögens zu aktuellen Zeitwerten hat nur im Rahmen des DMBilanzgesetzes für das vom ehemaligem Volkseigenen Betrieb Wasserversorgung und Abwasserbehandlung (VEB WAB) im Ostteil der Stadt zum 1. Juli 1990 übernommene Anlagevermögen durch eine von den BWB beauftragte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft stattgefunden . 6. Wie werden die Kosten kalkuliert, die die BWB dem Land Berlin für die Straßenregenentwässerung in Rechnung stellt? Werden den BWB nur tatsächliche Kosten oder auch kalkulatorische Kosten (wie z.B. die Verzinsung des BNK) erstattet? Ist der Senat der Auffassung, dass diese Abrechnungsmethode dem „Rahmenvertrag über die Straßenregenentwässerung“ (Anlage 32 zum Konsortialvertrag) entspricht? Zu 6.: Die Kalkulation der Entgelte für die Entwässerung öffentlicher Straßen und Plätze erfolgt entsprechend der Kalkulation aller Kostenträger im Bereich Abwasser. Eine Ausnahme bildet der Ansatz von Abschreibungen auf Anschaffungs- und Herstellungskosten. Die Abrechnungspraxis der BWB wurde vom Verwaltungsgericht Berlin 2007 unter Berücksichtigung des ihnen zuerkannten Ermessensspielraums nicht beanstandet. Unter der Federführung der Senatsverwaltung für Finanzen verhandelt das Land mit den BWB über eine Anpassung der Abrechnungspraxis. 7. Wie erfolgt die in §8 Abs. 5 des „Rahmenvertrags“ vorgesehene Abstimmung „mit Blick auf die verfügbaren Haushaltsmittel unter Berücksichtigung der Möglichkeiten zur Kostensenkung? Zu 7.: § 8 Absatz 5 des Rahmenvertrags Regenentwässerung zwischen dem Land Berlin und den BWB regelt, dass die BWB jeweils im Voraus die zu erwartenden Kosten des Jahres und die Maßnahmen zum Betrieb und zur Unterhaltung des Kanalnetzes darlegen. Dieser Verpflichtung kommen die BWB regelmäßig nach. Der Aufgabenplan wird vom Land genehmigt. Dabei gilt das Äquivalenz- und Gleichheitsprinzip, die Kostenverteilung des Bereichs Abwasser darf nicht zugunsten des Landes und zu Lasten der übrigen Kundinnen und Kunden der BWB ausgelegt werden. Kostenbegrenzungen und - senkungen im Hinblick auf verfügbare Haushaltsmittel sind vor dem Hintergrund des Verwaltungsgerichtsurteils vom 12. Februar 2007 ausgeschlossen. Berlin, den 17. April 2012 In Vertretung Nicolas Z i m m e r Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 07. Mai 2012)