Drucksache 17 / 10 296 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage der Abgeordneten Michael Schäfer (GRÜNE) vom 08. März 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 09. März 2012) und Antwort Herkunft des Holzes für Berliner Vattenfall-Kraftwerke Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. gssystemen? fen. h land, tumfeld, ung. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie ist der Umsetzungsstand der in der „Vereinbarung über die Nachhaltigkeit der Biomassebeschaffung zwischen dem Land Berlin und Vattenfall“ (NHV) festgelegten Anwendung von Nachhaltigkeitsstandards bzw. Zertifizierun ¾ Antwort zu 1: Die am 15. April 2011 zwischen dem Land Berlin und Vattenfall unterzeichnete Vereinbarung über die Nachhaltigkeit der Biomassebeschaffung enthält verbindliche Vorgaben zur Anwendung und Einhaltung von entsprechenden ökologischen und sozialen Kriterien für den Einsatz von holzartiger Biomasse in Berliner Vattenfall-Heizkraftwerken. Zur praktischen Umsetzung dieser Vereinbarung findet ein regelmäßiger Fachaustausch zwischen dem Land Berlin und Vattenfall statt, insbeondere zu den Sachverhalten indirekte Effekte, Nutzung von Kurzumtriebsplantagen, Verwertung von biogenen Stof Laut Nachhaltigkeitsvereinbarung werden Vattenfall und der Berliner Senat erstmalig im Jahr 2013 eine Dokumentation über die Einhaltung der vereinbarten Nachhaltigkeitskriterien sowie konkrete Angaben über Herkunft, Art und Einsatzort der von Vattenfall in den Berliner Kraftwerken eingesetzten Biomasse erstellen und diese Ergebnisse in Form eines Berichtes veröffentlichen. ¾ Frage 2: Welche Nachhaltigkeitsstandards bzw. Zertifizierungssysteme werden zur Anwendung gebrac t? ¾ ISO TC 248 „Sustainability Criteria for Bioenergy“. Antwort zu 2: In der Nachhaltigkeitsvereinbarung verpflichten sich Vattenfall und das Land Berlin bei der Beschaffung von holzartiger Biomasse die dort genannten Nachhaltigkeitskriterien einzuhalten. Diese umfassen u.a. ¾ Treibhausgasreduzierung, ¾ Schutz von Ökosystemen mit einer großen biologischen Vielfalt wie Primärwälder und Grün ¾ Schutz von Kohlenstoffbeständen wie Torfmoore, ¾ Einhaltung der erforderlichen Umweltqualität, ¾ Wahrung von Arbeitsrechten, Wahrung von Land- und Landnutzungsrechten, ¾ Wahrung geschäftlicher Transparenz, ¾ Positiver Beitrag zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Akteure im Projek ¾ Verantwortungsvoller Umgang mit lokaler Bevölker Laut dieser Vereinbarung erfolgt die Überprüfung der festgelegten Nachhaltigkeitskriterien grundsätzlich durch Nutzung anerkannter Zertifizierungssysteme, welche die vereinbarten Nachhaltigkeitskrtierien abdecken. Demnach sind derzeit folgende Systeme geeignet: Roundtable on Sustainable Biofuls (RSB) ¾ International Sustainability and Carbon Certifikation (ISCC) ¾ Forest Stewardship Council (FSC) ¾ Programe for Endorsement of Forest Certification (PEPC) Frage 3: Wie ist der Umsetzungsstand der in der o. g. NHV vereinbarten Prüfung indirekter Effekte der Holzexporte, namentlich von a.) der Entwicklung der Holzpreise, b.) der Entwaldungsrate c.) dem Verhältnis von Holzentnahme/Zuwachs? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 /10296 iebsplantagen. Frage 4: Zu welchen Ergebnissen kamen diese Überprüfungen , und wann werden sie veröffentlicht? Antwort zu 3. und 4: Die in der Nachhaltigkeitsvereinbarung vereinbarte Untersuchung zu einem alternativen Ansatz mit spezifischem Fokus auf holzartiger Biomasse zur Vermeidung von indirekten Effekten wurde in den letzten Monaten zwischen beiden Vertragspartnern entwickelt und so vorbereitet, dass diese Untersuchung nunmehr kurzfristig ausgeschrieben und anschließend beauftragt werden soll. Die Ergebnisse werden vermutlich Ende des Jahres 2012 vorliegen. Frage 5: Aus welchen Herkunftsregionen wird derzeit das Holz für die Kraftwerke Moabit und Märkisches Viertel beschafft? Antwort zu 5: Die derzeit zur Mitverbrennung in den Kraftwerken Moabit und Märkisches Viertel eingesetzte Biomasse stammt von regionalen Lieferanten aus einem Radius von max. 150 km. Bei der Biomasse handelt es sich gemäß erteilter Genehmigung um geeignetes Frischholz, v.a. Waldhackschnitzel, Landschaftspflegeholz und Kurzumtr Frage 6: Woher wird nach jetziger Planung das Holz kommen, wenn zukünftig insgesamt ca. 1,3 Mio t/a gebraucht werden? Antwort zu 6: Für die Biomassebeschaffung sollen sowohl regionale als auch überregionale Quellen genutzt werden. Die regionale Beschaffung beruht auf Kooperationen mit Bezirken, Forsten und städtischen Einrichtungen. Daneben werden Kurzumtriebsplantagen in Tagebaugebieten oder in Kooperation mit Brandenburger Landwirten genutzt. Darüber hinaus findet aber auch eine überregionale/weltweite Beschaffung unter strenger Einhaltung von Nachhaltigkeitskriterien statt. Frage 7: Wie bewertet der Senat den aktuellen Bericht von SOMO und Green Advocates, demzufolge das Köhlergewerbe in Liberia, welches bisher von den Firestoneund Bauernplantagen sein Holz bezogen hat, dadurch in Schwierigkeiten gerät, dass dieses Holz dem inneren Holzkohlemarkt fehlt bzw. Verdrängungseffekte z. B. in Waldbestände zu erwarten sind? Frage 9: Wie bewertet der Senat Einschätzungen, dass sich die Preise für Holzkohle in Liberia seit 2007 ungefähr verdoppelt und sich deren Herstellungskosten etwa verdreifacht haben? Frage 10: Hat der Senat Kenntnis über Konflikte mit den liberianischen Bauern, die geltend machen, nur einen Bruchteil der vereinbarten Gelder für das abgelieferte Holz und weniger Hilfe als zugesagt für Neupflanzungen erhalten zu haben? Antwort zu 7, 9 und 10: Im Rahmen der Erarbeitung der Nachhaltigkeitsvereinbarung wurden durch das dazugehörige Gutachten des Instituts für Entsorgung und Umwelttechnik (IFEU) die entsprechenden Nachhaltigkeitskriterien gutachterlich entwickelt und deren Anwen- dung einem Praktikabilitätstest am Beispiel Liberia unterzogen . In diesem Zusammenhang wurden auch die in der Fragestellung genannten Aspekte thematisiert und das IFEU-Institut kam nach einer ersten einfachen Mengebilanz zum Ergebnis, dass der landesweite Holzkohlebedarf von rund 40.000 Mg/a theoretisch durch die Bereitstellung von lediglich 4 Prozent des in Liberia vorhandenen jährlichen Erntepotentials an Kautschukholz (rund 1 Mio) abgedeckt werden könnte. Zudem kam eine aktuelle Untersuchung , die die Auswirkungen der Nutzung unproduktiver Gummibäume und die Wiederaufforstung von Plantagen auf den Holzkohlemarkt untersucht hat, zum Ergebnis , dass es keinen direkten Zusammenhang zwischen den landesweit steigenden Holzkohlepreisen und den Biomasseaktivitäten vor Ort gibt. (http://www.miga.org/documents/Overview_of_Rubb erWood_and_Charcoal_in_Liberia.pdf und http://www.miga.org/news/index.cfm?aid=3277) Das IFEU-Gutachten wies darauf hin, dass eine gesi- cherte und verlässliche Bewertung der regionalen Situation der Holzkohleherstellung und ihrer Beeinflussung durch entsprechende Holzimporte unbedingt einer umfassenderen Analyse bedarf. Laut IFEU-Gutachten beabsichtigt Conservation International eine entsprechende Untersuchung zu starten. Angesichts derartiger Sachverhalte haben Vattenfall und das Land Berlin einen alternativen Ansatz zur Bewertung von derartigen indirekten Effekten entwickelt und vereinbart, diesen – wie in der Antwort zur Frage 3 ausgeführt - gutachterlich untersuchen zu lassen. Sofern es zukünftig zu einer Holzbeschaffung aus Li- beria für die Berliner Vattenfall-Heizkraftwerke kommt, soll durch die Anwendung der in der Vereinbarung festgelegten Nachhaltigkeitskriterien - wie für alle Holzbeschaffungsquellen - gewährleistet werden, dass diese nachhaltig erfolgt. Aktuell gibt es keine Planungen zur Lieferung von liberianischem Holz nach Berlin. Frage 8: Wie bewertet der Senat die Tatsache, dass Buchanan Renewables (BR) laut o. g. Bericht bisher nicht mit dem zugesicherten Bau eines 30 MW-Holzkraftwerks in Monrovia begonnen hat? Antwort zu 8: Laut Buchanan Renewables (BR) sollte das Holzkraftwerk ab Frühjahr 2011 errichtet und im Jahr 2013 in Betrieb genommen werden. Das Land Berlin misst der Errichtung dieses Kraftwerkes eine wichtige Rolle zur Energieversorgung in Liberia und auch zur dortigen Strompreisreduzierung zu. Nach Mitteilung von Vattenfall hat BR bisher nicht alle notwendigen Genehmigungen , um mit dem Bau dieses Kraftwerkes zu beginnen . Frage 11: Wie bewertet der Senat die jüngste Veröf- fentlichung aus dem Potsdam Institut für Klimafolgenforschung zu den Klimarisiken der Biomassenutzung und inwieweit berücksichtigt er diese Erkenntnisse? (http://www.nature.com/nclimate/journal/vaop/ncurrent/fu ll/nclimate1416.html) 2 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 /10296 3 Antwort zu 11: Diese Untersuchung dokumentiert, dass die direkten und indirekten Klimarisiken der Biomassenutzung unbedingt zu berücksichtigen sind. Ansonsten kann es durch direkte und indirekte Effekte dazu kommen, dass der großflächige Anbau von Energiepflanzen sogar bei Berücksichtigung aller Gut- und Lastschriften zu einem größeren Ausstoß an Treibhausgasen gegenüber fossilen Energieträgern führt, wenn beispielsweise Wälder abgeholzt und zu Anbauflächen für den Anbau von Energiepflanzen umgewandelt werden. Vor diesem Hintergrund wurde in der Nachhaltig- keitsvereinbarung dieser wichtige Aspekt thematisiert. Durch die Anwendung der festgeschriebenen Kriterien sollen derartige negative Auswirkungen vermieden werden . In diesem Kontext wurde auch darauf hingewiesen, dass durch den Anbau von Kurzumtriebsplantagen auf brachliegenden Flächen sowohl eine direkte Erhöhung des Kohlenstoffspeichers erfolgt als auch eine indirekte Landnutzungsänderung vermieden wird, da diese Flächen nicht in Konkurrenz zu anderweitigen Nutzungen stehen. Zudem hat der Senat in seinem Abfallwirtschaftskon- zept 2011 verbindlich festgelegt, dass die in Berlin anfallenden biogenen Abfälle zukünftig einer hochwertigen und klimaschonenden Verwertung zugeführt werden sollen. Bei der klimaschonenden Verwertung biogener Abfälle entstehen derartige indirekte Effekte nicht. Berlin, den 05. April 2012 In Vertretung C h r i s t i a n G a e b l e r ........................................... Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 13. April 2012)