Drucksache 17 / 10 310 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Stefan Gelbhaar (GRÜNE) vom 13. März 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 14. März 2012) und Antwort Wie offen geht Berlin mit seinen Daten um? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wird das Land Berlin ebenfalls die vorhandenen Daten kostenlos verfügbar machen, wenn ja, wann (bitte detaillierter Zeitplan in Monatsschritten) und in welchem Umfang? Wenn nein, wieso nicht? Wann ist mit konkreten Handlungsempfehlungen und Maßnahmen zu rechnen? Wie sieht der Zeitplan des Berliner Senats aus, bis zu dem alle Daten in offenen, maschinenlesbaren, wohldefinierten und dokumentierten Formaten vorliegen? Wer legt die Priorisierung nach welchen Kriterien fest? Zu 1.: Das Land Berlin stellt bereits Datenbestände kostenlos zur Verfügung. Im Rahmen eines Projekts, gefördert aus dem Programm „ServiceStadt Berlin“ wurde am 14. September 2011 ein Datenportal freigeschaltet. Zu Beginn waren es 18 Datensätze, heute sind es über 100 in 16 Kategorien. Dies war das erste derartige Angebot in Deutschland. Das Projekt ist seit Ende 2011 abgeschlossen. Der Abschlussbericht des Projektes wurde am 16.02.2012 auf einer Pressekonferenz der Öffentlichkeit vorgestellt. Er liegt auch allen Senatsverwaltungen und Fraktionen vor. Gegenwärtig befassen sich die zuständigen Stellen mit der Prüfung und Bewertung des vorgelegten Abschlussberichts. Insbesondere die 39 Handlungsempfehlungen sind von Bedeutung. Hierzu kann aber noch keine abschließende Stellungnahme abgegeben werden. Vielmehr geht der Senat davon aus, dass die gesamte Verwaltung des Landes schritt- und stufenweise mit diesem neuen Konzept des Umgangs mit öffentlichen Daten in Berührung gebracht wird. Der Senat schätzt ein, dass hier ein umfangreiches, komplexes und ganzheitliches Vorgehen unter Einbeziehung aller Behörden und ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erforderlich sein wird. Die veränderte Vorgehensweise ist breit und ausreichend im Rahmen der rechtlichen Vorgaben zu diskutieren. Die notwendigen konzeptionellen und organisatorischen Arbeiten befinden sich in der Realisierung. Aussagen zu personellen und organisatorischen Entscheidungen sind erst auf der Basis der derzeit laufenden Prüfung und Bewertung des Abschlussberichts möglich. Letztlich sollen die vorhandenen Datenbestände Berlins bis Ende der Legislaturperiode auch über das Datenportal recherchierbar und verknüpfbar sein. 2. Welche Ausbaustufen sind dabei für das eigene Portal daten.berlin.de vorgesehen? Wie will der Senat den Regelbetrieb des Berliner Datenportals sichern? Wann gibt des eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe für den Ausbau des Berliner Datenportals und wer werden ihre Mitglieder sein? Wer ist der/die redaktionell Verantwortliche , der die Redaktion für das Berliner Datenportal leitet und koordiniert? Wer ist der/die verantwortliche Redakteur/in des Berliner Datenportals, der die Verantwortung für die Interaktion mit den Nutzern trägt und koordiniert? Wie und in welchen Zeitabläufen organisiert der Senat die benötigten und passenden Weiterbildungsmaßnahmen für die Beschäftigten? Zu 2.: Gegenwärtig sind zwei Ausbaustufen vorgesehen: - Phase 1: Aufbau eines Regelbetriebes durch Übernahme und Anpassung aus dem Laborbetrieb der Projektphase - Phase 2: Ausbau und Weiterentwicklung des inhaltlichen Angebots und der technischen Performance des Portals Zu personellen und organisatorischen Entscheidungen s. Antwort zu 1. Weiterbildungsangebote zum Einsatz von Softwarewerkzeugen für das Sammeln, Aufbereiten, Visualisieren und Exportieren von Daten bestehen bereits. So arbeiten heute schon mehr als 40 Anwenderinnen und Anwender in Bezirks- und Senatsverwaltungen mit dem Werkzeug SimpleSearch innerhalb des Content Managment Systems Imperia für Berlin.de. Hierzu Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 310 werden seit 2011 zweimal jährlich Lehrgänge bei der Verwaltungsakademie Berlin angeboten. 3. Kennt der Senat den Datenbestand des Landes Berlin, also neben der Berliner Verwaltung auch den nachgeordneten Behörden, Museen, Archiven? Wenn ja, wo ist dieser gelistet? Wenn nein, wann wird eine entsprechende Daten-“Inventur“ eingeleitet, bis wann ist sie abgeschlossen? Wann und in welcher Form wird die Liste der Datenbestände veröffentlicht? Zu 3.: Aufgrund der Ressorteigenverantwortung und der zweistufigen Verwaltung im Land Berlin gibt es kein zentrales Register für Datenbestände. Eine „Dateninventur “ ist aus Sicht des Senats nicht erforderlich, da das Datenportal allen Behörden zum Verweis auf ihre Datenbestände offen steht. Sie werden dies weiterhin eigenverantwortlich bearbeiten. Der eingestellte Datenbestand ist dann im Register des Datenportals zu finden. 4. Welche Vereinbarungen gibt es mit dem gemeinsamen aktuellen und künftigen Datenbestand von Berlin und Brandenburg, beispielsweise bezüglich des Datenbestandes am Flughafen BER? Zu 4.: Berlin ist mit dem Land Brandenburg zur Öffnung der Datenbestände im Gespräch. Aus dem Amt für Statistik Berlin-Brandenburg liegen bereits länderübergreifende Datensätze vor. In Brandenburg gibt es aber noch keine konkreten Aktivitäten zur Umsetzung dieses Ansatzes. Dementsprechend ist es für Vereinbarungen noch zu früh. 5. Welche einheitlichen Regeln hat der Senat für die Veröffentlichung der Daten definiert? Wann wird der notwendige Kriterienkatalog zur Auswahl von Daten für das Berliner Datenportal vorliegen? 6. Wer koordiniert und steuert, und in welchen Formaten plant der Senat die Veröffentlichung? Wer ist im Senat der Open-Data-Verantwortliche? Zu 5. und 6.: Erste Vorschläge für Regeln und Kriterien liegen im Abschlussbericht der Projektgruppe Open Data vor. Sie sind vor allem auf die beschreibenden Metadaten ausgerichtet. Die weitergehend notwendigen konzeptionellen und organisatorischen Arbeiten befinden sich in der Realisierung. 7. Inwiefern sind die datenschutzrechtlichen Belange geklärt, bzw. ist ein Verfahren zur Sicherung des Datenschutzes entwickelt worden? Wie gewährleistet der Berliner Senat, dass generell eine einfache Anonymisierung bereits bei der Datenmodellierung berücksichtigt wird? Zu 7.: Personenbezogenen Einzeldaten werden nicht in das Datenportal aufgenommen. Der Senat wird die Verfahrensweise mit dem Beauftragen für Datenschutz und Informationsfreiheit abstimmen. Um bei der Abfrage von Datenbeständen den Datenschutz zu gewährleisten, hat das Amt für Statistik ein softwaregestütztes Verfahren entwickelt, das automatisch aus Einzeldaten anonymisierte Mikrodaten erzeugt. Damit stehen derartige Datenbestände auch für die Datenverarbeitung und –modellierung zur Verfügung. 8. Ggf. wo sieht der Senat weiteren Klärungsbedarf bezüglich von Rechten Dritter, insbesondere auch von Urheberrechten? Zu 8.: Diese Frage kann gegenwärtig noch nicht abschließend beantwortet werden. 9. Ist dem Senat die Strategie für offene Daten in Europa seitens der Europäischen Kommission bekannt, und wie bewertet er sie? Die Europäische Kommission erwartet durch ihre Strategie einen 40-Milliarden-EuroWachstumsschub pro Jahr. Welche Auswirkungen für Berlin prognostiziert der Senat durch die Veröffentlichung der Daten der Europäischen Union? Zu 9.: Die Strategie der Europäischen Kommission ist dem Senat bekannt. Neben mehr Transparenz von Regierungshandeln und verbesserten Bedingungen für Teilhabe rechnet auch er mit einem wirtschaftlichen Effekt durch die schrittweise Freigabe von Datenbeständen . Erste Auswirkungen waren bereits im Projektzeitraum erkennbar: So entstand bereits zwei Tage nach Einstellung des Wahlergebnisses in maschinenlesbarer Form die „Wahl-App“. Aus der Liste der Berliner Weihnachtsmärkte entstand die „Weihnachtsmarkt-App“. Sie wurde im Monat Dezember 2011 am stärksten über das Portal nachgefragt. Und sie war einer der Preisträger im bundesweiten Wettbewerb „Apps4Deutschland“. Ohne dass der ökonomische Effekt heute bereits beziffert werden kann, ist erkennbar, dass sich bereits eine Wertschöpfungskette von der Datenbereitstellung über das Portal, die Apps-Entwickler, die Provider bis hin zum Kunden entwickelt hat. Mit der Verbreiterung des Datenangebots wird sich diese Tendenz fortsetzen. 10. Welche Auswirkungen für Berlin prognostiziert der Senat durch die Veröffentlichung von Berliner Daten (etwa Geoinformationen in Bezug auf Gelände, Verkehr und Wetter)? Wie wird gesichert, dass – für den Fall der Veröffentlichung - gleiche Wettbewerbsbedingungen bei der Nutzung der Daten gegeben sind? 2 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 310 3 Zu 10.: Der Senat geht davon aus, dass die private Nachfrage und die Verwendung öffentlicher Daten zu deren Qualitätssicherung und –verbesserung beitragen wird. Auch sieht der Senat Potenzial für Effizienzgewinn, wenn andere Behörden ohne lange Suche auf nutzbare Datensätze zugreifen können. Die Daten werden bereits heute diskriminierungsfrei zur Nachnutzung angeboten. Die Nutzungsbedingungen schließen eine exklusive Nutzung aus. 11. Worin und in welcher Höhe sieht der Senat Aufwendungen und Mehrkosten auf der einen und mögliche Einsparpotenziale auf der anderen Seite? Wie will der Senat den offensichtlichen Zielkonflikt zwischen notwendigen Beiträgen zur Haushaltssanierung durch den Verkauf von Datenbeständen (bspw. Geodaten) und der kostenfreien Bereitstellung von Datenbeständen als OpenData auflösen? Wie und wo sollen die notwendigen Investitionen zur Realisierung der veröffentlichten Berliner OpenData-Strategie (gegen-)finanziert werden? Zu 11.: Aufwendungen entstehen durch Betrieb und Pflege (technisch, inhaltlich) des Datenportals und des Datenregisters. Nach einer ersten Abschätzung wird mit Betriebskosten von 150.000 EUR pro Jahr gerechnet. Da viele Daten auf gesetzlicher Grundlage erhoben werden, ist im Umfang der Erhebung und Erfassung auch zukünftig keine Einsparung erkennbar. Einsparungen ergeben sich durch die einfachere Sammlung und Bereitstellung von Datenbeständen durch den Einsatz entsprechender Softwarewerkzeuge und deren zentraler Wartung. Die Transparenz des Datenbestandes kann zur Vermeidung von Doppelerfassungen führen und schafft allen Behörden mehr Überblick über vorhandene Daten. Zusätzliche Formate, wie PDF-Dokumente, müssten eigentlich nicht mehr erzeugt werden. Mit dem Entwurf für eine Novellierung der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. November 2003 über die Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors („PSI-Richtlinie“) vom 13.12.2011 wird von der EU-Kommission ein Vorschlag gemacht, die Aufwendungen für die Erfassung und Aktualisierung von Daten künftig bei der Gebührenbemessung außer Ansatz zu lassen. Der Vorschlag stützt sich auf eine öffentliche Anhörung von September bis November 2011. Danach soll Artikel 6 der „PSIRichtlinie “ dahingehend geändert werden, dass „Gebühren auf die verursachten Zusatzkosten beschränkt“ bleiben, die durch die Verbreitung entstehen. Der Bundesrat hat durch seine Europakammer am 07. Februar 2012 zum Entwurf Stellung genommen. Die Diskussion und die Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht werden zeigen, wie eine Bereitstellung zukünftig erfolgen kann. 12. Inwieweit kooperiert der Senat mit dem Bund bzw. auch mit anderen Bundesländern bei der Verfügbarmachung der landeseigenen Daten? Gibt es einen Erfahrungsaustausch mit anderen Ländern, etwa Frankreich, Großbritannien, USA? Zu 12.: Das Land Berlin ist Mitglied in der Bund- Länder-Arbeitsgruppe „Open Government/Open Data“. Diese arbeitet direkt dem IT-Planungsrat zu, der dieses Thema zu einem seiner Schwerpunkte gemacht hat. Darüber hinaus gibt es bilaterale Kontakte mit Bremen, Hamburg und Baden-Württemberg. Berlin arbeitet in einem EU-Projekt „OpenCities“ aus dem 7. Forschungsrahmenprogramm mit. Eines der sieben Arbeitspakete befasst sich mit Open Data und wird von Berlin geleitet. Im EUROCITIES Netzwerk, einem Verbund von mehr als 140 mittleren und großen Städte aus allen Mitgliedsstaaten ist Anfang 2010 auf Initiative Berlins eine Working Group „Open Data“ eingerichtet worden. Hier arbeiten inzwischen 22 Städte von Helsinki über Wien bis Barcelona unter der Führung Berlins an einer länderübergreifenden Abstimmung zu Datenformaten, Metadaten, Lizenzen und Nutzungsbedingungen. 13. Hat der Senat geprüft, inwieweit die von der EU angekündigten 100 Millionen Euro an Forschungsmitteln im Bereich „Open Data“ auch in Berlin abgerufen werden können? Wenn ja, was ist das Ergebnis? Wenn nein, wieso nicht? Zu 13.: Die neuen Maßnahmen der EU-Kommission wurden der Öffentlichkeit am 12.12.2011 angekündigt. Den Entwurf für das Information and Communication Technologies Policy Support Programme 2012 hat die Kommission am 20.12.2011 veröffentlicht. Darin sind vier Maßnahmen zu Geo-Daten, wissenschaftlichen Daten, Rechtsfragen sowie Wettbewerben im Zusammenhang mit der Öffnung der Datenbestände vorgesehen. Im zukünftigen Innovationsprogramm Horizon2020 ab 2014 sind bis zu 100 Mio. EUR für die Förderung des Open Data-Gedankens vorgesehen. Mit den bisherigen Arbeitsergebnissen und der Mitarbeit in europäischen Netzwerken hat Berlin gute Voraussetzungen für die erfolgreiche Bewerbung um Projektmittel. Daher sieht der Senat den angekündigten Calls mit Interesse entgegen. Berlin, den 10. April 2012 In Vertretung Nicolas Z i m m e r ……………......................................... Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 20. April 2012)