Drucksache 17 / 10 314 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Özcan Mutlu (GRÜNE) vom 12. März 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 14. März 2012) und Antwort Gebärdensprache in Berliner Bildungseinrichtungen Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wann wird der Rahmenlehrplan Gebärden- sprache voraussichtlich verabschiedet? Zu 1.: Das Landesinstitut für Schule und Medien Berlin-Brandenburg (LISUM) hat im Auftrag der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft einen Entwurf eines Rahmenlehrplanes „Deutsche Gebärdensprache (DGS)“ entwickelt. Dieser Entwurf wird nun entsprechend in den vorgesehenen Anhörungsgesprächen mit den entsprechenden Vertreterinnen und Vertretern der Verbände abgestimmt. Die Einführung dieses Rahmenlehrplans ist zum kommenden Schuljahr 2012/13 vorgesehen. 2. Wie bereitet der Senat die Einführung des Rah- menlehrplans vor und wer wird daran beteiligt? Zu 2.: Die Einführung des Rahmenplanes wird durch das Landesinstitut für Schule und Medien Berlin-Brandenburg in der Berliner Schule implementiert. Der Rahmenlehrplan für das Unterrichtsfach „Deutsche Gebärdensprache “ ist ein inklusiver Rahmenlehrplan, daher wird auch für seine Implementierung ein Konzept erarbeitet , das einen inklusiven Ansatz verfolgt. Das LISUM führt in Absprache mit der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft regionale bzw. schulinterne Veranstaltungen/Tagungen durch. Zielgruppe sind sowohl Schulkollegien der sonderpädagogischen Förderzentren als auch Lehrkräfte im gemeinsamen Unterricht, die an inklusiven Rahmenlehrplänen bzw. DGS interessiert sind. 3. Wie viele Erzieher/-innen und Lehrkräfte haben in punkto Gebärdensprache jährlich seit 2005 eine Fortbildung absolviert? Zu 3.: Im Bereich Deutsche Gebärdensprache findet seit Februar 2011 wieder eine zweijährige berufsbegleitende Weiterbildung für Lehrkräfte statt. In dieser Maßnahme werden derzeit 13 Teilnehmer/innen qualifiziert . 4. Welche bilingualen Angebote im Rahmen der Frühförderung gibt es in Berlin für Familien mit hörgeschädigten Kindern im Alter von 0-6 Jahren? Zu 4.: In Berlin werden Kinder mit Hörschädigungen wie alle Kinder mit Behinderungen integrativ in Kindertageseinrichtungen betreut und gefördert. Die betroffenen Kinder erhalten i. d. R. eine 0,5 Erzieherstelle zusätzlich für die Integration und Teilhabe in der Kindergemeinschaft der Kita. Erzieher/innen in Kitas, die mit behinderten Kindern arbeiten, sind nach § 10 Abs. 3 Kindertagesförderungsgesetz (KitaFöG) verpflichtet, die notwendigen fachlichen Qualifikationen zu erwerben, um den besonderen Bedürfnissen des Kindes gerecht zu werden . Nach § 23 Abs. 2 der Sonderpädagogik Ver-ordnung haben Kinder ab 3 Jahren auf Antrag der Eltern außerdem die Möglichkeit, im Rahmen der vorschulischen Förderung in Einrichtungen der öffentlichen und freien Jugendhilfe oder in der Schule mit dem entsprechenden Förderschwerpunkt, eine Förderung zu erhalten. 5. Gibt es im Land Berlin Kindertagesstätten, in denen auf Gebärdensprache als Kommunikationsform zurückgegriffen wird? Zu 5.: In der im August 2011 erschienenen Broschüre: „Informationen und Beratungsangebote für Eltern hörgeschädigter Kinder“ sind u. a. bilinguale Kindertageseinrichtungen und für Kinder ab 3 Jahren vorschulische Frühförderungsangebote an den Sonderpädagogischen Förderzentren mit dem Schwerpunkt Hören zu finden. Die Broschüre ist im Infopunkt der Senatsverwaltung für Bildung , Jugend und Wissenschaft und im Internet unter Berlin. de als Download erhältlich. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 310 6. Gibt es derzeit Modellversuche zur Gebärden- sprache an Schulen oder Förderzentren in Berlin? Zu 6.: Es gab bereits seit dem Schuljahr 2001 einen entsprechenden Schulversuch an der Ernst-Adolf-EschkeSchule . Dieser Schulversuch läuft zum Ende dieses Schuljahres aus. Der Schulversuch diente vor allem dazu methodisch – didaktische Erkenntnisse für die Vermittlung der Deutschen Gebärdensprache zu erhalten. Die Deutsche Gebärdensprache ist seit dem Schuljahr 2011/12 in der Sonderpädagogikverordnung im § 8 (3) explizit verankert worden. Eine Weiterführung des Schulversuches ist daher nicht vorgesehen. 7. Wenn ja, wie lange ist die Laufzeit und ist eine Fortsetzung geplant? Zu 7.: Siehe Antwort zu Frage 6. 8. Welches Fortbildungsangebot bezüglich der Ge- bärdensprache gibt es für Erzieher/-innen und Lehrkräfte in Berlin? Zu 8.: Seit Februar 2011 wird eine zweijährige berufsbegleitende Weiterbildung für Lehrkräfte, die Schüler /innen mit einer Hörbehinderung unterrichten, durchgeführt . Ein neuer Kurs ist für Februar 2013 in Planung. Eine Teilnahme von Erzieherinnen und Erziehern an diesem Kurs ist vorgesehen. 9. Welches Bildungsangebot bezüglich der Gebär- densprache gibt es für Eltern in Berlin? Zu 9.: Die Volkshochschulen in den Bezirken Pankow , Mitte, Steglitz-Zehlendorf und Treptow-Köpenick bieten interessierten Eltern entsprechende Kurse an. Diese Kursangebote sind im Internet auf den jeweiligen Plattformen und den Katalogen informativ dargestellt. Die Ernst-Adolf-Eschke-Schule bietet einen kostenlosen Gebärdenkurs für Eltern an. 10. Wer berät die Eltern gehörloser oder hörge- schädigter Kinder? Zu 10.: Eltern hörgeschädigter Kinder stehen verschiedene Beratungswege offen. „Das Zentrum für sinnesbehinderte Menschen“ mit den Standorten Friedrichshain und Neukölln berät betroffene Familien und leitet erste Hilfemaßnahmen ein. Das Sozialpädiatrische Zentrum der Charité stellt erste Behandlungen sicher und betreut die Familien phoniatrisch und pädaudiologisch. Im schulischen Bereich übernehmen zurzeit die Ambulanzlehrerinnen und Ambulanzlehrer aus dem sonderpädagogischen Förderschwerpunkt „Hören“ diese wichtige Aufgabe. Perspektivisch könnte den noch einzurichtenden inklusiven regionalen Beratungs- und Unterstützungszentren auch bei der Beratung der Eltern gehörloser oder hörgeschädigter Kinder eine besondere Bedeutung zukommen . Beratungsstellen freier Träger sind in der bereits erwähnten Broschüre: „Informationen und Beratungsangebote für Eltern hörgeschädigter Kinder zu finden. 11. Inwieweit sind Schulen sowie Kinder- und HNO-Ärzte über den Stellenwert von Gebärdensprache informiert? Zu 11.: Dem Senat liegen keine Erkenntnisse darüber vor, inwieweit und ob Kinder- und Hals-Nasen-OhrenÄrzte über den Stellenwert von Gebärdensprache informiert sind. 12. Kann sich der Senat bilinguale Angebote zur Ge- bärdensprache in der Frühförderung, der Kita, der Grundschule und der Sekundarstufe I und II vorstellen? Zu 12.: Mit Inkrafttreten des Gesetzes zu Artikel 11 der Verfassung von Berlin (Herstellung gleichwertiger Lebensbedingungen von Menschen mit und ohne Behinderung) am 17. Mai 1999 sind entsprechend des § 12 Abs. 1 dieses Gesetzes lautsprachbegleitende Gebärden und Gebärdensprache neben der Laut- und der Schriftsprache gleichberechtigte Kommunikationsformen der deutschen Sprache. In § 13 Abs. 1 dieses Gesetzes erfolgte darüber hinaus die Festlegung, dass an den Schulen mit dem sonderpädagogischen Förderschwerpunkt Hören in Berlin der Unterricht in Lautsprache, lautsprachbegleitenden Gebärden, Gebärdensprache neben der Schriftsprache erteilt wird. Wie jede andere Sprache kann die Deutsche Gebärdensprache daher auch für jede Schülerin und jeden Schüler sowohl Basis- als auch Zielsprache sein. Die Einrichtung bilingualer Angebote ist für die Zukunft wünschenswert. Eine Verankerung und Einbindung der Deutschen Gebärdensprache erhöht die Akzeptanz dieser Sprache in der Stadt und verbessert die Integration nicht hörender Menschen in unsere Gesellschaft . In der vorschulischen Förderung gibt es bereits entsprechende Angebote. An der Ernst-Adolf-EschkeSchule , einem Sonderpädagogischen Förderzentrum mit dem sonderpädagogischen Schwerpunkt „Hören“ wird die Deutsche Gebärdensprache auf der Grundlage eines offenen /bilingualen Konzepts als Unterrichtssprache im Fachunterricht unterrichtet. Das Fach DGS ist dort 2005 sukzessive eingeführt worden. Die Verteilung dieses Angebots auf die Klassenstufen und Unterrichtsfächer ist im Schulprogramm bis hin zur beruflichen Bildung beschrieben (http://www.eaeschule.de). Auch in der Margarethe-von-Witzleben-Schule, ebenfalls ein Sonderpädagogisches Förderzentrum mit dem sonderpädagogischen Schwerpunkt „Hören“, wurde die Deutsche Gebärdensprache in einem Curriculum konzeptionell verankert . Diese Schule startete im Schuljahr 2010/11 in den Jahrgangsstufen 1 – 4 mit einem Angebot, welches in den folgenden Jahren in die höheren Klassen aufwachsen wird. 13. Wie will der Senat eine stärkere Verankerung und Einbindung der Gebärdensprache in Berliner Bildungseinrichtungen vorantreiben und sicherstellen? 2 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 310 Zu 13.: Die Verabschiedung und Einführung des Rah- menlehrplanes „Deutsche Gebärdensprache“ ist ein wesentlicher Schritt zur Implementierung der DGS in das gesellschaftliche Leben. Weiterhin wird durch die Ambulanzlehrkräfte im Sonderpädagogischen Förderschwerpunkt „Hören“ auf die Bedeutung und Chancen durch DGS hingewiesen. Darüber hinaus unterstützt Berlin die Initiative des Landes Brandenburg in der Kultusministerkonferenz, die Deutsche Gebärdensprache als zweite Fremdsprache anzuerkennen . Berlin, den 13. April 2012 In Vertretung Mark Rackles Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 24. April 2012) 3