Drucksache 17 / 10 332 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Michael Arndt (SPD) vom 07. März 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 19. März 2012) und Antwort Liegenschaftsverkauf: Welche Tragweite hat die Direktvergabeentscheidung des Senats? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Trifft es zu, dass der Liegenschaftsfonds das Grund- stück Körnerstraße 53/Bergstraße 89., 12169 Berlin, mit einer Fläche von 2126 m“ im Wege der Direktvergabe an das Autohaus Saparautzki GmbH & Co. KG, Körnerstr. 50/51, 12169 Berlin, zur Unterstützung des „Aktionsprogramm Elektromobilität Berlin 2020“ verkaufen soll? Ist dem Senat bekannt, ob es weitere Interessenten für dieses Grundstück gibt und wie wird die Vergabeentscheidung begründet? Zu 1.: Das o.g. Grundstück mit einer Größe von 2.672 m² sollte vom Liegenschaftsfonds im Wege der Direktvergabe aus dem Vermögen des Bezirks zur Unterstützung des „Aktionsprogramm Elektromobilität Berlin 2020“ verkauft werden. Die Vergabeentscheidung wurde aufgrund einer Vergabeempfehlung der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung getroffen. Auch die Mieterin hatte – allerdings gegenüber dem Bezirk - Kaufinteresse bekundet. 2. Ist dem Senat bekannt, dass auf dem Grundstück Körnerstr. 53 von der derzeitigen Mieterin im Jahr 1993 ein Gebäude mit fünf Geschossen und einer Nutzfläche von 4076 m² zur Erfüllung von Aufgaben Berlins aus eigener Kraft errichtet wurde und dieses weiterhin zu gemeinnützigen Zwecken von ihr genutzt wird? Wurden die Eigenleistungen und gemeinnützige Tätigkeit des derzeitigen Mieters im Entscheidungsprozess berücksichtigt? Zu 2.: Dem Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf von Berlin war bekannt, dass das Grundstück Körnerstr. 53 von der Mieterin im Jahre 1993 mit einem Gebäude bebaut wurde. Das Gebäude wurde ursprünglich als Unterbringungsmöglichkeit für Asylbewerber konzipiert und wird derzeit von der Mieterin überwiegend gewerblich als Jugendgästehaus genutzt (s. auch Frage 4). Der Mietvertrag , welcher zum 31.01.2013 endet, beinhaltet den Rückbau des Gebäudes zum Vertragsende. 3. Welche Kenntnis hat der Senat darüber, dass die Mieterin des Grundstückes und Gebäudeeigentümerin seit August 2011 gegenüber dem Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf von Berlin und dem Liegenschaftsfonds wiederholt dringendes Interesse an dem Grundstückserwerb schriftlich bekundete, diesen Initiativen von den vorgenannten Stellen jedoch jeweils mit Verweis auf fehlende Handlungsgrundlagen und Zuständigkeiten begegnet wurde ? Um welche fehlenden Handlungsgrundlagen und Zuständigkeiten handelt es sich? Zu 3.: Das Grundstück befindet sich im Finanzver- mögen des Bezirks und nicht im Treuhandvermögen des Liegenschaftsfonds. Der Liegenschaftsfonds war nicht Ansprechpartner für ein mögliches Kaufinteresse der Mieterin . Der Bezirk hatte das Grundstück nur für die Direktvergabe an das Autohaus freigegeben. 4. Stimmt der Senat zu, dass der in der Körnerstraße 53 erfolgende Betrieb eines Jugendgästehauses mit jährlich rd. 50 000 Übernachtungen von rd. 17 000 jungen Menschen einen wichtigen Beitrag zur Förderung des Berlintourismus leistet und darüber hinaus die hier im Auftrag der für die Jugend zuständigen Senatsverwaltung durchzuführenden zentralen Inobhutnahme (öffentliche Ordnungsaufgabe) von dreißig unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen ebenfalls in dem besonderen Interesse Berlins liegen? Zu 4.: Gemäß Mitteilung der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft ist in der Liegenschaft Körnerstr. 53/Bergstraße 89, 12169 Berlin, seit dem 01.04.2010 die Außenstelle der Erstaufnahme- und Clearingstelle (EAC) für Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge (UMF) untergebracht, da die Kapazitäten im EACHaupthaus Wupperstr. 17, 14167 Berlin, nicht ausreichten . Dies ist eine Kinderschutzeinrichtung der Jugendhilfe , in der ausschließlich das Land Berlin UMF im Rahmen einer Inobhutnahme in der Clearingphase unterbringt . Der vom Land Berlin beauftragte Träger dieser Jugendhilfeeinrichtung ist die Stiftung zur Förderung Sozialer Dienste (FSD-Stiftung). Es handelt sich um eine Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 332 hoheitliche Aufgabe, die in den Ausführungsvorschriften über die Gewährung von Jugendhilfe für alleinstehende minderjährige Ausländer (AV-JAMA) näher geregelt ist. Das Land Berlin ist auf die Nutzung der Liegenschaft Körnerstr. 53/Bergstraße 89, 12169 Berlin, angewiesen, um die gesetzliche Verpflichtung einer Inobhutnahme von UMF gemäß § 42 Abs.1 Nr.3 Sozialgesetzbuch VIII umsetzen und eine ausreichende Platzzahl gewährleisten zu können. Sollte dies zukünftig an diesem Standort nicht mehr möglich sein, muss in Absprache zwischen dem Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf von Berlin, der FSDStiftung und der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft ein anderer adäquater Standort im Bezirk Steglitz-Zehlendorf gefunden werden, in dem die Wahrnehmung der o.g. hoheitlichen Aufgabe weiterhin gewährleistet ist. 5. Wie bewertet der Senat darüber hinaus die für die Mieterin existenzielle Tragweite der Direktvergabeentscheidung , welche neben den Rückbaukosten für das Gebäude (300.000,-€) bis zur Aufgabe von Einrichtungen und Abwicklung des davon betroffenen Fachpersonals (38 Kräfte) führen kann? Wie beurteilt der Senat den potentiellen finanziellen Aufwand des bisherigen Mieters? Zu 5.: Der Mietvertrag beinhaltet den Rückbau des Gebäudes bei Vertragsende. Insoweit war der Mieterin die Konsequenz bei Beendigung des Mietvertrages bereits bei Abschluss bewusst. Ihr ist seit längerem bekannt, dass sich der Bezirk mit Verkaufsabsichten beschäftigt hat. Der Bezirk hat den Mietvertrag daher jeweils nur jährlich verlängert. 6. Wie begründet der Senat die Vergabeentscheidung in Anbetracht der in 2., 4. und 5. dargelegten Umstände vor dem Hintergrund seiner erklärten „Neuen Liegenschaftspolitik “, nach welcher bei der Vermarktung von Grundstücken gesellschaftspolitische, sozial ausgerichtete Ziele einen ebensolchen hohen Stellenwert wie wirtschaftliche Belange erhalten? Werden hier die im Direktvergabeverfahren des Liegenschaftsfonds zugrunde liegenden Kriterien tatsächlich erfüllt? Zu 6.: Die Entscheidung zur Direktvergabe wurde auf- grund der Vergabeempfehlung der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung getroffen. Grundsätzlich ist eine Direktvergabe insbesondere bei Vorliegen wirtschaftspolitischer Belange statthaft. 7. Welche Möglichkeiten sieht der Senat, um vorran- gig der Mieterin den Kauf des Grundstückes zur Besitzstandswahrung zu ermöglichen (Vorkaufsrecht) oder ein solches Vergabeverfahren herbeizuführen, dass sie an diesem teilnehmen kann? Zu 7.: Die Vergabeentscheidung wird unter Berück- sichtigung aller Belange geprüft. Das Grundstücksgeschäft wird erneut im Steuerungsausschuss Liegenschaftsfonds behandelt werden. 8. Beabsichtigt der Senat – dem Beschluss des Abgeordnetenhauses von Berlin (Drsn. 16/3164 und 16/3957) entsprechend – Direktvergaben von Grundstücken, so auch diesen Fall, dem UA Vermögensverwaltung des Hauptausschusses unabhängig von den Regelungen der LHO zur Zustimmung vorzulegen? Zu 8.: Nein. Der Beschluss des Abgeordnetenhauses von Berlin zur Grundstücksentwicklung mit Augenmaß: Neuausrichtung der Berliner Liegenschaftspolitik (Drsn. 16/3164 und 16/3957) enthält keine Vorgaben, Direktvergaben dem Unterausschuss Vermögensverwaltung des Hauptausschusses unabhängig von den Regelungen der LHO zur Zustimmung vorzulegen. Berlin, den 24. April 2012 In Vertretung Dr. Margaretha Sudhof Senatsverwaltung für Finanzen (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 9. Mai 2012) 2 In Vertretung