Drucksache 17 / 10 390 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Klaus Lederer (LINKE) vom 29. März 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 30. März 2012) und Antwort Wie steht es um das Wahlrecht im Justizvollzug? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Was unternimmt der Senat zur Erfüllung des ge- setzlichen Auftrags in § 73 Strafvollzugsgesetz, Strafgefangene bei der Ausübung ihres Wahlrechts zu unterstützen ? Zu 1.: Die Gefangenen werden über ihr Wahlrecht, insbesondere über die Möglichkeit der Briefwahl informiert und bei der konkreten Wahrnehmung ihres Wahlrechts unterstützt. Allen wahlberechtigten Inhaftierten wird ein Merkblatt der Landeswahlleiterin für Berlin mit entsprechenden Hinweisen und ein Antragsformular für die Beantragung der Briefwahl angeboten. In jeder Justizvollzugsanstalt stehen als Wahlsachbearbeiterinnen oder Wahlsachbearbeiter eingesetzte Bedienstete auch für Fragen zur Ausübung des Wahlrechts unterstützend zur Verfügung. Die Durchführung des Briefwahlverfahrens ist in Abstimmung mit der Landeswahlleiterin detailliert geregelt. 2. Ist aus Sicht des Senats die Bildung von bewegli- chen Wahlvorständen, die Inhaftierten die Möglichkeit geben können, ihre Stimme direkt am Wahltag in der Justizvollzugsanstalt abzugeben, sinnvoll und geeignet für die Umsetzung des Unterstützungsauftrags in § 73 Strafvollzugsgesetz (bitte begründen)? Zu 2.: Die Durchführung von Präsenzwahlen in den Berliner Justizvollzugsanstalten verschafft wahlberechtigten Inhaftierten nach Auffassung des Senats keinen zusätzlichen Nutzen und erscheint nicht sinnvoll. Auch hierfür müssten die wahlberechtigten Inhaftierten, die ihre Stimme abgeben wollen, vorher einen Wahlschein beantragen . Statt vor der Wahl zu einem beliebigen Zeitpunkt wählen zu können, müssten die Inhaftierten am Wahltag zur festgelegten Wahlzeit einen extra dafür einzurichtenden Wahlraum aufsuchen und dort ihre Stimme abgeben. Die in § 73 Strafvollzugsgesetz vorgegebene Unterstützung wahlberechtigter Inhaftierter in ihrem Bemühen um die Ausübung ihres Wahlrechts wird durch die Unterstützung bei der Teilnahme an der Briefwahl umgesetzt. Ein Bedürfnis für die Bildung beweglicher Wahlvorstände wird nicht gesehen. 3. In wie vielen Fällen wurde bei den letzten zwei Bundestagswahlen in Berliner Justizvollzugsanstalten ein beweglicher Wahlvorstand gebildet? 4. In wie vielen Fällen wurde bei den letzten zwei Ab- geordnetenhauswahlen in Berliner Justizvollzugsanstalten ein beweglicher Wahlvorstand gebildet? Zu 3. und 4: Bewegliche Wahlvorstände wurden durch die Bezirkswahlleiterinnen und Bezirkswahlleiter bisher nicht für Berliner Justizvollzugsanstalten eingerichtet. 5. Sieht der Senat Handlungsbedarf, um den Soll-Vor- schriften in den §§ 8 und 64 Abs. 1 Bundeswahlordnung, denen zufolge Inhaftierten mittels beweglicher Wahlvorstände die direkte Stimmabgabe ermöglicht werden soll, zu einer effektiven Umsetzung zu verhelfen? Zu 5.: Nach Auffassung des Senats wird kein Hand- lungsbedarf gesehen, denn sowohl das Grundgesetz als auch die weiteren Bundes- und Landeswahlgesetze bzw. Bundes- und Landeswahlordnungen räumen der Wahlpraxis einen weiten Ermessensspielraum ein. Gemeinden und Bezirke sind zur Einrichtung eines beweglichen Wahlvorstands nicht verpflichtet; bewegliche Wahlvorstände sind nur bei entsprechendem Bedürfnis und soweit möglich zu bilden. 6. Teilt der Senat die Auffassung, dass die Überwa- chung des Schriftwechsels von Inhaftierten zur Durchführung der Briefwahl nicht zulässig ist, und wenn ja, warum , wenn nein, warum nicht? Zu 6.: Die in § 29 Abs. 3 Strafvollzugsgesetz gestatte- te Überwachung kann allenfalls Anträge auf Erteilung eines Wahlscheins und die Briefwahlunterlagen betreffen. Wahlbriefe unterliegen hingegen nicht der Überwachung. Die Inhaftierten sind deshalb angehalten, die Wahlbriefe nach vollzogener geheimer Wahl verschlossen und ohne Begleitumschlag zur Rücksendung an das zuständige Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10390 Wahlamt herauszugeben. Eine Öffnung der Wahlbriefe durch Bedienstete des Justizvollzugs würde gegen die wahlrechtlichen Strafbestimmungen (§§ 107 - 108 d Strafgesetzbuch) verstoßen. 7. Hat der Senat Erkenntnisse über die Wahlbeteili- gung in den Berliner Justizvollzugsanstalten und wenn ja, welche? Zu 7.: Eine statistische Erfassung über die Wahlbetei- ligung erfolgt nicht. Da die Inhaftierten im offenen Justizvollzug ihr Wahlrecht außerhalb der Justizvollzugsanstalt wahrnehmen können und auch im geschlossenen Vollzug Wahlbriefe während eines Urlaubs oder Ausgangs direkt abgesandt werden können, wäre eine solche Statistik auch nicht aussagekräftig. 8. In wie vielen Fällen und bei welchen Delikten wur- de im Land Berlin in den letzten 10 Jahren Verurteilten gemäß § 45 Abs. 5 Strafgesetzbuch das Wahlrecht entzogen (bitte nach Jahren aufschlüsseln)? Zu 8.: Ausweislich der Strafverfolgungsstatistik, in der die als Nebenstrafe ausgesprochene Aberkennung von Bürgerrechten (§ 45 Abs. 2 und 5 Strafgesetzbuch) erfasst ist, wurde in den Jahren 2001 bis 2010 im Land Berlin in keinem Fall Verurteilten das Stimmrecht entzogen. Die Daten für das Jahr 2011 liegen noch nicht vor. Berlin, den 18. April 2012 Thomas Heilmann Senator für Justiz und Verbraucherschutz (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 08. Mai 2012) 2