Drucksache 17 / 10 396 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Sven Rissmann (CDU) vom 02. April 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 03. April 2012) und Antwort Auswirkungen des Rahmenkonzepts für den geschlossenen Männervollzug in Berlin Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Welche Eckpunkte umfasst das „Rahmenkonzept für den geschlossenen Männervollzug“ (im folgenden Rahmenkonzept Männervollzug)? 2. Welche Ziele verfolgt der Senat mit dem Rahmen- konzept Männervollzug? Zu 1. und 2.: Die Rahmenkonzeption für den ge- schlossenen Männervollzug wurde in den Jahren 2008 ff. als Reaktion auf eine Reihe struktureller Probleme im Berliner Justizvollzug in enger Zusammenarbeit mit den Justizvollzugsanstalten Tegel, Moabit, Plötzensee und Charlottenburg entwickelt. Zielsetzung war dabei, die Inhaftierungszeit möglichst optimal für eine wirkungsorientierte Straftäterbehandlung zu nutzen. Unproduktive Wartezeiten, in denen keine zielgerichtete Behandlungsarbeit stattfand, sollten abgekürzt werden, unnötige Verlegungen von Gefangenen vermieden und die Behandlungsangebote insbesondere für die zahlenmäßig große, aber nicht immer im Fokus der Anstalten stehenden Kurzund Mittelstrafer verbessert werden. Nach der Verständigung über diese grundlegenden Zielsetzungen der Rahmenkonzeption wurde sie insbesondere durch folgende Maßnahmen operationalisiert: • Verlagerung der Einweisungsabteilung aus der JVA Tegel in die JVA Moabit, • Stärkung der Straftäterbehandlung durch Verbes- serung der Behandlungsuntersuchung gemäß § 6 Strafvollzugsgesetz (StVollzG), Ermittlung des konkreten Bedarfs an Behandlungsmaßnahmen und verbesserte Einbeziehung der Arbeit der freien Träger, • Qualifizierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Sozialdienstes. 3. Wann wurde das Rahmenkonzept in welcher Form umgesetzt (bitte ggf. aufschlüsseln nach Anstalten)? Zu 3.: a. Verlagerung der Einweisungsabteilung aus der JVA Tegel in die JVA Moabit Die Einweisungsabteilung hat ihre Arbeit in der JVA Moabit nach der Verlagerung aus der JVA Tegel im Mai 2010 aufgenommen. Damit ist gewährleistet, dass eine Einweisung im unmittelbaren Anschluss an die Beendigung der Untersuchungshaft in der „Untersuchungshaftanstalt “ Moabit ohne Zwischenverlegung in die JVA Tegel erfolgt. Nach fast zwei Jahren der Tätigkeit in der JVA Moabit kann festgestellt werden, dass der Umzug positive Ergebnisse erbracht hat. Die Wartezeit von der Urteilsrechtskraft bis zur Einweisungsentscheidung ist verringert worden. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Abteilung weisen im Jahr durchschnittlich 1.300 Strafgefangene ein. 2011 wurden 1.362 Gefangene eingewiesen . Hervorzuheben ist, dass mit dem Umzug der Einweisungsabteilung auch Strafgefangene mit Reststrafzeiten von weniger als einem Jahr das Einweisungsverfahren , wenn auch in einer verkürzten Form durchlaufen. Im Übrigen erfolgt die Einweisung nach folgenden Grundsätzen: Strafgefangene werden gemäß den Erkenntnissen aus der Behandlungsuntersuchung in den geschlossenen bzw. bei Eignung gemäß § 10 StVollzG in den offenen Vollzug eingewiesen. Strafgefangene, die für den offenen Vollzug nicht ge- eignet sind und bei denen ein besonderer Behandlungsoder Sicherungsbedarf festgestellt wird, werden in die JVA Tegel eingewiesen. Es handelt sich insbesondere um folgende Fallgruppen: Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10396 - zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilte Strafgefan- gene, - Strafgefangene mit angeordneter bzw. vorbehaltener Sicherungsverwahrung, - Sexualstraftäter, die gemäß § 9 Abs. 1 StVollzG in die Sozialtherapeutische Anstalt (SothA) zu verlegen sind, - Hochrisikotäter, bei denen eine sozialtherapeutische Behandlung gemäß § 9 Abs. 2 StVollzG indiziert ist, - Strafgefangene, die die innere oder äußere Sicherheit der JVA gefährden. Strafgefangene, die für den offenen Vollzug ungeeig- net sind und bei denen die Voraussetzungen zur Rückstellung gemäß § 35 BtmG vorliegen, werden in die JVA Moabit eingewiesen. Strafgefangene, bei denen eine erkennbare Drogenproblematik mit sogenannten „harten“ Drogen zwar vorliegt, eine Perspektive zur Rückstellung gemäß § 35 Betäubungsmittelgesetz (BtmG) aber nicht bzw. nicht mehr gegeben ist, werden in die JVA Tegel verlegt. Für den offenen Vollzug ungeeignete Strafgefangene, bei denen weder eine besondere Drogenproblematik erkennbar ist noch ein besonderer Behandlungs- oder Sicherungsbedarf besteht, werden in eine Anstalt des geschlossenen Vollzuges nach Maßgabe freier Plätze verlegt. Sofern sich aus der Vollzugsplanung ein beruflicher oder schulischer Qualifizierungsbedarf ergibt, der nur in einer bestimmten Vollzugsanstalt realisiert werden kann, ist dies bei der Verlegungsentscheidung zu berücksichtigen. Die Zuweisung in einen bestimmten Anstaltsbereich oder eine bestimmte Teilanstalt (TA) ist nicht vorgesehen. Die Einweisungsabteilung sorgt für eine ausgegliche- ne Belegung in den Anstalten des geschlossenen Männervollzuges . Es gibt keine Festlegung von Belegungsobergrenzen . Die Einweisungsentscheidung ist innerhalb von zwei Wochen umzusetzen, die Anstalten sind verpflichtet zur unverzüglichen Aufnahme der eingewiesenen Strafgefangenen . b. Stärkung der Straftäterbehandlung durch Verbes- serung der Behandlungsuntersuchung gemäß § 6 StVollzG, Ermittlung des konkreten Bedarfs an Behandlungsmaßnahmen und verbesserte Einbeziehung der Arbeit der freien Träger Neben der Veränderung des vollzuglichen Einwei- sungsprozesses und der damit intendierten Verkürzung unproduktiver Wartezeiten stand im Rahmen der Stärkung der Straftäterbehandlung eine Justierung der durch die Einweisungsabteilung durchzuführenden Behandlungsuntersuchung an. Auch wenn die Einweisungsabteilung im Rahmen der Behandlungsuntersuchung nur erste Hinweise auf den Behandlungsprozess geben kann, ist es unverzichtbar , dass hierbei nicht nur Defizite des Gefangenen beschrieben werden, sondern auch Stärken herausgearbeitet werden, die darüber Aufschluss geben, in welche Potentiale eines Gefangenen zur Verbesserung seiner Legalprognose zu bearbeitet sind. An diesen Grundsatz anknüpfend werden im Rahmen der Behandlungsuntersuchung, deren Ergebnisse sich im Vollzugsplan (§ 7 StVollzG) niederschlagen, insbesondere vier Basis-Behandlungsmaßnahmen berücksichtigt, die in allen Strafanstalten des geschlossenen Männervollzuges vorgehalten werden. Es sind dies Behandlungsmaßnahmen für Gewaltstraftäter, Maßnahmen für Suchtgefährdete, soziales Kompetenztraining sowie Maßnahmen zur Vorbereitung der Entlassung . Diese Maßnahmen werden teilweise von Bediensteten des Sozialdienstes durchgeführt und ergänzt durch Behandlungsmaßnahmen freier Träger. Die individuell strukturierte Zuweisung von Maßnahmen steht im Dienste eines zielgerichteten Ressourceneinsatzes. Zur Erarbeitung einer Methodik zur Bedarfsermittlung für die Einbeziehung freier Träger und zur Entwicklung vertrags- und vergaberechtlicher Standards wurde in der zweiten Jahreshälfte 2008 eine Arbeitsgruppe mit Vertretern aus den betroffenen Justizvollzugsanstalten und der Senatsverwaltung für Justiz eingesetzt. Parallel wurde im Jahr 2009 im Rahmen eines zuwen- dungsfinanzierten Projekts mit der strukturierten Durchführung einer Maßnahme zur Entlassungsvorbereitung in der TA II der Justizvollzugsanstalt Tegel begonnen. Grundlage war eine unter Beteiligung des Paritätischen Berlin erarbeitete Vereinbarung der Justizvollzugsanstalt Tegel mit dem Träger über die Bedingungen einer verbesserten und strukturierten Zusammenarbeit. Diese Form der Kooperation diente als Modell für die im Jahr 2010 begonnene Zusammenarbeit auf vertraglicher Basis und belegt zugleich, dass die über Verträge erzielte Verzahnung der Arbeit interner und externer Akteure auch in zuwendungsfinanzierten Maßnahmen realisiert werden kann. Der Haushaltsgesetzgeber hat dem Berliner Justizvoll- zug in einem neuen Titel Sachmittel in Höhe von 92.000,00 Euro jeweils für die Jahre 2010/2011 für zusätzliche Behandlungsmaßnahmen durch freie Träger zur Verfügung gestellt. Um das Vorhaben in allen vier Anstalten des geschlossenen Männervollzugs umsetzen zu können, hat die Senatsverwaltung für Justiz im Rahmen der Haushaltswirtschaft 2010/2011 diesen Titel verstärkt. Die Durchführung der zusätzlichen Maßnahmen er- folgte auf Dienstleistungsbasis und einer differenzierten Vertragsgestaltung. Zur Vorbereitung der Vergabeverfahren wurden zunächst ein Musterdienstleistungsvertrag sowie Musterleistungsbeschreibungen zu folgenden Themen erarbeitet: Entlassungsvorbereitung, Anti-GewaltTraining , Training sozialer Kompetenzen, Gruppenangebot für alkoholgefährdete Gefangene, Gruppenangebot für Gefangene zur Vorbereitung auf Maßnahmen nach § 35 BtmG, Gruppenangebot für drogenabhängige Gefangene, die nicht für Maßnahmen nach § 35 BtmG in Betracht kommen sowie für eine Motivationsgruppe. Im Jahr 2010 wurde mit folgenden Maßnahmen be- gonnen: Anti-Gewalt-Training (JVA’en Tegel, Charlottenburg und des Offenen Vollzuges Berlin), Entlassungsvorbereitung (JVA’en Tegel, Charlottenburg, Moabit und Plötzensee), Gruppenangebot für alkoholabhängige /alkoholauffällige Strafgefangene (JVA’en Tegel und 2 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10396 Charlottenburg), Training sozialer Kompetenzen (JVA’en Tegel, Charlottenburg und Plötzensee), Training sozialer Kompetenzen für Väter (JVA des Offenen Vollzuges Berlin), Motivationsgruppe (JVA Moabit), Gruppenangebot für Gefangene, die sich auf eine externe Therapie gemäß § 35 BtmG vorbereiten (JVA Moabit), Gruppenangebot für Verkehrsstraftäter (JVA des Offenen Vollzuges Berlin). Die Maßnahmen wurden im Jahr 2011 fortgesetzt ; vereinzelte Maßnahmen wurden aufgrund einer veränderten Bedarfslage vorzeitig beendet oder inhaltlich angepasst. 2012 sind die Maßnahmen unter den Bedingungen der vorläufigen Haushaltswirtschaft fortgeführt worden; zum derzeitigen Stand des Haushaltsplanaufstellungsverfahrens sind für die Beauftragung Freier Träger im Zuge der Rahmenkonzeption für den Männervollzug für 2012 125.400 € und für 2013 276.000 € veranschlagt. In den laufenden Haushaltsberatungen zeichnet sich eine Erhöhung dieser Mittel ab. c. Qualifizierung der Mitarbeiterinnen und Mitar- beiter des Sozialdienstes Neben den regelhaft Fortbildungsmaßnahmen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Sozialdienstes, ist es dem Berliner Justizvollzug gelungen, im Rahmen des mit Mittel des Europäischen Sozialfonds geförderten Projekts „Optimierung arbeitsmarktlicher und sozialer Integration im Strafvollzug (OASIS)“ eine Gruppe von 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Sozialdienstes aus den Anstalten des Berliner Männervollzuges mit neuen Ansätzen der Sozialarbeit vertraut zu machen. Das mehrdimensional angelegte Projekt, das im November 2009 startete, stand nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Rahmenkonzeption, doch konnten Teilergebnisse für deren Ziele nutzbar gemacht werden. Die Projektziele bestanden u.a. darin, die Möglichkeiten eines verwaltungs -, organisations- und trägerübergreifenden Systems des vernetzten und interkulturell ausgerichteten Fallmanagements auszuloten und eine vollzugstaugliche Variante des Case-Management zu entwickeln und zu erproben. Darüber hinaus hatten die Projektteilnehmerinnen und - teilnehmer die Gelegenheit, ihr Wissen in zahlreichen Fortbildungen zu aktualisieren. Das Projekt wurde im November 2011 erfolgreich beendet. Die Ergebnisse der Projektarbeit werden z. T. bereits von den ehemaligen Projektbeteiligten in den jeweiligen Anstalten angewandt. Die Ausweitung der Projektempfehlungen wird derzeit geprüft. In einem Folgeprojekt sollen in den Jahren 2012 und 2013 weitere Fachdienstmitarbeiterinnen und - mitarbeiter die Gelegenheit zur Kompetenzerweiterung erhalten. Neben den dargestellten Zielsetzungen, die unmittel- bar mit der Rahmenkonzeption verfolgt wurden, hat das Konzept zu weiteren Veränderungen in den Strukturen und Prozessabläufen der Anstalten geführt. Aufgrund des veränderten Einweisungsverfahrens war es erforderlich, die Binnenstruktur in den beiden Anstalten an der Vorgabe auszurichten, dass weder Haftplatzka- pazitäten blockiert noch Wartelisten aufgebaut werden und die strikte Abnahmeverpflichtung gegenüber der JVA Moabit erfüllt werden kann. In der JVA Tegel blieben an Sonderbereichen die SothA, die Stationen für Sicherungsverwahrte , für zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilte Strafgefangene, für Drogenabhängige, die an einer Substitutionsbehandlung teilnehmen, sowie die Abschirm- und die Schutzstation bestehen. Mit der veränderten Binnenstruktur wurden in der JVA Tegel in den TA’en I bis III sowie V und VI ab dem 1. Januar 2011 identische Tagesabläufe eingeführt. Die Vereinheitlichung der Tagesabläufe wirkt sich auf die Aufschlusszeiten, die Besuchsregelung und den Aufenthalt der Gefangenen im Freien aus. Zu den weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben an den Rechtsausschuss vom 24. November 2010 verwiesen. In der JVA Charlottenburg war es nicht erforderlich, Sonderbereiche einzurichten. Dort orientiert sich die Binnendifferenzierung allein an der Länge der Reststrafen der Gefangenen. 4. Sind die geäußerten Erwartungen eingetreten, dass der in der JVA Tegel im Zuge des Rahmenkonzeptes Männervollzug eingeführte neue Tagesablauf a. zu erheblichen Effizienzgewinnen beim Einsatz des Vollzugspersonals, b. zu einer größeren Betreuungsdichte für die Gefangenen und c. zu einer Ausweitung der Aufschlusszeiten und der Freistunden für einen Großteil der in der JVA Tegel untergebrachten Gefangenen geführt hat? Zu 4.: a. Ja. Der neue Tagesablauf in der JVA Tegel sollte u.a. auch den effizienteren Einsatz insbesondere der Bediensteten des allgemeinen Vollzugsdienstes ermöglichen. Dies führte zu teils einschneidenden Veränderungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. So wurde der Schichtwechsel im Allgemeinen Vollzugsdienst um 15 Minuten nach vorn verlegt. Somit beginnt der Frühdienst nunmehr um 05.45 Uhr (vormals 06.00 Uhr), der Spätdienst um 13.45 Uhr (früher 14.00 Uhr) und der Nachtdienst um 21.45 Uhr (ehemals 22.00 Uhr). Im Fokus stand dabei, die Beaufsichtigung aller Stationen durch Grup-penbetreuerinnen und Gruppenbetreuer im Frühund Spätdienst besser zu gewährleisten. Ersten Erhebungen zufolge ist dieses Ziel erreicht worden, die Aufsichts- /Be-treuungsfunktion auf den Stationen durch die bessere Personalverteilung wieder flächendeckend gewährleistet. Dadurch konnte auch die Zahl größerer Sicherheitskontrollen und anlassunabhängiger Durchsuchungen merklich gesteigert werden. b.: Ja. Die bessere Personalverteilung erzielte schon Effekte bei der Anzahl sozialer Ausführungen. So wurden beispielsweise im Jahre 2011 außerordentlich viele Ausführungen zur Aufrechterhaltung sozialer Bindungen für Sicherungsverwahrte durchgeführt (77 Ausführungen 2011 gegenüber 18 Ausführungen 2010). c.: Ja. Durch den neuen Tagesablauf sind in der JVA Tegel die Aufschlusszeiten und Freistundenregelungen vereinheitlicht worden, womit unterbringungsbedingte Ungerechtigkeiten entfallen. In der Folge haben sich die 3 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10396 4 Aufschlusszeiten/Freistundenangebote für einen Großteil der Gefangenen vor allem in den Altbereichen (TA’en I, II und III) erhöht. In diesem Zusammenhang sind beispielhaft hervorzuheben: - Verlängerte Aufschlusszeit für Sicherungsverwahrte an Wochenenden und Feiertagen bis 21.30 Uhr (vorher bis 16.30 Uhr), - erweiterter Aufschluss für von der Arbeitspflicht gem. §§ 42, 43 StVollzG Freigestellte am Vormittag von 8.00 bis 12.00 Uhr (Montag bis Freitag) als zusätzlicher Arbeitsanreiz, - längerer Aufschluss an Feiertagen, die unmittelbar vor oder nach Wochenenden liegen, um einen Nachtverschluss um 16.45 Uhr an bis zu 4 Tagen hintereinander zu vermeiden, - Ausweitung des Freistundenangebotes für die Teilanstalten I, II und III. Allen Gefangenen in der JVA Tegel werden nunmehr einheitlich wöchentlich 17 Stunden und 35 Minuten Aufenthalt im Freien gewährt. Dies ist mehr als das Doppelte des gem. § 64 StVollzG gesetzlich vorgeschriebenen Solls. 5. Wie wurden die Änderungen bei den Gefangenen und den Beschäftigten im Justizvollzug aufgenommen? Zu 5.: Ein großer Gewinn des neuen Tagesablaufes in der JVA Tegel besteht darin, dass Gefangene nunmehr ihre gesamte Arbeitszeit im Arbeitsbetrieb verbringen, einschließlich ihrer Mittagspause. Dadurch konnte eine Arbeitszeit von 37 Stunden pro Woche realisiert werden. Die Ausgabe warmer Mahlzeiten an die Gefangenen erfolgt jetzt nach dem Arbeitsende um 15.00 Uhr (früher wurden die arbeitenden Gefangenen mit erheblichem Personalaufwand in der Pause zur Einnahme des Mittagessens aus den Betrieben in die Unterbringungsbereiche zurückgeführt). Erwartungsgemäß forderte diese veränderte Anstaltsverpflegung die größte Anpassungsleistung von den Gefangenen. Die Einnahme eines Frühstückes vor der Arbeit und die morgendliche Zubereitung der Pausenverpflegung gehören nun zu den täglichen Pflichtaufgaben . Den Gefangenen wird damit ein größeres Maß an Tagesstrukturierung und Eigenverantwortung abverlangt als zuvor. Mit diesen Gegebenheiten kamen einige Gefangen zu- nächst schlecht zurecht. Mittlerweile sind diese Schwierigkeiten überwunden, die Änderungen und ihre Auswirkungen zumindest soweit akzeptiert, dass Beschwerden kaum noch zu verzeichnen sind. Die weitere Kritik der Gefangenen richtete sich haupt- sächlich gegen die verkürzten Aufschlusszeiten an den Wochenenden; abgesehen vom Bereich der Sicherungsverwahrten mussten diese jedoch unverändert bleiben, um genügend Personal für die Beaufsichtigung/Betreuung der Stationen an den übrigen Wochentagen freizusetzen. Die Bediensteten der JVA Tegel haben sich trotz z. T. einschneidender Veränderungen und eines kräftezehrenden Entscheidungs-/Veränderungsprozesses gut mit den neuen Rahmenbedingungen arrangiert. Somit kann im Hinblick auf den neuen Tagesablauf ein überwiegend positives Fazit gezogen werden, weil diese Regelung die vollzugsinhaltlichen Verbesserungen des Rahmenkonzepts auch durch positiv veränderte Prozessabläufe unterstütz hat. 6. Trifft es zu, dass die Umsetzung des Rahmenkon- zeptes zu einer Abschaffung des Wohngruppenvollzuges führte? Zu 6.: Dies trifft nicht zu. Wesentliche Schwerpunkte eines behandlungsorientierten Strafvollzuges sind in allen Vollzugsbereichen umgesetzt. Die Gefangenen haben in allen Anstalten bzw. Teilan- stalten eine für sie zuständige Sozialdienstmitarbeiterin /einen für sie zuständigen Sozialdienstmitarbeiter als feste Ansprechperson in allen Angelegenheiten, die/der erforderliche Behandlungsmaßnahmen koordiniert bzw. selbst durchführt, sofern die Vollzugsplanung dies vorsieht . Gefangene haben Gelegenheit, sich während der Aufschlusszeiten auf den Stationen frei zu bewegen. Die bisher auf die Neubaubereiche der JVA Tegel beschränkten besonderen Angebote wie das Meeting und die Langzeitsprechstundenregelung wurden auf die Altbaubereiche ausgeweitet. Damit wurde eine unterbringungsbedingte Ungleichbehandlung beseitigt. 7. Wie bewertet der Senat das Rahmenkonzept insge- samt? Zu 7.: Insgesamt kann eine positive Bilanz gezogen werden. Lange Wartezeiten nach abgeschlossenem Einweisungsverfahren bis zur Verlegung in die jeweils zuständigen Strafanstalten gibt es nicht mehr. Davon profitieren insbesondere Kurzstrafer, die den größten Anteil unter den Strafgefangenen ausmachen und deren Haftzeit nun besser für gezielte Resozialisierungsmaßnahmen genutzt werden kann. Der Umstand, dass nunmehr auch Strafgefangene mit sehr kurzen Reststrafen in das reguläre Einweisungsverfahren einbezogen werden hat zur Folge , dass gerade diese Gefangenen verstärkt direkt in den offenen Vollzug eingewiesen werden. Mit den organisatorischen Änderungen der Binnenstruktur in den Anstalten ist es gelungen Haftplatzkapazitäten besser zu nutzen und die Bildung von Wartelisten zu vermeiden. Das Gefälle zwischen den baulich besser ausgestatteten Neubaubereichen und den Altbauten wurde bereinigt und damit eine strukturelle Chancenungleichheit beseitigt. Die Lebensbedingungen in den Anstalten bzw. den einzelnen Teilanstalten wurden einander so weit als möglich angeglichen. Die Palette der Behandlungsmaßnahmen wurde erweitert, die Behandlungschancen und die Vorbereitung auf die Entlassung konnten insgesamt verbessert werden. Mit den Qualifizierungsmaßnahmen für den Sozialdienst wurde damit begonnen, neue Arbeitsansätze der Sozialarbeit in den Justizvollzug zu integrieren. Berlin, den 8. Mai 2012 Thomas Heilmann Senator für Justiz und Verbraucherschutz (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 14. Mai 2012)