Drucksache 17 / 10 420 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Alexander Spies (PIRATEN) vom 13. April 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 17. April 2012) und Antwort „Berliner Joboffensive“ – Top oder Flop? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Die Kleine Anfrage betrifft in erster Linie Sachverhalte, die die Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen nicht aus eigener Kenntnis beantworten kann. Sie hat daher die Regionaldirektion BerlinBrandenburg (RD) um Stellungnahme gebeten, die der Beantwortung der Fragen zugrunde liegt. Die Senatsverwaltung bedauert, dass durch die RD zurzeit keine Auswertungen hinsichtlich der Vermittlung nach Branchen bzw. nach Umfang der Beschäftigungsverhältnisse vorgenommen werden können. Darüber hinaus beantwortet die Senatsverwaltung in eigener Zuständigkeit die Fraugen 4 und 6. 1. Nach welchen Kriterien werden Erwerbslose im SGB-II-Bezug im Rahmen der „Berliner Joboffensive“ (BJO) in den Jobcentern in „arbeitsmarktnah“ und „arbeitsmarktfern“ eingeordnet? (Bitte entsprechende Dienstanweisungen beilegen.) a. Unterscheidet sich diese Einteilung von der sonst üblichen Vermittlungsarbeit der Jobcenter? b. Über welche Ermessensspielräume bei der Beur- teilung der „Arbeitsmarktnähe“ verfügen die einzelnen Vermittler/innen in den BJO-Teams? c. Werden SGB-II-Leistungsbeziehende darüber in- formiert, ob sie als „arbeitsmarktnah“ oder „arbeitsmarktfern “ klassifiziert wurden und ob sie von den speziellen BJO-Vermittlerteams betreut werden? Und wenn nein, warum nicht? (Bitte begründen.) d. Haben als „arbeitsmarktfern“ klassifizierte Er- werbslose auf eigenen Wunsch die Chance, an der BJO teilzunehmen? Und wenn nein, warum nicht? (Bitte begründen .) Zu 1.: Im Rahmen eines Profilings werden die individuellen Stärken und Potenziale gemeinsam mit der Kundin/dem Kunden betrachtet. Aufgrund dieser Analyse wird festgestellt, ob es in Bezug auf den Zielberuf Handlungsbedarfe, z.B. im Bereich der Qualifikationen, Leistungsfähigkeit, Motivation oder Rahmenbedingungen gibt. Entsprechend der Handlungsbedarfe werden Profillagen festgelegt, aus denen sich Handlungsstrategien ableiten lassen, die dann mit der Kundin/dem Kunden individuell besprochen und festgelegt werden. Sofern zu erwarten ist, dass eine Integration binnen 12 Monaten erfolgen kann, wird von einer Arbeitsmarktnähe ausgegangen . Sollte die Umsetzung der Integrationsstrategien mehr als zwölf Monate andauern, geht man von sog. „Arbeitsmarktferne“ aus. „Das arbeitnehmerorientierte Integrationskonzept der Bundesagentur für Arbeit (SGB II und SGB III)“, welches die Grundlage darstellt, ist auf der Seite Arbeitsagentur.de unter folgendem Link eingestellt: http://www.arbeitsagentur.de/zentraler-Content/HEGA-Internet/A04- Vermittlung/Publikation/Leitkonzept-Arbeitsvermittlung-nicht-Reha.pdf Zu a): Nein Zu b): Bei der individuellen Beurteilung der Stärken und Potenziale der Kundin/des Kunden werden objektive Bewertungen vorgenommen, die sich dann auch in der Erarbeitung der Integrationsstrategien niederschlagen. Da der individuelle Ansatz im Vordergrund steht, werden die für die Kundin/den Kunden erfolgversprechendsten Maßnahmen eingesetzt, um einen Integrationsfortschritt zu erzielen. Zu c): Im Rahmen des Erstgesprächs mit der Kundin/dem Kunden werden die Stärken, Talente, Handlungsbedarfe und die ganzheitliche Integrationsstrategie thematisiert. Es ist nicht zwingend notwendig, die einzelnen Profillagen zu benennen, da sie lediglich der Vermittlungsfachkraft bei der Auswahl der jeweiligen Instrumentarien behilflich sein sollen. Zu d): Grundsätzlich hat jede/-r erwerbsfähige Leis- tungsberechtigte die Chance an der BJO teilzunehmen. Das Projekt wurde für „marktnahe“ Kundinnen und Kunden entwickelt, die keine multiplen Problemlagen haben und mit vergleichsweise geringen Förder- und Ak- Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 420 tivierungsstrategien in den Arbeitsmarkt integriert werden können. Ziel für die marktfernen Kundinnen und Kunden ist es, mit aktivierenden Ansätzen die multiplen Hemmnisse , die einer schnellen Integration entgegenstehen, zu beseitigen und sie somit näher an den Arbeitsmarkt heranzuführen . Im Erfolgsfall gehört die Kundin/der Kunde aufgrund des individuell erreichten Integrationsfortschritts dann zum Personenkreis der marktnahen Kundinnen und Kunden sowie zur Zielgruppe der BJO. 1. Haben die Berliner Jobcenter Schwerpunkte bei der Umsetzung der BJO hinsichtlich spezieller Zielgruppen etc. gesetzt? Und inwiefern hat sich dies positiv oder negativ auf die Vermittlungsbilanz der bezirklichen Jobcenter ausgewirkt? Zu 2.: Nein 2. Wie wird „Vermittlung“ in den Arbeitsmarkt im Rahmen der BJO definiert? Und wie ist die sonst übliche Definition von „Vermittlung“ im Rahmen der Statistik der Bundesagentur für Arbeit? a. Wie wird eine „zusätzliche“ Vermittlung von den normalen Vermittlungsaktivitäten der „Berliner Jobcenter “ abgegrenzt? (Bitte Definition und Aufschlüsselung der Vermittlungsaktivitäten nach Jobcentern, BJOund sonstigen Vermittlerteams) b. Ab welcher Dauer des Beschäftigungsverhältnisses gilt eine Vermittlung als „erfolgreich“? c. Gelten Vermittlungen in befristete Beschäftigungs- verhältnisse als „erfolgreich“? Zu 3.: Die BJO hat sich zum Ziel gesetzt, 20.000 zusätzliche Integrationen zu forcieren. Dabei ist es nicht zwingend erforderlich, dass diese unmittelbar durch eine Vermittlung durch das Jobcenter erreicht werden. Denkbar ist auch, dass die Vermittlungsfachkraft Impulse setzt und individuelle Hilfen einsetzt, damit die/der Projektteilnehmer /-in eigenständig befähigt wird, eine sozialversicherungspflichtige Anstellung zu finden, die eine Integration bewirkt. Zu a): Wie bereits unter 3. erläutert, geht es bei der BJO nicht um Vermittlungen, sondern um Integrationen. Zusätzliche Integrationen sind dann gegeben, wenn sie über den rechnerischen „Sollwert“ hinaus eintreten. Zu b): Die Kennzahl der Integrationsquote nach §5 (1) der Verordnung zur Festlegung der Kennzahlen und Ergänzungsgrößen nach §48 a SGB II bildet im Rahmen des Vergleichs der Leistungsfähigkeit nach §48a SGB II ab, in welchem Umfang erwerbsfähige Leistungsberechtigte (vormals Hilfsbedürftige) in Erwerbstätigkeit integriert werden konnten. Als Integrationen gelten alle Aufnahmen von sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen , voll qualifizierende berufliche Ausbildungen oder selbständige Erwerbstätigkeit von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten - unabhängig davon, ob die Hilfe- bedürftigkeit durch die Erwerbstätigkeit beendet wird oder ob sich der Arbeitslosigkeitsstatus (arbeitslos, nicht arbeitslos arbeitsuchend, nicht arbeitsuchend) durch die Erwerbstätigkeit ändert. Zu c): Ja 3. Wie definiert der Berliner Senat „gute Arbeit“, entsprechend der Koalitionsvereinbarung von SPD und CDU? Zu 4.: Der Berliner Senat verfolgt mit hoher Priorität das Ziel „Gute Arbeit“ im Sinne guter Arbeitsbedingungen . Charakteristika „Guter Arbeit“ sind insbesondere die Sicherheit des Arbeitsplatzes, eine existenzsichernde Entlohnung, eine gesunde und humane Gestaltung des Arbeitsplatzes und der Arbeitszeiten, die gleiche Entlohnung für gleiche bzw. gleichwertige Arbeit (Equal Pay), die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, individuelle Entwicklungs- und Aufstiegschancen sowie die Vermeidung jeglicher Diskriminierung wegen des Alters, des Geschlechts, der ethnischen Herkunft, der sexuellen Orientierung oder der Religion am Arbeitsplatz. Mit dem Ziel, die Arbeitsbedingungen der Be-schäf- tigten zu verbessern, beabsichtigt die Senatsver-waltung für Arbeit, Integration und Frauen u. a., sich über den Bundesrat für Korrekturen des arbeitsrechtlichen Rahmens einzusetzen (u. a. in Bezug auf geringfügige Beschäftigungsverhältnisse , Scheinwerkverträge zur Umgehung der Regelungen zur Arbeitnehmerüberlassung, Equal Pay in der Zeitarbeit, Beschäftigtendatenschutz und den Schutz von Hinweisgebern/innen). 4. Erfasst die Bundesagentur für Arbeit nun sta- tistisch – generell bzw. im Rahmen der BJO, ob sie in Leiharbeit, Mini-/Midi-Jobs, nicht-existenzsichernde Beschäftigung sowie (un)befristete Beschäftigung vermittelt, oder nicht? (In der Sitzung des Ausschusses für Arbeit, Integration und Frauen am 15. März 2012 blieb dies unklar) Zu 5.: Nein 5. Welche Zielvereinbarung(en) über die „Berliner Joboffensive“ hat die Senatsverwaltung in der 16. Wahlperiode mit der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg getroffen (bitte beifügen) und besitzt sie aktuell noch Gültigkeit ? Oder wurden in der neuen Wahlperiode neue Absprachen getroffen? (Wenn ja, bitte beilegen.) Zu 6.: Es wurde keine formale Zielvereinbarung zwischen der Regionaldirektion Berlin- Brandenburg und dem Senat abgeschlossen. 6. Wie hoch war die Betreuungsquote (Vermitt- ler/innen zu Erwerbslosen) in den Berliner Jobcentern in den Jahren 2009ff. in den normalen Vermittlerteams? (Bitte getrennt nach Jobcentern auflisten.) 2 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 420 3 Zu 7.:Betreuungsschlüssel im Bereich Ü 25 (Jahresmittelwert ) in den Kalenderjahren 2009-2012 Darstellung in Vollzeitäquivalenten (VZÄ) 1 zu... Betreuungsschlüssel KJ 2009 Betreuungsschlüssel KJ 2010 Betreuungsschlüssel KJ 2011 (ohne BJO) Betreuungsschlüssel KJ 2011 (inkl. BJO) Betreuungsschlüssel KJ 2012 (inkl. BJO) Durchschnitt Land Berlin 184 170 167 148 144 Neukölln 192 178 182 160 150 Treptow- Köpenick 168 151 145 130 129 Steglitz-Zehlendorf 177 155 152 140 143 CharlottenburgWilmersdorf 180 180 180 146 142 Pankow 164 155 154 140 134 Reinickendorf 197 172 163 148 147 Spandau 181 183 175 154 149 FriedrichshainKreuzberg 179 178 171 151 147 Mitte 198 176 173 152 152 Marzahn-Hellersdorf 173 167 169 152 136 Lichtenberg 213 195 196 157 153 Quelle: RD Berlin Brandenburg 7. Wie hoch ist die behördenintern vorgegebene Vermittlungsquote für die Integrationsfachkräfte in den BJO-Teams und wie wird deren Einhaltung kontrolliert bzw. intern sanktioniert? Zu 8.: Es gibt keine Vermittlungsquote für die Inte- grationsfachkräfte. 8. Wer hat die Zwischenevaluation zur BJO nach einem halben Jahr Projektlaufzeit durchgeführt und warum ist diese bislang nicht öffentlich zugänglich? (Zwischenevaluation bitte beifügen.) Zu 9.: Die projektbezogene Implementationsstudie wird durch das Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik , Köln, Berlin durchgeführt und läuft prozessbegleitend über den gesamten Projektzeitraum; die Ergebnisse der Studie werden erst nach Abschluss des Projektes vorliegen. Daher ist eine Veröffentlichung zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich. Die Ergebnisse der BJO werden monatlich ausgewertet. Im Rahmen der Projektsteuerung werden regelmäßig effektive strategische Ansätze zur Optimierung der Prozesse und operative Ansätze im Hinblick auf eine möglichst hohe Zielerreichung in den Projektgremien erörtert. 10. Wie haben sich die Sanktionen in Berlin in den Jahren 2009ff. entwickelt? (Bitte differenziert nach Jobcentern und Anlässen aufschlüsseln.) Zu 10.: Siehe Anlage 11. Wie hoch ist die Sanktionsquote der BJO-Teams? (Bitte differenziert nach Jobcentern und Anlässen aufschlüsseln .) Zu 11.: Es werden nur die Gesamtzahlen der Sank- tionen pro Jobcenter erfasst. Sanktionen, die aufgrund der Aktivierung im Rahmen der BJO eingetreten sind, werden nicht explizit zahlenmäßig ausgewiesen. 12. Wie viele Stellenausschreibungen erhalten Er- werbslose, die von speziellen BJO-Teams betreut werden im Durchschnitt pro Monat und wie groß ist die Spannweite ? (Bitte nach Jobcentern, Durchschnitt, Minimalund Maximalwerten auflisten.) Zu 12.: Eine solche Auswertung wird nicht vorge- nommen. Vermittlungsvorschläge werden dann ausgelöst, wenn das Stellenprofil mit dem Bewerber(-innen)profil vereinbar ist. 13. Wie wird gewährleistet, dass die Stellenausschrei- bungen, auf die sich Erwerbslose verpflichtend bewerben müssen, auch zum Profil der Erwerbslosen passen? Zu 13.: Grundsätzlich durchläuft das Bewerber(in- nen)profil ein bi-direktionales Matching, welches durch die Vermittlungssoftware zur Verfügung gestellt wird. Bei dem bi-direktionalen Matching werden Angebot und Nachfrage des Bewerberprofils und des Stellenangebots miteinander verglichen, dabei werden nur nachgefragte Kriterien berücksichtigt (Match Engine ELISE). Erst nach Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 420 Überprüfung des Matchingsergebnisses, löst die Vermittlungsfachkraft den Vermittlungsvorschlag aus. 14. Wie viele branchenbezogene Vermittlungsteams gibt es in Berlin für SGB-II-Leistungsbeziehende? (Bitte nach Branchen auflisten.) Zu 14.: Die Organisation der Jobcenter obliegt den Jobcentern selbst und wird durch die Regionaldirektion Berlin nicht nachgehalten oder vorgeschrieben. 15. Wie viele Vermittlungen gab es in den Jahren 2009ff. in die verschiedenen Branchen? (Bitte pro Jahr und Branche auflisten.) Zu 15.: Es gibt keine Auswertung „Vermittlungen nach Branchen“. Es wird lediglich die Zahl der erfolgreich besetzten Stellen abgebildet. Berlin, den 19. Juni 2012 In Vertretung Farhad Dilmaghani Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 10. Juli 2012) 4 ka17-10420 Neufassung der Anlage zu K1710420