Drucksache 17 / 10 421 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Simon Weiß (PIRATEN) vom 12. April 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 17. April 2012) und Antwort Tanzverbot in Berlin? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Inwieweit kommt § 4 der Berliner FeiertagsschutzVerordnung (FSchVO), insbesondere das „Tanzverbot“, tatsächlich zur Anwendung? 2. Welche Maßnahmen zur Durchsetzung dieser Regelungen werden durchgeführt? Zu 1. und 2.: Die Einhaltung des gemäß § 4 der Berliner Feiertagsschutz-Verordnung (FSchVO) geltenden Verbots bestimmter öffentlicher Veranstaltungen – insbesondere musikalischer Darbietungen jeder Art in Räumen mit Schankbetrieb und öffentlichen Tanzveranstaltungen – am Karfreitag, am Volkstrauertag sowie am Totensonntag (den so genannten stillen Tagen) in der Zeit von 4.00 Uhr bis 21.00 Uhr wird von den bezirklichen Ordnungsämtern im Rahmen ihrer personellen Ressourcen kontrolliert. Im Falle begründeter Hinweise wird diesen nachgegangen; festgestellte Verstöße gegen das Verbot werden geahndet. Zudem weisen die Sachbearbeiterinnen und Sachbear- beiter der Ordnungsämter bei Anfragen zu Veranstaltungen auf die bußgeldbewehrte Regelung des § 4 FSchVO hin und tragen auf diese Weise bereits im Vorfeld zur Vermeidung von Verstößen gegen diese Bestimmung bei. 3. In wie vielen Fällen wurden seit 2010 Verstöße gegen § 4 FSchVO verfolgt bzw. Veranstaltungen nicht zugelassen? (Bitte eine möglichst genaue Einzelauflistung nach Veranstaltung mit Datum.) Zu 3.: Seit 2010 musste nur ein Verstoß gegen das Tanzverbot des § 4 Nr. 4 FSchVO geahndet werden. Dies erfolgte im Jahr 2010 im Bezirk Reinickendorf; in diesem Fall lösten die Vollzugskräfte des zuständigen Polizeiabschnitts aufgrund einer Lärmanzeige von Anwoh- nerinnen und Anwohnern die Tanzveranstaltung einer Diskothek in den Morgenstunden auf. Es ist kein Fall bekannt, in dem eine für eine öffentliche Musik- oder Tanzveranstaltung gemäß § 5 FSchVO beantragte Ausnahme vom Verbot des § 4 FSchVO versagt wurde. 4. a) In welchen Fällen wurden Ausnahmen nach § 5 FSchVO zugelassen? b) Wie oft wurde dies bei der zuständigen Behörde beantragt? Zu 4.: Seit 2010 wurden in zwei Berliner Bezirken Anträge auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 5 FSchVO gestellt, denen nach umfangreicher Prüfung der Sachlage entsprochen werden konnte: Im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf erhielt ein Tanz-Café in den Jahren 2010 und 2011 die Erlaubnis zur Durchführung eines Tanztees mit Livemusik an Volkstrauertag und Totensonntag. Diese Ausnahmegenehmigungen waren mit Auflagen, wie dem Verbot beleuchteter Außenwerbung und der akustischen Wahrnehmbarkeit der musikalischen Darbietungen außerhalb der eigentlichen Veranstaltungsräumlichkeiten, versehen. Im Bezirk Spandau wurde an den Karfreitagen der Jahre 2010, 2011 und 2012 im Rahmen eines Musikfestivals jeweils eine öffentliche Tanzveranstaltung in einem Sport- und Freizeitzentrum genehmigt. 5. Hält der Senat eine solche Regelung, insbesondere in Bezug auf religiöse Feiertage, für zeitgemäß? Zu 5.: Der Feiertagsschutz an den so genannten stillen Tagen wird im Land Berlin durch § 4 FSchVO gewährleistet. Die Vorschrift sieht allerdings keine absolute Regelung vor, sondern ist sowohl zeitlich, als auch gegenständlich beschränkt: Das Verbot bestimmter öffentlicher Veranstaltungen erfasst allein die Zeit von Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 421 4.00 Uhr bis 21.00 Uhr. Daher werden Musikdarbietungen in Bars und anderen Gaststätten sowie die Vielzahl von Tanzveranstaltungen in den Clubs der Hauptstadt in den späteren Abend- und Nachtstunden grundsätzlich nicht eingeschränkt. Zudem sieht § 4 FSchVO in seiner Nr. 1 auch kein vollständiges Verbot von Sportveranstaltungen vor, sondern schränkt lediglich die Gestaltung von Rahmenprogrammen derartiger Veranstaltungen ein. Die Vorschrift ist damit weniger weit gefasst als entsprechende Regelungen anderer Bundesländer, die an den stillen Tagen weitergehende Einschränkungen bei (mitunter wesentlich) längerer zeitlicher Geltung vorsehen. Darüber hinaus ist die Verbotsregelung des § 4 FSchVO nicht auf nichtöffentliche Veranstaltungen und Feierlichkeiten anwendbar , so dass diese auch an den stillen Tagen unter Beachtung des Verbots der Störung religiöser Feiern gemäß § 3 FSchVO zulässig sind. Aus Sicht des Senats schafft die Regelung des § 4 FSchVO daher einen angemessenen Ausgleich zwischen dem grundgesetzlich verbürgten Gebot des Feiertagsschutzes , das sich auch und gerade auf kirchliche Feiertage bezieht, und dem Recht jeder und jedes Einzelnen, die stillen Tage nach eigenem Belieben zu verbringen bzw. öffentliche Veranstaltungen auszurichten . 6. Wäre es aus Sicht des Senats angemessen, unter Bezug auf § 4 FSchVO an den entsprechenden Tagen auch Demonstrationen gegen die Feiertagsregelungen zu untersagen, auch wenn diese religiöse Feiern nicht stören? Zu 6.: Demonstrationen sind nach § 4 Nr. 4 FSchVO als öffentliche Veranstaltungen unzulässig, sofern durch sie die den einzelnen Tagen entsprechende besondere Feiertagsruhe unmittelbar gestört wird. Ob dies der Fall ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab – neben dem Thema insbesondere vom Ort der Demonstration sowie der von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Demonstration voraussichtlich gewählten Ausdrucksformen ihrer Meinungskundgabe. Die Regelung des § 4 Nr. 4 FSchVO schließt eine gegen den besonderen Schutz der stillen Tage gerichtete Demonstrationen an den stillen Tagen daher nicht in jedem Fall aus. Sie erlaubt einen angemessenen Ausgleich zwischen der grundrechtlich verbürgten Versammlungsfreiheit und dem ebenfalls verfassungsrechtlich gebotenen Feiertagsschutz im Einzelfall. 7. Aufgrund welcher Datensätze bzw. Unterlagen wurden oben stehende Fragen beantwortet und inwieweit wäre es möglich, diese (ggf. in aufbereiteter Form) auf dem Berliner Open-Data-Portal einzustellen und fortlaufend zu aktualisieren? Zu 7.: Die dieser Anfrage zugrunde liegenden Angaben wurden von der Senatsverwaltung für Inneres und Sport ausschließlich für diese Anfrage bei den bezirklichen Ordnungsämtern erhoben. Eine Einstellung dieser Daten im Open-Data-Portal des Landes Berlin (http://daten.berlin.de) wird derzeit nicht erwogen. Berlin, den 30. Juli 2012 In Vertretung Bernd Krömer Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 03. August 2012) 2