Drucksache 17 / 10 437 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Heiko Thomas (GRÜNE) vom 18. April 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 23. April 2012) und Antwort Einhaltung der Psychiatrie-Personalverordnung in Berlin Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Liegen dem Senat jüngere Zahlen (jünger als Erhebung von 2007) über den tatsächlichen therapeutischen Versorgungsgrad entsprechend den Vorgaben der Psychiatrie-Personalverordnung (PsychPV) vor? Wenn Nein, warum nicht? Zu 1.:Nein. Im Jahr 2008 führte die Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz im Auftrag des Landespsychiatriebeirates in den Kliniken und Fachabteilungen für Psychiatrie und Psychotherapie sowie Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie der Berliner Krankenhäuser eine Umfrage durch, um die Umsetzung der Psychiatrie-Personalverordnung (PsychPV ) bezogen auf das Budgetjahr 2007 zu evaluieren. Diese Erhebung stand vor dem Hintergrund einer im Jahr 2005 durch die AKTION PSYCHISCH KRANKE im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit durchgeführten bundesweiten Umfrage zum Stand der Erfüllung der Psychiatrie – Personalverordnung (PsychPV ). Der Abschlussbericht der Berliner Psych-PV- Erhebung lag Mitte 2009 vor; nachfolgend fand keine weitere Evaluation statt. 2. Wie bewertet der Senat die vorliegenden Zahlen? Wenn keine vorliegen, gedenkt der Senat neue Zahlen zu erheben? Zu 2.: Der Senat strebt für das Jahr 2012 eine weitere Erhebung der Psych-PV-Umsetzung im Land Berlin an. Zur Bewertung der Ergebnisse aus der Erhebung aus dem Jahre 2008 siehe die Antwort auf Frage 3. 3. Wie bewertet der Senat nach den ihm vorliegenden Fakten die tatsächliche Einhaltung des therapeutischen Versorgungsgrades entsprechend den Vorgaben der Psychiatrie-Personalverordnung (PsychPV)? Zu 3.: Die Ergebnisse der Psych-PV-Erhebung 2007 stellen sich zusammengefasst wie folgt dar: Der PsychPV -Erfüllungsgrad in den Berliner Kliniken und Fachabteilungen für Psychiatrie und Psychotherapie (Erwachsenen -Psychiatrie) betrug 90 % im Jahr 2007 und entsprach damit fast genau dem Bundesdurchschnitt aus dem Jahr 2004. Der Psych-PV-Erfüllungsgrad in den Fachabteilungen für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie war für Berlin im Jahr 2007 deutlich höher als der Durchschnittswert der Umfrage in Deutschland zum Referenzjahr 2004 erwarten ließ und lag im Durchschnitt über alle Berufsgruppen bei fast 100 %. Der Senat hat zu jedem Zeitpunkt deutlich gemacht, dass er aus Qualitätsgesichtspunkten von den Kostenträgern /innen und den Leistungserbringern/innen eine Erfüllung der Psych-PV-Vorgaben erwartet. Die Möglichkeit einer direkten Einflussnahme auf das Finanzierungsgeschehen hat der Senat nicht. 4. Geht der Senat davon aus, dass die Krankenkassen den Krankenhausträgern die erforderlichen Budgets zur 100%igen PsychPV-Erfüllung zur Verfügung stellen? Zu 4.:Die Finanzierung von Personalstellen in den psychiatrischen Einrichtungen ist Gegenstand der jährlich zwischen den Krankenkassen und den Einzelkrankenhäusern zu führenden Budgetverhandlungen. Das Verfahren, die Zuständigkeiten sowie die Beteiligten sind durch Bundesrecht abschließend geregelt. Die Länder sind in dies Verfahren nicht eingebunden. Somit hat der Senat keine Kenntnisse über das Ergebnis der Budgetverhandlungen zwischen den Krankenkassenverbänden und den Krankenhausträgern. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 /10437 2 Grundsätzlich sind die Ergebnisse der Budget- verhandlungen schiedsstellenfähig. Das bedeutet, dass im Falle einer Nichteinigung das Krankenhaus die Möglichkeit hat, seine Rechtsansprüche vor einem neutralen Gremium durchzusetzen. Nach Auskunft der Kostenträger haben die Vertragsparteien auf Ortsebene die Umsetzung der gesetzlichen Anforderungen stets einvernehmlich vereinbart , keine der Parteien hat zur Entscheidungsfindung die Schiedsstelle bemühen müssen. 5. Wie beurteilt der Senat den Vorwurf gegenüber der Vivantes GmbH, dass Vivantes die Mittel nach dem PsychPV für manche Berufsgruppen so niedrig ansetzt (ca. 80%), dass ein wesentlicher Teil des eigentlich für die psychisch Kranken zugedachten Krankenhausbudgets nicht für die Versorgung der psychisch Kranken verwandt wird? 6. Wie bewertet der Senat den Vorwurf, dass der durch die PsychPV festgelegte untere Grenzwert der Stellenausstattung zur Versorgung psychisch Kranker bei Vivantes (um 20%) unterschritten würde und zugleich von Kliniken ein hoher Deckungsbeitrag (von über 40%) gefordert wird? Zu 5. und 6.: Hierzu liegen dem Senat keine Erkenntnisse vor. Wie in der Beantwortung der Frage 2 ausgeführt, beabsichtigt der Senat noch in 2012 eine erneute Erhebung zum Umsetzungsstand der PsychPV durchzuführen. Der Senat wird die Ergebnisse der Umfrage bewerten und bei Bedarf im Rahmen seiner Möglichkeiten intervenieren. Der Senat erwartet von den Beteiligten, dass sie in gemeinsamer Verantwortung für die erforderliche Qualität in der klinischen Behandlung psychisch erkrankter Menschen die Bereitstellung des erforderlichen und qualifizierten Personals in Umsetzung der Bundesvorschriften ermöglichen. Dies gilt auch mit Blick auf das neue Entgeltfinanzierungsgesetz. Auf Nachfrage teilte die Vivantes GmbH mit, dass die unter den Ziffern 5 und 6 genannten Werte von Vivantes derzeit so nicht nachvollzogen werden können. 7. Wie bewertet der Senat den vorliegenden Entwurf für eine Psychiatrie Entgeltgesetz (PsychEntG) der Bundesregierung? Zu 7.: Mit dem Entwurf eines Psych-Entgeltgesetzes (PsychEntG) werden die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Einführung eines pauschalierenden und leistungsorientierten Entgeltsystems für die voll- und teilstationären Leistungen psychiatrischer und psychosomatischer Einrichtungen gesetzt. Das neue Entgeltsystem wird im Rahmen eines lernenden Systems mit einer vierjährigen Einführungsphase (budgetneutrale Phase) und einer fünfjährigen Überführungsphase (Konvergenzphase) eingeführt. Dadurch wird den Einrichtungen ausreichend Zeit gegeben, sich auf die künftige Veränderung ihres Erlösbudgets einzustellen. Die langen Zeiträume der Ein- und Überführungsphase tragen auch den noch zu leistenden Entwicklungsarbeiten für das neue Entgeltsystem Rechnung. 8. Hat zum PsychEntG schon eine Beratung im Rahmen der Ländergesundheitsministerkonferenz stattgefunden ? Wenn ja, mit welchem Ergebnis? Welche Position hat Berlin dort vertreten? Zu 8.: Im Rahmen der 84. Gesundheits- ministerkonferenz (GMK) vom 29./30. Juni 2011 fand eine Beratung zum PsychEntgG statt. In diesem Zusammenhang hat die 84. GMK bei der Entwicklung des neuen Psychiatrie-Entgeltsystems die stärkere Berücksichtigung von geeigneten finanziellen Steuerungsanreizen mit dem Ziel einer Weiterentwicklung der Versorgung angemahnt und forderte die kritische Überprüfung des bis dahin erreichten Umsetzungstandes, gegebenenfalls unter Hinzuziehung eines unabhängigen Instituts bzw. einer unabhängigen Kommission. Die 84. GMK sah die Einbeziehung der psychiatrischen Institutsambulanzen als auch die Berücksichtigung der bisherigen Erkenntnisse aus bereits bestehenden sektorübergreifenden Modellprojekten als unerlässlich im weiteren Entwicklungsprozess. Ebenso wurde der Wunsch nach einer aktiven Beteiligung der Länder am weiteren Prozess geäußert. Der derzeit im Gesetzgebungsverfahren befindliche Entwurf des Psychiatrie-Entgeltgesetzes berücksichtigt die Forderungen nur insoweit, als der Entwurf mit dem vorgesehenen § 64 b SGB V -neu- eine Rechtsgrundlage für die modellhafte Erprobung alternativer und sektorübergreifender Modellprojekte vorsieht. Den Prüfauftrag in § 17d des Gesetzes zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze (KHG) zur Einbeziehung der psychiatrischen Institutsambulanzen hat der Bundesgesetzgeber mit dem Versorgungsstrukturgesetz und der insoweit erfolgten Ergänzung in § 295 Abs. 1b Satz 4 SGB V inzwischen weiter präzisiert. Insgesamt sehen die Länder noch deutlichen Änderungsbedarf am vorliegenden Gesetzentwurf und haben dies durch eine Vielzahl von Änderungsanträgen im Rahmen der Beteiligung des Bundesrates deutlich gemacht. Hieran hat Berlin aktiv mitgewirkt. Die 85. GMK tagt am 27. und 28. Juni 2012 in Saarbrücken. Auch im Rahmen der diesjährigen Konferenz wird das Thema voraussichtlich angesprochen werden. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 /10437 3 9. Welche Haltung bzw. Position hat das Land Berlin im Bundesrat bei der Formulierung der Stellungnahme vom 2.3.2012 eingenommen? Zu 9.: Dem jetzt vorliegenden Entwurf des Psychiatrie-Entgeltgesetzes konnte von Seiten des Landes Berlin in weiten Bereichen zugestimmt werden. Im Benehmen mit anderen Bundesländern wurde jedoch in Bezug auf Einzelregelungen noch Änderungsbedarf gesehen. Im Rahmen des Beteiligungsverfahrens hat der Bundesrat Änderungen bezüglich des Entwurfs der Bundesregierung angemahnt. Hierzu hat sich das Land Berlin sachgemäß eingebracht und in enger Abstimmung mit weiteren Bundesländern – nach intensiver Auseinandersetzung mit dem Gesetzentwurf in der AG Psychiatrie der Obersten Landesgesundheitsbehörden – die erfolgten Anträge zum Teil mit erarbeitet und votiert. 10. Wie wird sich die anstehende Reform auf die stationäre, teilstationäre und ambulante Versorgung von psychisch kranken Erwachsenen und von Kindern und Jugendlichen auswirken? Zu 10.: Der Gesetzentwurf legt die Grundlagen für eine systematische Qualitätssicherung in der psychiatrischen und psychosomatischen Versorgung. Der Gemeinsame Bundesausschuss wird verpflichtet, in seinen Richtlinien erforderliche Maßnahmen zur Sicherung der Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität einschließlich Indikatoren zur Beurteilung der Versorgungsqualität für diesen Bereich festzulegen. Diese sind in Verfahren der einrichtungs- und sektorenübergreifenden Qualitätssicherung umzusetzen. Zudem wird er beauftragt, Empfehlungen für die Personalausstattung der Einrichtungen abzugeben. Diese Maßnahmen und Empfehlungen sind vom Gemeinsamen Bundesausschuss spätestens mit Beginn der Konvergenzphase des Psych-Entgeltsystems zum 1. Januar 2017 einzuführen. Aus Sicht des Senats ist sowohl eine auskömmliche Finanzierung der klinischen Versorgung als auch die sektorenübergreifende, aufeinander abgestimmte Weiterentwicklung des Versorgungssystems von grundsätzlicher Bedeutung für die Zukunft der Psychiatrie und psychosomatischen Medizin. Ansätze hierfür gibt der vorliegende Gesetzentwurf. Eine Wertung ist zum jetzigen Zeitpunkt des Beratungsverfahrens jedoch nicht möglich. Um mögliche Fehlentwicklungen frühzeitig zu erkennen und zu vermeiden unterstützt Berlin z. B. auch die Forderung, den weiteren Entwicklungsprozess durch eine externe Expertengruppe begleiten zu lassen. 11. Wie bewertet der Senat den mit dem Gesetz geplanten Mehr- und Mindererlösausgleich und welche Auswirkungen wird dies auf den möglichen Personaleinsatz pro Patientin bzw. Patient haben? 12. Wie bewertet der Senat den gegenwärtigen Stand der Psych-OPS als Kostentrenner und ist das System geeignet, um die Versorgung in allen Bereichen (Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik) angemessen abzubilden? Zu 11. und 12.: Hierzu liegen dem Senat zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Erkenntnisse vor. Eine Wertung möglicher Auswirkungen eines Leistungsgesetzes, das sich zum jetzigen Zeitpunkt noch im Beratungsprozess befindet, ist dem Senat nicht möglich. Berlin, den 29. Mai 2012 In Vertretung Emine D e m i r b ü k e n - W e g n e r Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 07. Juni 2012)