Drucksache 17 / 10 440 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage der Abgeordneten Marianne Burkert-Eulitz (GRÜNE) vom 20. April 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 24. April 2012) und Antwort Von Wohnungslosigkeit betroffene oder bedrohte Familien mit Kindern I Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie viele und welche Notunterkünfte stehen Familien mit Kindern in Berlin zu Verfügung in Einrichtungen, die Personen nicht nur über Nacht aufnehmen? 2. Wie viele und welche Notunterkünfte sind in Berlin auf die zunehmende Gruppe von alleinerziehenden Frauen mit Kindern eingerichtet? Zu 1. und 2.: Die Bezirksämter sind gemäß Nr. 19 Zuständigkeitskatalog des Allgemeinen Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Berlin (ASOG Berlin) verantwortlich für die Ordnungsaufgaben bei Wohnungslosigkeit. Die ordnungsrechtliche Aufgabe der Einweisung bzw. Unterbringung in eine Notunterkunft dient dem Schutz vor Selbstgefährdung des Lebens bzw. der Gesundheit bei wohnungslosen Personen. Die Unterbringung erfolgt ausschließlich auf freiwilliger Grundlage und Wunsch der gefährdeten Person. Zu den Aufgaben der Bezirke gehört ebenfalls die Vorhaltung ausreichender Platzkapazitäten zur Unterbringung wohnungsloser Personen. Familien mit Kindern machten im Jahr 2009 und in den ersten drei Quartalen 2010 einen Anteil aller untergebrachten Haushalte von 0,4 % aus. Im vierten Quartal gab es eine leichte Steigerung auf 0,6 %. Bei Haushalten von Alleinerziehenden mit Kindern lag der Anteil über alle Quartale 2009 bei 1,2 bis 1,6 % und 2010 bei 1,8 % im Verhältnis zu allen untergebrachten Haushalten. Daten für 2011 liegen dem Senat noch nicht von allen Bezirken zur Auswertung vor. Um die Fragen für die speziellen Zielgruppen zu beantworten wäre eine umfangreiche Abfrage in allen Bezirken notwendig, auf die im Rahmen der dargestellten Größenordnung der betroffenen Haushalte verzichtet wurde. 3. Ist dem Senat bekannt, ob Frauen mit Kindern auf der Suche nach Zuflucht z.B. von Frauenzufluchtswohnungen abgewiesen wurden, wenn ja wie viele und worin bestanden die Gründe für die Ablehnung der Aufnahme? Zu 3.: Der Berliner Senat fördert zum Schutz und zur Unterbringung der von häuslicher Gewalt betroffenen Frauen und ihrer Kinder sechs Frauenhäuser und 41 Zufluchtswohnungen. Die Vermittlung in die Frauenhäuser und Zufluchtswohnungen erfolgt durch die BIGHotline als zentrale Anlaufstelle für gewaltbetroffene Frauen in Berlin. Sie bietet von 9.00 bis 24.00 Uhr telefonische Beratung und Vermittlung auf freie Plätze in den Zufluchtseinrichtungen. Grundsätzlich werden gewaltbetroffene Frauen von der BIG-Hotline nicht abgewiesen. Seit dem letzten Jahr sind dem Senat verschiedentlich Vermittlungsschwierigkeiten wegen Vollbelegung der Schutzunterkünfte gemeldet worden. Die betroffenen Frauen wurden dann z. B. an Frauenhäuser im angrenzenden Umland vermittelt oder es wurden andere Zwischenlösungen angeboten. Der Senat ist aktuell damit befasst, die Ursachen für die Engpässe und Vermittlungsschwierigkeiten zu analysieren. Dabei wird u. a. überprüft, in welchem Maße die vermehrt aufgetretenen Vollbelegungen im Zusammenhang mit der Verschlechterung der Berliner Wohnraumversorgung zurückzuführen sind. Der Prozess ist noch nicht abgeschlossen. 4. Wohin vermitteln soziale Beratungsstellen in öffentlicher und freier Trägerschaft Familien mit Kindern, die wohnungslos sind oder kurz bevorstehen es zu sein? Zu 4.: Bei bestehender Wohnungslosigkeit sollten alle Beratungsstellen auf die zuständigen Sozialämter verweisen, die dann eine Unterbringung gemäß ASOG veranlassen. Haushalte, die von Wohnungslosigkeit bedroht sind, sollten bei SGB II-Leistungsbezug an das jeweilige Jobcenter verwiesen werden oder ansonsten an Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10440 2 das Sozialamt im Wohnbezirk zwecks Beantragung einer Mietschuldenübernahme bzw. weiterer Beratung. 5. Welches Informationsmaterial steht den Betroffenen zur Verfügung? Zu 5.: Auf den Internetseiten der Bezirksämter sowie der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales finden sich Informationen mit konkreten Hinweisen sowie Ansprechpartnern/innen. Die zentrale Hotline 115 des Landes Berlin kann angerufen werden. Beratungsstellen informieren auf ihren Internetseiten und geben Faltblätter heraus, die u. a. in Bürgerämtern ausgelegt sind. Dem Senat ist bekannt, dass zumindest die städtischen Wohnungsbaugesellschaften ihre Mieter/innen bei bestehenden Problemen informieren, wo sie eventuell Hilfe finden können. 6. Auf welcher Rechtsgrundlage werden wohnungslose Familien vermittelt? Zu 6.: Wie in der Antwort zu Frage 1 ausgeführt, basiert die Unterbringung wohnungsloser Menschen auf dem Ordnungsrecht gemäß ASOG. 7. Wie hoch ist die Auslastung der zur Verfügung stehenden Unterkünfte? Zu 7.: Die Auslastung der vertragsfreien Unterbringungseinrichtungen für wohnungslose Menschen lag nach Kenntnis des Senats Ende 2011 über 96 %. 8. Ist eine bezirksübergreifende Vermittlung der Betroffenen möglich? Zu 8.: Wenn damit der Nachweis von Unterbringungsplätzen durch die Bezirksämter gemeint ist, ja. 9. Welche sonstigen Hilfemöglichkeiten bzw. Hilfesysteme stehen Familien mit Kindern zur Verfügung, die von Wohnungslosigkeit bedroht oder direkt betroffen sind? Zu 9.: Wohnungslosen oder von Wohnungslosigkeit bedrohten Personen und Familien stehen rechtlich alle Leistungsansprüche analog anderen Leistungsberechtigten zu. Der Status „Wohnungslos“ führt generell nicht zur Leistungseinschränkung u. a. im Sozialhilfe- und Jugendhilferecht. Bei bestehenden Energie- bzw. Mietschulden ist die Möglichkeit eines Entschuldungsantrages gem. § 22 Abs. 8 SGB II oder § 36 SGB XII gegeben. Liegt nach Prüfung des zuständigen Bezirksamtes eine Anspruchsberechtigung vor, können Familien mit Kindern auch das „Geschützte Marktsegment“ zur Wohnraumerlangung nutzen. Je nach individueller Hilfebedarfslage einer Familie mit minderjährigen Kindern - die über das Wohnungsproblem hinaus besteht - sind vorrangig unterstützende Jugendhilfemaßnahmen zu prüfen. Unter Umständen kommen auch persönliche Hilfemaßnahmen gem. § 67 ff SGB XII in Frage. 10. Welches Hilfeverfahren kommt zum Tragen, wenn eine Berliner Behörde Kenntnis von der drohenden Wohnungslosigkeit einer Familie mit Kindern oder bestehender Wohnungslosigkeit erlangt? Zu 10.: In der der Kleinen Anfrage 17/10269 über Räumungsklagen und Wohnungsräumungen vom 2.3.2012 wurde in Verbindung mit der Frage 6 folgendes geantwortet: In den Bezirken - bis auf Neukölln und Reinickendorf - schreiben die Sozialämter alle Beklagten an und verweisen auf Beratung und Unterstützung im Sozialamt oder Jobcenter. Dieses in der Regel mit der Angabe des/der konkreten Ansprechpartners/in und der Bitte dort einen Termin zu vereinbaren. Wenn es sich bei den Beklagten erkennbar um Familien mit minderjährigen Kindern handelt, werden die Räumungsklagen bzw. Gerichtsvollziehermitteilungen an die Jugendämter weitergegeben. In Neukölln und Reinickendorf gilt das beschriebene Verfahren der Sozialämter nur für eingegangene Räumungsklagen gem. § 36 Abs. 2 SGB XII. Die dortigen Jobcenter nehmen die Aufgaben im Zusammenhang mit Räumungsklagen gem. § 22 Abs. 9 SGB II in eigner Verantwortung war. Das Hilfeverfahren für Familien mit Kindern und Alleinerziehende bei Unterbringung gem. ASOG, Räumungsklagen oder Kündigungen unterscheidet sich generell nicht von anderen wohnungslosen Haushalten, bis auf die Einbeziehung des Jugendamtes nach Vorgaben der internen Organisationsfestlegungen des jeweiligen Bezirksamtes. 11. Gibt es aus Sicht des Senats eine Mängellage, Verbesserungs- und Veränderungsbedarfe für die Hilfe des in der Anfrage betroffenen Personenkreises? 12. Wenn ja, was gedenkt der Senat von Berlin zu tun, um Abhilfe zu schaffen? Zu 11. und 12.: Der Senat sieht keine Veranlassung, die bestehenden Rechtsgrundlagen bei drohender oder bestehender Wohnungslosigkeit bzw. die damit zusammenhängenden Hilfeverfahren zu ändern. Berlin, den 23. Mai 2012 In Vertretung Michael B ü g e Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 04. Juni 2012)