Drucksache 17 / 10 444 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Daniel Buchholz (SPD) vom 24. April 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 24. April 2012) und Antwort Altlasten auf dem Flughafengelände Tegel: Gefahr für das Trinkwasser und den Landeshaushalt ? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Welcher Flächenanteil des Flughafengeländes Tegel befindet sich im Eigentum des Landes Berlin, wem gehören die übrigen Flächen? Antwort zu 1: Die Fläche des Flughafens Tegel um- fasst ca. 460 ha, davon gehören 159 ha dem Land Berlin und 302 ha der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA). Frage 2: Plant der Senat im Rahmen der Nachnutzung des Flughafen Tegels einen Ankauf von Grundstücksflächen , die sich augenblicklich nicht im Eigentum des Landes befinden, und wenn ja, mit welchen Aufwendungen rechnet der Senat hierfür? Antwort zu 2: Der Senat plant keinen Ankauf von Flächen. Frage 3: Wann wird die Flughafenfläche an den bzw. die Eigentümer übergeben und welche Vorgaben hat die Flughafengesellschaft hinsichtlich des Zustandes der Fläche erhalten, insbesondere in Bezug auf Altlasten und Altlastenverdachtsflächen? Antwort zu 3: Ein Termin für die Übergabe der Flug- hafenflächen von der Berliner Flughafengesellschaft (BFG) an die Eigentümer Land Berlin und Bund, nach der Inbetriebnahme BER am 17. März 2013, muss neu bestimmt werden. Die Regelungen zur Beteiligung der BFG an den Altlastenerforschungs- und eventuellen Beseitigungskosten sind Teil der aktuellen Rückgabeverhandlungen zwischen der BFG und dem Land Berlin, vertreten durch die Senatsverwaltung für Finanzen. Frage 4: Welche Erkenntnisse liegen dem Senat über die Belastung des Flughafengeländes mit Schadstoffen sowie Kampfmitteln vor? Sind bereits Teilflächen des Tegeler Flughafengeländes im Berliner Bodenbelastungskataster erfasst und wenn ja, welche? Antwort zu 4: Der Flächennutzungsplan stellt die Flä- chen des Flughafens als schadstoffbelastete Böden dar. Aufgrund historischer Recherchen wurde das gesamte Gelände des Flughafens als Altlastenfläche im Bodenbelastungskataster gekennzeichnet. Nach Auskunft des zuständigen Umweltamtes im Be- zirk Reinickendorf kam es nach 1970 durch den Einsatz von Enteisungsmitteln zu Ammoniumbelastungen des Untergrundes, die sich partiell auch im Grundwasser durch einen erhöhten Ammoniumgehalt ausprägen. Im Rahmen eines jährlichen Monitorings, durchgeführt im Auftrag der Berliner Flughafengesellschaft, werden die Belastungen des Grundwassers überwacht. Dabei konnte festgestellt werden, dass bislang so geringe Schadstoffkonzentrationen auftraten, dass ein behördliches Eingreifen im Rahmen der Gefahrenabwehr nicht erforderlich war. Neben den flächenhaft ausgeprägten Schadstoff- belastungen existieren auf dem Flughafengelände auch lokale Kontaminationsschwerpunkte, die durch den Flughafenbetrieb verursacht worden sind. Sie umfassen Tankstellen , Wartungs- und Reparaturbereiche von Flug- und Fahrzeugen. Auch diese Teilbereiche sind im Bodenbelastungskataster erfasst. Die durch die Nutzung verursachten lokalen Schadstoffbelastungen wurden überwiegend bereits saniert und werden jetzt ebenfalls im Rahmen des Monitorings überwacht. Vereinzelt konnten lokale Schadstoffbelastungen nicht vollständig aus dem Boden entfernt werden, um die Standsicherheit der Gebäude nicht zu gefährden. Sie stellen jedoch zurzeit keine Gefährdung für das Grundwasser dar und können im Rahmen einer Neubebauung beseitigt werden. Der Umgang mit den Schadstoffein- Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 444 tragsstellen, die unterhalb von Gebäuden liegen, die nicht abgerissen werden, bedarf konkreter Einzelfallentscheidungen . Es kann jedoch festgestellt werden, dass zum jetzigen Zeitpunkt Gefahrenabwehrmaßnahmen nicht erforderlich sind. Alle Belastungsschwerpunkte werden überwacht und sind im Bodenbelastungskataster eingetragen. Bezogen auf Kampfmittel liegt die Erkenntnis vor, dass unter Berücksichtigung der bisherigen Nutzungsart der Flughafen Tegel vollflächig als betretungssicher einzustufen ist. Bei Baumaßnahmen sind je nach Tiefe eine Kampfmittelräumfirma hinzuzuziehen bzw. eine konkrete Prüfung vorzunehmen. Frage 5: Welche Zuständigkeiten auf Verwaltungs- ebene bestehen für die Altlastenbelange des Flughafengeländes Tegel zurzeit? Werden sich diese nach Einstellung des Flugbetriebs verändern? Antwort zu 5: Gemäß dem Zuständigkeitskatalog Ordnungsaufgaben sind die bezirklichen Umwelt- und Naturschutzämter zuständig für die Ordnungsaufgaben nach dem Bundes-Bodenschutzgesetz und dem Berliner Bodenschutzgesetz außerhalb von Trinkwasserschutzgebieten . Diese Zuständigkeit besteht unabhängig vom Flughafenbetrieb. Zudem wird das Amt für Umwelt- und Naturschutz als Träger öffentlicher Belange für den Bodenschutz im Rahmen von Flächennutzungsplanung und Bebauungsplanverfahren beteiligt. Frage 6: Welche konkreten Schritte hat sich der Senat für die Zeit nach Einstellung des Flugbetriebs in Tegel bezüglich der Altlasten, der Verdachtsflächen und der Kampfmittelräumung vorgenommen? Welche Kosten erwartet der Senat dafür in den kommenden Jahren? Antwort zu 6: Nach Information des für Altlasten zu- ständigen Umweltamtes werden im Rahmen der Stilllegung von der BFG nur solche Altlasten beseitigt, gesichert oder überwacht werden, die dem Flughafenbetrieb eindeutig zuzuordnen sind. Für die Erkundung und Beseitigung der übrigen Altlasten sind im Rahmen der Gefahrenabwehr der Bund und das Land Berlin als Grundstückeigentümer verantwortlich. Dabei ist zu berücksichtigen , dass notwendige Maßnahmen im Rahmen der Planverfahren weit unterhalb der Gefahrenschwelle erforderlich werden (bauleitplanerisches Vorsorgeprinzip). Die Kosten für die Konfliktbewältigung können erst nach dem jeweiligen Ergebnis der Untersuchung, bezogen auf die geplante Nutzung, benannt werden. Die Kampfmittelberäumung liegt in der Zuständigkeit der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt. Eine Überprüfung der Ergebnisse der bisher durchgeführten Such- und Bergungsmaßnahmen erfolgt, wenn die Nachnutzung über die Bebauungspläne konkretisiert worden ist. Die vorliegenden Erkenntnisse werden im laufenden Planungsprozess geschärft, die zuständigen Be- hörden sind eingebunden. Die Kosten für die erforderlichen Such- und Bergungsmaßnahmen können wesentlich von der Art der Nachnutzung bestimmt und vorher keine belastbare Aussage zur Höhe getroffen werden. Frage 7: Wann werden welche Flächenteile des Ge- ländes für eine öffentliche Nutzung zur Verfügung stehen ? Antwort zu 7: Welche Flächenteile ab wann einer öffentlichen Nutzung zur Verfügung stehen können, muss im Zuge des Planungsfortschritts bis zum Schließungstermin am 17.März 2013 neu bestimmt werden. Frage 8: Welche Erkenntnisse liegen dem Senat vor hinsichtlich der Grundwasserschäden an deutschen Verkehrsflughäfen durch PFT-haltige Löschschäume der Feuerwehren (PFT = perfluorierte Tenside)? Antwort zu 8: Es liegen derzeit keine Erkenntnisse vor. Frage 9: Wann und welche Mengen an PFT-haltigen Löschschäumen wurden auf den (ehemaligen) Berliner Flughäfen Tegel, Tempelhof und Schönefeld eingesetzt? Wie wurden die Oberflächenabwässer von Feuerwehrübungen , Übungsplätzen oder Löscheinsätzen an den Berliner Flughäfen bisher erfasst bzw. wohin wurden sie entsorgt? Frage 10: Ist die ggf. erfolgte Verwendung von PFT- haltigen Schäumen mit deren Verbot 2008 eingestellt worden, sind Restbestände fachgerecht entsorgt worden oder wurden im Übergangszeitraum bis Juni 2011 noch Vorräte aufgebraucht? Wenn ja, wie viele? Antwort zu 9 und 10: Eine Antwort, zuständigkeits- halber durch die Feuerwehr, steht derzeit aus Kapazitätsgründen noch aus und wird nach Vorlage nachgereicht. Frage 11: Welche Ergebnisse erbrachten Bodenunter- suchungen zu einer PFT-Belastung auf den Flughafengeländen bzw. in deren Grundwasserabstrom, und falls solche Untersuchungen bisher nicht stattgefunden haben, warum wurden sie nicht für nötig gehalten? Frage 12: Welche Gefährdung für das Berliner Grund- bzw. Trinkwasser besteht durch möglicherweise auf dem Flughafengelände in Tegel eingesetzte PFT-Löschschäume , insbesondere durch die Nähe zum Wasserwerk Tegel und dem zugehörigen Wasserschutzgebiet? Antwort zu 11 und 12: Die folgenden Aussagen des Umwelt- und Naturschutzamtes Reinickendorf beziehen sich nur auf die technische Störung an einem Löschfahrzeug im Januar 2012 bei der 2.500 l Löschwasser, das durch den Schaumbildner AFF 3 % (3 % Sthamax) beaufschlagt war, ausgelaufen war. Inwieweit Übungen mit PFT-haltigem Löschschaum bzw. ob solcher Lösch- 2 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 444 schaum bei Bränden überhaupt auf dem Flughafengelände zum Einsatz kam, entzieht sich der Kenntnis des Senats. Nach dem Auslaufen des Löschwasser/ Schaum- bildnergemisches wurden keine Bodenuntersuchungen seitens der Flughafenverwaltung veranlasst. In Abstimmung mit dem zuständigen Mitarbeiter des Umwelt- und Naturschutzamtes wurde für das eingesetzte Löschmittel und die verwendete Menge durch die GCI GmbH eine Gefährdungsabschätzung zum Nachweis von poly- und perfluorierten Verbindungen (PFC) für das Grund- und Trinkwasser vorgenommen. Beim versickerten Löschschaummittel handelt es sich um das PFOS-freie Produkt Sthamax-AFF 3 % F-15 Premium, welches perfluorierte Tenside enthält. Das Schaumittel wird laut Sicherheitsdatenblatt V-03 als gut biologisch abbaubar eingestuft. Das Konzentrat war im Löschwasser in der Größenordnung von 3 % der Wassermenge beigemischt, was einer Menge von 75 l Konzentrat entspricht. Nach der laboranalytischen Analyse des Konzentrates für 10 perfluorierte Tenside, für die trinkwasserrelevanten Bewertungsmaßstäbe des Umweltbundesamtes sowie gemäß DIN 38407 – 42 vorliegen , ist lt. Gutachter davon auszugehen, dass lediglich 0,11 g perfluorierte Tenside versickert sind. Der Löschwassereintrag in den Untergrund stellt damit keine Beeinträchtigung oder Gefährdung für die Trinkwassergewinnung mit den Brunnen des WW Tegel dar. Die nächsten Brunnen befinden sich in einer Fließzeit von ca. 25 Jahren vom Eintragsort entfernt. Um aus toxikologischer und trinkwasserhygienischer Sicht eine Gefährdung darzustellen, hätte die Stoffmenge der versickerten perfluorierten Tenside mehr als das 1.000fache betragen müssen. Frage 13: Wurden PFT-haltige Löschschäume oder Gemische mit Wasser auch bei Übungen oder Einsätzen im Wasserschutzgebiet des Flughafens Tegel eingesetzt? Antwort zu 13: Eine Antwort, zuständigkeitshalber durch die Feuerwehr, steht derzeit aus Kapazitätsgründen noch aus und wird nach Vorlage nachgereicht. Frage 14: Welche Auswirkungen haben aus Sicht des Senats eventuelle Bodenbelastungen bzw. Kampfmittelreste sowie mögliche PFT-Altlasten auf den Ankaufspreis von Flächen des Flughafengeländes Tegel? Antwort zu 14: Etwaige Sanierungserfordernisse in Bezug auf Bodenbelastungen werden in der zweiten Jahreshälfte 2012 im Rahmen der inzwischen eingeleiteten verbindlichen Bauleitplanung untersucht. Daraus können sich Hinweise auf etwaige Sanierungsmaßnahmen ergeben ; diese können sich u. U. auf die Kalkulation von Grundstückspreisen auswirken. Ein An- bzw. Verkauf von Flächen zwischen den heutigen Grundeigentümern ist nicht vorgesehen. Insofern ergeben sich hier keine Auswirkungen. Berlin, den 31. Mai 2012 In Vertretung Christian Gaebler Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 15. Juni 2012) 3