Drucksache 17 / 10 448 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Klaus Lederer (LINKE) vom 24. April 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 26. April 2012) und Antwort Dokumentation und Forschung zur Verfolgung von Menschen aufgrund sexueller Orientierung oder Identität Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Welche konkreten Vorstellungen verfolgt der Se- nat zur Erforschung und Dokumentation der Verfolgung von Männern aufgrund einvernehmlicher homosexueller Handlungen während der Nazizeit und in der DDR bzw. Bundesrepublik (vgl. Pressemitteilung des Senats vom 17.04.2012)? Zu 1.: Der Senat hat am 17.4.2012 beschlossen, ein Konzept zur Förderung der berlinbezogenen Erforschung und Dokumentation der strafrechtlichen Verfolgung homosexueller Männer und der Diskriminierung von Lesben , Schwulen und transgeschlechtlichen Menschen in der frühen Bundesrepublik und der ehem. DDR zu entwickeln . Dieses soll auch Vorschläge enthalten, welche Maßnahmen das Land Berlin zur gesellschaftlichen Rehabilitierung und Unterstützung der Betroffenen ergreifen kann. (Drs. 17/0277) 2. Welchen Stellenwert nimmt im Rahmen dessen die Umsetzung des Senatsbeschlusses vom 22.02.2011 (Mitteilung zur Kenntnisnahme Initiative „Berlin tritt ein für Selbstbestimmung und Akzeptanz sexueller Vielfalt“ (neu) auf Drucksache 16/3903 vom 23.02.2011, Beschlusspunkt 23.7) zu einer „Gesetzesinitiative Dokumentation und Forschungszentrum für die Homosexuellenverfolgung 1933 bis 1969 in Berlin“ ein? 3. Welche Schritte sind bisher unternommen worden, um das in Frage 2 angeführte Vorhaben des Senats zu realisieren? 4. Welche (weiteren) Schritte sind in welcher Zeit- abfolge aus heutiger Perspektive geplant, um das in Frage 2 angeführte Vorhaben des Senats zu realisieren? Zu 2., 3. und 4.: Eine Gesetzesinitiative „Dokumen- tation und Forschungszentrum für die Homosexuellenverfolgung 1933 bis 1969 in Berlin“, die im Senatsbeschluss zur Initiative Akzeptanz sexueller Vielfalt vom 10.3.2010 vorgesehen war, wurde in der 16. Legislaturperiode nicht realisiert. Der Senat ist offen für die Wiederaufnahme dieses Beschlusses im Rahmen des unter 1 genannten zu entwickelnden Konzepts. 5. Welche Schritte zur Kooperation mit der Magnus- Hirschfeld-Stiftung des Bundes sind bisher unternommen worden, um Berlinbezogene Forschung zur Homosexuellenverfolgung zu initiieren (vgl. Pressemitteilung des Senats, a .a. O., Frage 1) und welche weiteren Schritte sind geplant? Gibt es hierzu bereits schriftliche Vereinbarungen und sind wie lauten ggf. die diesbezüglichen Verabredungen bzw. wann wird ein solcher Arbeitsstand erreicht werden? Zu 5.: Es fanden bilaterale Gespräche zwischen dem Geschäftsführer der Bundesstiftung Magnus-Hirschfeld und der Landesantidiskriminierungsstelle in der Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen statt. Eine schriftliche Kooperationsvereinbarung ist für den Herbst 2012 avisiert. 6. Plant der Senat weitere Maßnahmen, um die Ver- folgung und Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Identität in Berlin oder mit Berliner Bezug in der älteren und jüngeren Geschichte zu dokumentieren oder zu erforschen? Zu 6.: Das unter 1 genannte Konzept soll neben der unter 5 genannten Kooperationsvereinbarung folgende Punkte enthalten (Zeitschiene in Klammern): a) Einrichtung eines Koordinierungsgremiums zur Abstimmung aller fachlich an der Thematik Beteiligten (Einberufung August 2012), b) Sicherung der Aktenbestände des Landes Berlin mit Bezug zu §§ 175, 175a StGB und 151 StGB (DDR) (Durchführung 2. Halbjahr 2012), c) Entwicklung und Förderung von Forschungsund Dokumentationsvorhaben, Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 448 d) Entwicklung von Vorschlägen für Maßnahmen des Landes Berlin zur gesellschaftlichen Rehabilitierung und Unterstützung der Betroffenen. Eine Zeitschiene für die Umsetzung der Punkte c und d ist von dem einzuberufenden Koordinierungsgremium selbst festzulegen. 7. Plant der Senat weitere Maßnahmen, um die Ver- folgung und Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Identität in Berlin oder mit Berliner Bezug in der älteren und jüngeren Geschichte zu dokumentieren oder zu erforschen? Zu 7.: Die Maßnahmen sind in der Antwort zu Frage 5 genannt. Als Auftakt fand im Dezember 2011 ein Fachgespräch zur Geschichtsdokumentation und -bildung zur Homosexuellenverfolgung und zur Sichtbarkeit lesbischer , schwuler, bisexueller und transgeschlechtlicher Lebensweisen statt. Daran haben teilgenommen: Vertreterinnen und Vertreter des Spinnboden Lesbenarchivs, des Schwulen Museums, der Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft , der Freien Universität (Geschichtsdidaktik), des Bezirksamts Kreuzberg, des Fachbereichs Kultur und Geschichte/Kreuzbergmuseum sowie der beteiligten Senatsverwaltungen für Bildung, Jugend und Wissenschaft, des Regierenden Bürgermeisters - Senatskanzlei -/Kulturelle Angelegenheiten und der Landesantidiskriminierungsstelle , Fachbereich für gleichgeschlechtliche Lebensweisen . Für die Einberufung des in der Antwort zu Frage 6 genannten Koordinierungsgremiums werden weitere Institutionen und Expertinnen und Experten einbezogen . 8. Mit welchen finanziellen Aufwendungen aus dem Landeshaushalt rechnet der Senat mittelfristig für die Realisierung der unter 1-6 angeführten Vorhaben und Anliegen? Zu 8.: Mittelfristig erforderliche finanzielle Auf- wendungen aus dem Landeshaushalt sind derzeit noch nicht absehbar. Eventuelle Aufwendungen müssen sich im Rahmen der Finanzplanung des Senats halten. 9. Welche Möglichkeiten sieht der Senat aus heutiger Perspektive, aus anderen Finanzquellen als dem Landeshaushalt Mittel und Unterstützung für die unter 1-6 angeführten Vorhaben oder Anliegen zu generieren? Zu 9.: Der Senat sieht Möglichkeiten, in Kooperation mit der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld und den Universitäten Drittmittel für Forschungsvorhaben zu akquirieren . 10. Welche Haushaltsmittel stehen nach Planung des Senats im Doppelhaushalt 2012/2013 für die unter 1-6 angeführten Vorhaben und Anliegen zur Verfügung und wofür sind diese Mittel jeweils konkret vorgesehen? Zu 10.: Nach Planung des Senats stehen im Haushalt 2012 im Titel 0900/54010/202 - Dienstleistungen zur Umsetzung der Initiative „Akzeptanz sexueller Vielfalt“ jährlich 8.000 € im Rahmen der Gesamtkoordination zur Verfügung. Davon sollen 3.000 € gezielt für die Maßnahme „Aktensicherung“ eingesetzt werden (siehe Antwort zu Frage 6, Punkt b). 11. Wie steht der Senat zu dem Anliegen einer Unter- schriftensammlung von vielen Berlinerinnen und Berlinern aus dem Sommer 2011, anknüpfend an die von den Nazis vernichtete sexualwissenschaftliche Tradition in Berlin ein Magnus-Hirschfeld-Institut wieder zu errichten, das sich auch mit der Dokumentation und Erforschung von Sexualpolitik und dem gesellschaftlichen Klima gegenüber sexueller Vielfalt befassen soll? Welchen Beitrag kann der Senat hierzu leisten? Zu 11.: Der Senat begrüßt Bestrebungen, anknüpfend an die von den Nazis vernichtete sexualwissenschaftliche Tradition in Berlin ein Magnus-Hirschfeld-Institut wieder zu errichten. Dieses Anliegen kann Teil der Kooperation mit der Bundesstiftung Magnus-Hirschfeld sein, in deren Satzung die Einrichtung einer Forschungs- und Dokumentationsstätte als einer von mehreren Stiftungszwecken genannt ist. Berlin, den 4. Juni 2012 Dilek Kolat Senatorin für Arbeit, Integration und Frauen (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 07. Juni 2012) 2