Drucksache 17 / 10 456 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Özcan Mutlu (GRÜNE) vom 30. April 2012 ((Eingang beim Abgeordnetenhaus am 3. Mai 2012) und Antwort Lehrer/-innenarbeit und Arbeitsbedingungen für Lehrer/-innen in Berlin? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Nach welchen Kriterien wird die Lehrer/- innenarbeit in Berlin festgelegt und wie teilt sich diese auf die verschiedenen Tätigkeiten und Aufgaben (wie Vor- und Nachbereitung, Elterngespräche, Kooperationszeiten , Teamarbeit, Schüler/-innengespräche, Fort- und Weiterbildung) der Lehrer/-innen auf (sortiert nach Schultyp) Zu 1.: Die Pflichtstundenregelung der Lehrkräfte ist in die allgemeine beamtenrechtliche Arbeitszeitregelung § 53 Landesbeamtengesetz (LBG), § 1 Arbeits-zeitverordnung (AZVO) eingebettet. Die mit der Pflichtstundenzahl festgelegte Unterrichtsleistung betrifft jedoch nur einen Teil der Arbeitszeit der Lehrkraft. Mit der Pflichtstundenzahl wird die Dienstleistungspflicht der Lehrkraft an der Schule konkretisiert. Dabei ist die tägliche bzw. wöchentliche Arbeitszeit einer Lehrkraft nur schwer zu messen. Hierbei sind sowohl der übers Jahr anders verteilte Arbeitsrhythmus einer Lehrkraft (38 bis 39 Unterrichtswochen einer Lehrkraft - 44 Arbeitswochen eines Beamten/einer Beamtin im öffentlichen Dienst pro Jahr) als auch die Tatsache zu beachten, dass auch Lehrkräfte nur den gesetzlichen Urlaubsanspruch haben und dieser durch die Schulferien abgegolten ist. In dem Teil der Ferien, der den gesetzlichen Urlaubsanspruch übersteigt, nehmen die Lehrkräfte außerunterrichtliche Tätigkeiten wahr. Wann sie diese Aufgaben wahrnehmen, obliegt ihrer persönlichen Einteilung. Neben die Unterrichtstätigkeit treten Aufgaben wie: Vor- und Nachbereitung, Kontrolle der Schülerleistungen durch Korrektur, Konferenzen (Klassen-, Zeugnis-, Fach-, Gesamt-, Schulkonferenzen, Finanzausschuss u.ä.), Abstimmungen/Kooperationen mit anderen Lehrkräften, Schüler- und Elterngespräche, Aufsichten, Vertretungen, Fortbildungen, aber auch die Planung und Durchführung von Schulveranstaltungen und Schülerfahrten. Berechnungsformeln, die das Verhältnis Pflicht- stundenzahl zu außerunterrichtlicher Tätigkeit bestimmen , gibt es nicht. 2. Wann wurde die Arbeitszeit der Lehrer/-innen zuletzt, wie geändert? Zu 2.: Die letzte allgemeine Festsetzung der Pflichtstundenzahl erfolgte am 6. Januar 2003; Auswirkungen auf die Arbeitszeit der Lehrkräfte hatten auch die Änderungen der Arbeitszeitverordnung 22. Juli 2003 (Einführung von § 2a - Gewährung von freien Unterrichtstagen für Lehrkräfte), vom 21. Dezember 2004 (Abschaffung der Altersermäßigung) und vom 6. Juli 2010 (Festsetzung der Pflichtstundenzahl an Integrierten Sekundarschulen). 3. Sieht der Senat nach den zahlreichen Reformen der letzten Jahre – insbesondere der Schulstrukturreform - einen Bedarf für eine Reform der Lehrer/-innenarbeit an Berliner Schulen? a) Wenn ja, wie könnte eine solche Reform ausschauen und welche Zielrichtung sollte sie haben? b) Wenn nein, warum nicht? Zu 3.: Obwohl häufig gescholten, hat sich das Modell der Festsetzung der Arbeitszeit der Lehrkräfte nach Pflichtstunden insgesamt bewährt. Zumindest ist kein alternatives Modell anderer Länder bekannt, das insgesamt mehr Gerechtigkeit bzw. Akzeptanz verspricht. Eine Änderung der Lehrer/-innenarbeitszeit ist deshalb derzeit nicht beabsichtigt. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10456 2 4. Welche Bedeutung misst der Senat gemeinsamen Anwesenheitszeiten (Kooperationszeiten ) in der Schule zusätzlich zu der individuellen Anwesenheit der Lehrkräfte aufgrund der Unterrichtsverpflichtung für die Schulentwicklung zu? Zu 4.: Die Lehrkräfte der Berliner Schule sind nach § 67 Abs. 4 Schulgesetz (SchulG) zur Kooperation und Abstimmung zu den Erziehungszielen und zur Unterrichtsgestaltung verpflichtet. Insofern misst der Senat den Zeiten gemeinsamer Kooperation von Lehrkräften eine hohe Bedeutung bei. Hierbei handelt es sich allerdings um keine zusätzliche Arbeitszeit, sondern um die Wahrnehmung von Aufgaben, die nach den Ausführungen zur Frage 1, neben der in der Pflichtstundenzahl reglementierten Unterrichtstätigkeit, von den Lehrkräften regelmäßig zu leisten sind. 5. Ist es in der Berliner Schule zulässig, gemeinsamen Anwesenheitszeiten (Kooperationszeiten ) in der Schule (z.B. 2 oder 3 Stunden an festen Wochentagen), auch gegen den Willen eines Teils des Kollegiums, für alle verbindlich festzulegen? Zu 5.: Nach § 79 Abs. 3 Nr. 9 SchulG entscheidet die Gesamtkonferenz der Lehrkräfte mit einfacher Mehrheit über Grundsätze der Verteilung der Lehrerstunden aus dem Gesamtstundenpool, des Einsatzes der Lehrkräfte und der sonstigen pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Unterricht, Betreuung, Aufsicht und Vertretung, der Verteilung besonderer dienstlicher Aufgaben sowie besonderer Formen der Arbeitszeitgestaltung. Spricht sich also die Gesamtkonferenz der Lehrkräfte an einer Schule mehrheitlich für die Einführung von festgelegten Kooperationszeiten aus, so würde dieser Beschluss auch die Minderheit der Lehrkräfte binden, die diesem nicht zugestimmt haben. 6. Auf welcher Rechtsgrundlage kann dies angeordnet werden bzw. welche Rechtsgrundlagen müssten verändert oder geschaffen werden, damit dies angeordnet werden kann? Zu 6.: Für die Einzelschule gilt § 79 Abs. 3 Nr. 9 Schulgesetz. Eine allgemeine Einführung von Kooperationszeiten bedürfte der Änderung der Arbeitszeitverordnung. 7. Ist solch eine Anordnung aus Sicht des Senats ein Beteiligungstatbestand für den Personalrat oder für ein anderes Gremium? Zu 7.: An der Änderung der Arbeitszeitverordnung sind die Spitzenorganisationen der zuständigen Gewerkschaften und Berufsverbände nach § 53 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) bzw. § 83 LBG zu beteiligen. 8. Kann die gemeinsame Anwesenheitszeit auch uneingeschränkt für Teilzeitkräfte gelten bzw. was muss dabei berücksichtigt werden? Zu 8.: Die besonderen Belange Teilzeitbeschäftigter , sind bei jeder Regelung zu berücksichtigen. 9. Gibt es aus Sicht des Senats eine zeitliche Obergrenze für gemeinsame Anwesenheitszeiten pro Woche? Zu 9.: Die Einführung von Kooperationszeiten darf nicht zu einer Ausweitung der Arbeitszeit der Lehrkräfte führen. 10. Wie beurteilt der Senat die Wirkung des Bremer „Lehrerarbeitszeitaufteilungsgesetzes“ und sieht er den Bedarf und die Möglichkeit vergleichbare Regelungen auch in Berlin zu schaffen? Zu 10.: Das Bremer Lehrerarbeitszeitaufteilungsgesetz unterscheidet sich von der Arbeitszeitverordnung in Berlin im Wesentlichen dadurch, dass es • verbindliche Präsenzzeiten für alle Lehrkräfte während der Unterrichtszeit und in den Ferien vorsieht, • eine höhere Pflichtstundenzahl für Lehrkräfte mit musisch-technischen Fächern bzw. im Fach Sport vorsieht, • die Erteilung einer zusätzlichen Unterrichtsstunde (Ausgleich erfolgt durch Einrichtung von Unterrichtskonten) erlaubt und • abweichende Arbeitszeitmodelle an der Einzelschule zulässt. Das alles sind interessante Aspekte der Gestaltung von Lehrerarbeitszeit. Sie werden hier (siehe dazu Frage 3) derzeit nicht verfolgt. 11. Wie bewertet der Senat die aktuellen Arbeitsbedingungen der Berliner Lehrkräfte und welche Pläne zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen an den Berliner Schulen verfolgt der Senat aktuell? Zu 11.: Der Senat bewertet die aktuellen Arbeitsbedingungen der Berliner Lehrkräfte im Großen und Ganzen als gut. Die Schulleiterinnen und Schulleiter befinden sich in einem ständigen Austausch mit den Lehrkräften, gute und akzeptable Arbeitsbedingungen im Rahmen der notwendigen Aufgabenerledigungen zu schaffen. Darüber hinaus prüft der Senat Veränderungen bei den Arbeitsbedingungen an den Berliner Schulen - etwa im Zusammenhang mit der Reform des bisherigen Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10456 3 Modells der Ansammlung eines Lebensarbeitszeitkontos . Berlin, den 19. Mai 2012 In Vertretung Mark Rackles Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 24. Mai 2012)