Drucksache 17 / 10 463 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage der Abgeordneten Antje Kapek und Stefan Gelbhaar (GRÜNE) vom 26. April 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 3. Mai 2012) und Antwort Zentraler Omnibusbahnhof (ZOB) auf dem Tempelhofer Feld? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ih- re Kleine Anfrage wie folgt: Umfang, Anzahl und Inhalt der Fragestellungen ü- berschreiten den Rahmen einer Kleinen Anfrage erheblich . Daher ist zu einzelnen Fragen nur eine verkürzte Beantwortung unter Verweis auf bereits vorliegende Materialien erfolgt. Frage 1: Wie viele jährliche An- und Abfahrten gibt es am derzeitigen Zentralen Omnibusbahnhof (ZOB) am Kaiserdamm (Bitte Darstellung seit 2007)? Welches sind die am meisten angefahrenen Zielorte? Gibt es schwerpunktmäßige Zielregionen? Antwort zu 1: Die Internationalen Omnibusbahn- hof-Betreibergesellschaft mbH (IOB) teilt hierzu Folgendes mit: „Die jährlichen An- und Abfahrten seit 2007 sind nachfolgend dargestellt: 2007 2008 2009 2010 2011 63.395 62.252 62.477 65.132 65.328 Häufig angefahrene Zielorte/Regionen sind: a) im Linienverkehr: Hamburg, Dresden. Osteu- ropa (insbesondere Polen und die Baltischen Staaten) sowie Skandinavien b) im Gelegenheitsverkehr: die deutsche und polnische Ostseeküste, Brandenburg, Südeuropa (insb. Italien) Eine systemgestützte statistische Auswertung über die angefahrenen Zielorte/-regionen kann mit dem aktuell eingesetzten Lumino-System nicht erstellt werden .“ Frage 2: Welche Prognosen gibt es hinsichtlich der Entwicklung des Busfernverkehrs (Anzahl der Fahrten? Zielregionen)? Antwort zu 2: Die Senatsverwaltung für Stadtent- wicklung und Umwelt als Eigentümerin des Zentralen Omnibusbahnhofs (ZOB) hat im März 2009 eine Studie zur „Nachfrageentwicklung im Fernbusverkehr und Kapazitätsanalyse des ZOB“ beauftragt. Diese Untersuchung kommt zu folgenden wesentlichen Ergebnissen : • Am heutigen ZOB-Standort am Funkturm tre- ten bereits im derzeitigen Betrieb teilweise Überlastungssituationen auf. • Unabhängig von den Liberalisierungsbestrebungen im Fernbusmarkt wird es in den kommenden Jahren zu Steigerungen in der ZOB-Nutzung kommen. • Bei einer Liberalisierung des Fernbusmarktes kommt es innerhalb kürzester Zeit zu signifikanten Nachfragesteigerungen und Veränderungen im Anbietermarkt . • Die gegenwärtig den ZOB anfahrenden Busunternehmen wünschen sich unabhängig davon höherwertige Servicebetriebe am ZOB und ein angenehmeres Ambiente. Für den Zeitraum bis 2025 wird mindestens eine Verdopplung des bisherigen Verkehrsaufkommens prognostiziert und kann mit den bestehenden Kapazitäten nicht mehr bewältigt werden. Die derzeitige Kapazität des ZOB liegt der Studie zufolge aktuell bei 60,3 T Nutzungen pro Jahr (ohne Zubringer und ÖPNV). Durch Umbau der Verkehrsanlagen des bisherigen ZOB lässt sich seine Kapazität auf 68,2 T jährliche Nutzungen steigern. Zur Markt- bzw. Nachfrageentwicklung im Reise- busverkehr gibt es keine neuen Erkenntnisse über die vorhandene Untersuchung hinaus. Geschwindigkeit Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 463 2 und Umfang eines möglichen Nachfragezuwachses lassen sich aktuell schwer einschätzen. Frage 3: Welche Planungen gibt es für den ZOB am Messedamm? Wird der ZOB saniert, und ggf. wann? Mit welchem Kostenrahmen? Wann steht die nächste Ausschreibung für den Betrieb des ZOB aus? Für welchen Zeitraum wurde der Vertrag abgeschlossen? Antwort zu 3: Zur besseren Bedienung der mittel- fristigen Nachfrage in der Finanzplanung für die Jahre 2014 und 2015 sind Mittel für die Kapazitätserweiterung des vorhandenen ZOB am Messedamm eingestellt worden. Der bestehende Betreibervertrag zwischen dem Land Berlin und der BVG/IOB hat eine Laufzeit bis zum 31.05.2015. Danach verlängert sich der Vertrag einmalig um fünf Jahre bis zum 31.12.2020, wenn er nicht bis zum 31.12.2014 gekündigt wird. Eine erneute Ausschreibung für den Betrieb des ZOB ist vor dem Hintergrund des gültigen Vertrages zurzeit nicht geplant . Frage 4: Wie soll die Attraktivität und Kapazität des ZOB kurzfristig gesteigert werden? Sind Erweiterungen für den ZOB geplant? Welcher Zeitplan existiert zur Realisierung der Maßnahmen? Welche Kosten sind für diese kurzfristigen Maßnahmen am ZOB angesetzt und wie wird die Finanzierung dargestellt? Antwort zu 4: Die Möglichkeiten der Attraktivität und Kapazität des ZOB für Fahrgäste und Busunternehmen hängen im Wesentlichen von der Durchführung der dringend notwendigen Modernisierungs-, Sanierungs - und Erweiterungsmaßnahmen durch das Land Berlin als Eigentümer des ZOB ab. Die IOB hat mehrere Vorschläge zum Umbau der Verkehrsanlagen des ZOB mit dem Ziel der Kapazitätserweiterung unterbreitet. Hierüber wurde dem Hauptausschuss berichtet (rote Nr. 0179 vom 24.02.2012). Frage 5: Welche Kosten realisiert der ZOB derzeit, insbesondere Personalkosten getrennt nach Betrieb vor Ort und in der Verwaltung? Wo wird die Verwaltung des ZOB geleistet? Wie stellt sich die Einnahmesituation des ZOB dar? Antwort zu 5: Die IOB teilt hierzu Folgendes mit: „Auf der Grundlage des Betreibervertrages zwi- schen dem Land Berlin und den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) wurde die IOB Internationale Omnibusbahnhof -Betreibergesellschaft mbH, eine Gesellschaft im Konzernverbund der BVG, mit der Bewirtschaftung des ZOB beauftragt. Die Verwaltung des ZOB wird im Wesentlichen (Kaufmännisches Management, Facility Management und Geschäftsleitung) über kostengünstige Dienstleistungserbringung innerhalb des Konzernverbundes der BVG abgesichert. Die Einnahmen der IOB des Jahres 2011 in der Höhe von ca. 900 Tsd. EUR verteilen sich auf die Mieterträge (46%), Nutzungen (38%), Parkgebühren (11%) und Sonstiges (5%). In gleicher Höhe entstanden Kosten für den Betriebsunterhalt (48%), Personal (25%), Verwaltung (15%), Pachtabgabe an das Land Berlin (8%) und Sonstiges (4%).“ Frage 6: Welche Erkenntnisse hat der Senat über sogenannte „wilde“ Reisebusverkehre in Berlin, welche nicht den ZOB anfahren? Welche verkehrlichen oder sonstigen Probleme gibt es durch die „wilden“ Reisebusverkehre? Antwort zu 6: Bei der Definition von Reisebusver- kehren ist grundsätzlich nach Linienverkehren und Gelegenheitsverkehren zu differenzieren. Während im Linienverkehr die Fahrten nach einem festen Fahrplan auf einer festgelegten Strecke verkehren , handelt es sich im Gegensatz dazu bei Gelegenheitsverkehren um individuell organisierte und oftmals spontane und unangemeldete Ausflugsfahrten. Es gibt keine rechtliche Verpflichtung, dass Reisebusse im Gelegenheitsverkehr den ZOB oder andere festgelegte Punkte in Berlin anzufahren haben. Das bedeutet, dass jegliche Reise-busunternehmen (national oder international im Gelegenheitsverkehr) an allen Stellen in Berlin halten und parken dürfen, wo es die Straßenverkehrsordnung (StVO) auch anderen Verkehrsteilnehmern /innen gestattet. Im Omnibuslinienverkehr, speziell im Fernbusli- nienverkehr, hat der Senat das Landesamt für Bürgerund Ordnungsangelegenheiten (LABO) bereits im April 2008 gebeten, den ZOB grundsätzlich bei allen Linienverkehrsanträgen als Halteort festzulegen. Zusätzliche Standorte können aber ebenfalls genehmigt werden . Anträge, die ausschließlich andere Standorte als den ZOB aufweisen sollen abgelehnt werden. Das LABO hält sich an diese Bitte und bezieht den Senat seit dem grundsätzlich bei derartigen Antragsstellungen im Antragsverfahren mit ein. Die IOB teilt hierzu Folgendes mit: „Nicht selten führen die Busunternehmen, um Kos- ten zu sparen, ihren Fahrgastwechsel direkt vor dem ZOB auf dem Messedamm bzw. auf der Masurenallee durch. Dies geschieht dann in Halteverbotszonen oder Haltestellen der BVG. Verkehrliche Probleme und Gefahrenpotentiale ergeben sich in diesen Bereichen insbesondere aus dem straßenseitig durchgeführten Einund Ausladen des Gepäcks. Dabei stehen die Fahrgäste mit ihrem Gepäck zwangsläufig auf dem zweiten Fahrstreifen und behindern dort den übrigen Verkehr.“ Frage 7: Wie will der Senat den zunehmenden Rei- sebusverkehr in Berlin steuern? Frage 8: Wie will der Senat insbesondere mit „wil- den“ Reisebusverkehren etwa in der Umgebung des ZOB oder am Alexanderplatz umgehen? Ist eine Be- Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 463 3 schränkung des Reisebuslinienverkehrs auf den oder ggf. die ZOB-Standorte geplant? Frage 9: Gibt es ein Konzept für die Anfahrt von Gelegenheits-Reisebussen? Welche Maßnahmen sind vorgesehen und wie hoch sind die dafür angesetzten Kosten? Sind Parkmöglichkeiten in der Innenstadt vorgesehen ? Antwort zu 7, 8 und 9: Der Reisebusverkehr in Ber- lin steht in direktem Zusammenhang mit Berlins steigender Bedeutung als europäische Tourismusmetropole . Vor diesem Hintergrund greifen sowohl die Koalitionsvereinbarung als auch der aktuelle Stadtentwicklungsplan Verkehr das Thema Reisebusse auf, insbesondere im Kontext der Parkflächen. Denn gerade an touristisch attraktiven Orten sowie an innerstädtischen Standorten mit zahlreichen Hotels und Gaststätten führt hat das hohe Reisebusaufkommen - vor allem zu Stoßzeiten – teilweise zu Nutzungskonflikten. Ziel muss daher sein, stadtweit Lösungen für eine intelligente Leitung der Reisebusverkehre zu finden und somit im Interesse der Touristen und Anwohner die Qualität im öffentlichen Raum zu verbessern und unnötige Durchgangs- und Parksuchverkehre zu verhindern. Vor diesem Hintergrund wird die Entwicklung eines Reisebuskonzepts für die Berliner Innenstadt und weitere touristisch bedeutsame Gebiete angestrebt. Ziel ist es, durch den Einsatz von Verkehrsmanagementtechnologien die Abläufe bei den Zubring- und Abholfahrten an touristisch bedeutsamen Standorten besser zu koordinieren , um Störungen im gesamten Verkehrsablauf zu minimieren. Dadurch werden auch die Aufenthaltsqualität und die Attraktivität dieser Räume für Besucherinnen und Besucher sowie für die Berlinerinnen und Berliner gestärkt. Modellhaft werden hierfür zur Verbesserung des Verkehrsflusses an ausgewählten bedeutsamen Orten Berlins (z.B. Museumsinsel) Reisebusmanagementsysteme mit dynamischen Parkinformationssystemen zur optimierten Verkehrslenkung installiert um somit die Aufenthaltsqualität auch im Umfeld von Berliner Sehenswürdigkeiten deutlich zu verbessern. Mit ersten Ergebnissen und einer entsprechenden darauf aufbauenden Konkretisierung zur Lenkung von Reisebusverkehren wird im vierten Quartal 2012 gerechnet. Frage 10: Wie beurteilt der Senat die Notwendig- keit eines neuen Zentralen Omnibusbahnhofes? Welche Standorte werden vom Senat ggf. priorisiert? Antwort zu 10: Auf Grundlage der Prognose der Nachfrageentwicklung im Fernbusverkehr wurde eine verkehrliche Untersuchung zur Standortfindung für einen 2. ZOB-Standort beauftragt. Diese wurde 2010 abgeschlossen. Hierzu wurde dem Hauptausschuss mit Schreiben vom 24.02.2012 (rote Nr. 0179) berichtet. Frage 11: In welchem Zeitraum sollte der Omnibus- Bahnhof realisiert werden? Wie ist der aktuelle Stand der Planungen für einen solchen Bau? Welche Kosten veranschlagt der Senat für den Bau eines weiteren ZOB-s? Antwort zu 11: Der vorhandene ZOB am Messe- damm besitzt im Falle von Umbaumaßnahmen Kapazitätsreserven . Die Notwendigkeit eines zweiten Standortes ist aber angesichts sich deutlich verändernder rechtlicher und verkehrswirtschaftlicher Rahmenbedingungen keinesfalls auszuschließen. Die Option muss daher durch Standortsicherung offen bleiben. Frage 12: Wie muss aus der Perspektive des Senats ein weiterer Omibus-Bahnhof er- und angeschlossen sein? Wurde für einen neuen Omnibus-Bahnhof, etwa auf dem Tempelhofer Feld, bereits eine Wirtschaftlichkeitsberechnung angestellt? Antwort zu 12: Für einen ZOB-Standort ist die An- bindung an schnelle, gut getaktete Verbindungen der öffentlichen Verkehrsmittel (Mindestanforderung 10- Minutentakt bei S- bzw. U-Bahn) erforderlich, weil erfahrungsgemäß ein Großteil der Fahrgäste mit öffentlichen Verkehrsmitteln anreist. Darüberhinaus sind die Einbindung in das Straßennetz (möglichst kurze Entfernung zur Autobahn bzw. möglichst störungsfrei befahrbare Zugangsstraße), die Erreichbarkeit bzw. die Attraktivität für den Busfernverkehr sowie die Flächenstruktur (mind. 10.000m², keine „schlauchartigen“ Flächen) wesentliche Kriterien. Darüber hinaus war eine möglichst geringe Beeinträchtigung des bestehenden Umfelds (insbesondere Wohnumfeld) ein weiteres wichtiges Kriteriun für die Standortfindung. Für einen ZOB-Standort auf dem Tempelhofer Feld wurde noch keine Wirtschaftlichkeitsberechnung angestellt . Frage 13: Wie konkret sind die Pläne für die An- siedlung eines zentralen Omnibus-Bahnhofs auf dem Tempelhofer Feld? Nach welchen Kriterien wurde das Tempelhofer Feld als Standort ausgewählt? Antwort zu 13: Bisher erfolgte lediglich eine Standortsuche für einen zweiten ZOB-Standort. Außerdem wurde eine Prüfung auf die städtebauliche Integrierbarkeit an den drei möglichen ZOB-Standorten Südkreuz, Ostbahnhof und Tempelhofer Freiheit durchgeführt. Die derzeit im Verfahren befindlichen Städtebauli- che Qualifizierung und Rahmenplanung Tempelhofer Freiheit (PSQ THF) berücksichtigt ein Flächenpotential von ca. 10.000 m² für die Standortsicherung eines ergänzenden ZOB im Quartier Südring nördlich des geplanten S-Bahnhofs an der Oberlandstraße. Die PSQ THF stellt die Machbarkeit der städtebaulichen Integration eines ZOB im Zusammenhang mit der Entwicklung eines Dienstleistungsstandortes dar. Mit der vor- Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 463 4 gesehenen unmittelbaren Lage des ZOB östlich einer geplanten Straßenverbindung (Brücke) zwischen der Oberlandstraße und dem Straßenerschließungsnetz des Quartiers Südring kann eine optimale Verkehrserschließung ermöglicht werden. Frage 14: Inwieweit werden die geplanten Ver- kehrswege auf dem Tempelhofer Feld für den motorisierten Kraftverkehr ausgelegt und warum? Antwort zu 14: Die PSQ THF berücksichtigt ein Straßenerschließungsnetz mit Haupt- und Nebenerschließungsstraßen . Zur Sicherstellung der Ver- und Entsorgung der geplanten Nutzungen (u.a. Gewerbe, Wohnen, Bildung) sowie der Verknüpfung mit dem angrenzenden Straßennetz müssen diese Straßen für den motorisierten Autoverkehr ausgelegt werden. Ob ggf. Sonderformen wie „autofreies Wohnen“ angesiedelt werden, ist noch nicht abschließend entschieden . Innerhalb der künftigen Parklandschaft ist kein motorisierter Individualverkehr vorgesehen. Frage 15: Wie wird das Tempelhofer Feld durch die BVG erschlossen? Gibt es ein integriertes Mobilitätskonzept ? Frage 16: Wie ist die künftige verkehrliche Er- schließung des gesamten Areals und der einzelnen Quartiere geplant? Welche räumlichen Schwerpunkte werden bei der verkehrlichen Erschließung des Tempelhofer Feldes gesetzt? Antwort zu 15 und 16: Der Bezug dieser Fragen zum Standort eines Zentralen Omnibusbahnhofs ist nicht ersichtlich. Berlin, den 11. Juni 2012 In Vertretung C h r i s t i a n G a e b l e r Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 14. Juni 2012)