Drucksache 17 / 10 479 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Stefan Evers (CDU) vom 07. Mai 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 09. Mai 2012) und Antwort Ungenutzte Potentiale bei Industrie- und Gewerbedenkmalen in Berlin Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Welche ungenutzten Industrie- und Gewer- bege-bäude in welchen Lagen (Übersicht nach Bezirken) stehen aktuell aus jeweils welchen Gründen unter Denkmalschutz ? Antwort zu 1: Es gibt nur einen Überblick über die Objekte, die als Denkmale (Baudenkmale, Denkmalbereiche ) der Industrie, der Technik und des Verkehrs in der Berliner Denkmalliste verzeichnet sind, jedoch keine Erhebung zur Nutzungssituation von denkmalgeschützten Gewerbeimmobilien in der Denkmalliste Berlin. In der Berliner Denkmalliste sind 1.204 Objekte der Industrie, der Technik und des Verkehrs als Denkmale eingetragen, das sind ca. 15 Prozent aller in der Berliner Denkmalliste verzeichneten Denkmalpositionen, die sich wie folgt auf die einzelnen Bezirke verteilen: Charlottenburg–Wilmersdorf 155 Friedrichshain-Kreuzberg 184 Lichtenberg 50 Marzahn–Hellersdorf 10 Mitte 321 Neukölln 36 Pankow 82 Reinickendorf 82 Spandau 44 Steglitz –Zehlendorf 60 Tempelhof – Schöneberg 111 Treptow-Köpenick 69 SUMME 1204 Gründe für die Unterschutzstellung sind gemäß § 2 Abs. 2 Denkmalschutzgesetz (DSchG) Berlin deren geschichtliche und/oder künstlerische und/oder wissenschaftliche und/oder städtebauliche Bedeutung sowie das öffentliche Erhaltungsinteresse. Frage 2: Für welche dieser Gebäude und Flächen sind bereits Nachnutzungs- bzw. Vermarktungsversuche unternommen worden und mit welchem Ergebnis? Antwort zu 2: Nach 1990 wurden ein erheblicher Teil der Berliner Industriestandorte, im Ost- wie auch im Westteil der Stadt, stillgelegt. Davon waren auch zahlreiche denkmalgeschützte Industrie- und Gewerbeanlagen betroffen, so u.a. fast alle Industriestandorte in BerlinSchöneweide , die Brauereien in Friedrichshain-Kreuzberg , Neukölln und Pankow, der Zentralvieh- und Schlachthof, zahlreiche Stromversorgungsanlagen, Verkehrsanlagen wie den Osthafen und den Tempelhofer Hafen oder der Flughafen Tempelhof. Für die meisten dieser Bauten und Anlagen konnte eine nachhaltige Nachbzw . Neunutzung gefunden, und etwa mit dem Unternehmen wie Siemens, der BVG, BEWAG/Vattenfall oder der BEHALA abgestimmte Erhaltungs- und Entwicklungskonzepte entwickelt werden. Besonders erfolgreich war die Nach- und Neunutzung von denkmalgeschützten Industrie- bzw. Gewerbeimmobilien wenn es sich um Geschossbauten in zentraler Lage bzw. mit guter Verkehrsanbindung handelte. Problematisch war die Nachbzw . Neunutzung vor allem bei großflächigen Hallenbauten in peripherer Lage. Frage 3: Wie ist der jeweilige bauliche Zustand zu bewerten? Antwort zu 3: Der bauliche Zustand der nach- bzw. neugenutzten denkmalgeschützten Industrie- und Gewerbebauten ist in der Regel gut, da die Neu- oder Umnutzung zumeist durch umfangreiche Substanz erhaltende Sanierungsmaßnahmen begleitet wurden. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10479 Problematisch bis besorgniserregend ist er bei über ei- nen längeren Zeitraum ungenutzten denkmalgeschützten Bauten und Anlagen. Dies trifft z.B. für einige Objekte der Deutschen Bahn AG, wie z.B. den Lokomotivenrundschuppen in Rummelsburg oder die Yorckbrücken zu. Weitere Beispiele für ungenutzte denkmalgeschützte Industrie- und Gewerbebauten sind die Maschinenhalle des Kraftwerkes Rummelsburg oder die Sarotti-Fabrik in der Teilestraße. Frage 4: Für welche dieser Liegenschaften sind in der Nachwendezeit mit jeweils welcher Begründung und welchem Ergebnis Abrissanträge gestellt worden? Antwort zu 4: Abrissanträge wurden u. a. für folgende Objekte gestellt: • Voigt-Halle in der Huttenstraße, • Straßenbahndepot in der Wiebestraße, • Fernmeldekabelfabrik in der Wilhelminenhofstraße, • S-Bahn-Betriebswerk Friedrichsfelde, • Kodak-Fabrik in der Friedrichshagener Straße, • Yorck-Brücken, • Lokomotivenrundschuppen in Rummelsburg, • Wasserwerk Altglienicke und den • Schornsteine der Kraftwerke Charlottenburg und Reuter. Die Begründung für die Abrissanträge waren zumeist keine Nutzung, schlechter baulicher Zustand und wirtschaftliche Unzumutbarkeit. Frage 5: In welchen Fällen und unter welchen Voraus- setzungen sind für unter Denkmalschutz stehende Industrie - und Gewerbegebäude in der Nachwendezeit Abrissgenehmigungen erteilt worden? Antwort zu 5: Abrissgenehmigungen wurden u.a. er- teilt für die Voigthalle in der Huttenstraße, um eine Modernisierung und zukunftsträchtige Turbinenproduktion auf dem Standort Huttenstraße zu ermöglichen, für die Fernmeldekabelfabrik, um einem Bibliothekskneubau der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Platz zu machen, für die ungenutzten Schornsteine der Kraftwerke Charlottenburg und Reuter wegen technischer Probleme und fehlender wirtschaftlicher Zumutbarkeit. In den meisten Fällen konnte ein Abriss jedoch abgewendet werden, wie z.B. beim S-Bahn-Betriebswerk Friedrichsfelde, welches heute für den Berliner S-Bahn-Betrieb unverzichtbar ist, oder dem Straßenbahndepot in der Wiebestraße , das als Autohaus für Oldtimer auch wirtschaftlich außerordentlich erfolgreich agiert. Frage 6: Welche erfolgreichen Fälle einer Nachnut- zung bzw. Vermarktung von Industrie- und Gewerbebaudenk -malen sind dem Senat aus der Nachwendezeit bekannt und lassen sich daraus Prognosen für das Potenzial noch ungenutzter Denkmale ableiten? Antwort zu 6: Erfolgreiche Beispiele für eine Nachnutzung bzw. Vermarktung von Industrie- und Gewerbedenkmalen sind u.a. die Abspannwerke und Stationen der Bewag bzw. des Energieversorgers Vattenfall. Hier ist es durch frühzeitiges und vorausschauendes enges Zusammenwirken von Denkmalbehörden und Eigentümer gelungen , für Stromversorgungsanlagen und -bauten nachhaltige Neunutzungen zu finden. Ein vergleichbares Zusammenwirken mit nachhaltigen Ergebnissen gibt es mit „Großeigentümern“ von Denkmalen der Industrie, der Technik und des Verkehrs, der Firma Siemens, der BVG und der Behala. So konnten für die Speicher, das Kühlhaus und die Lagerhallen im Osthafen ebenso neu Nutzungen (Mediaspree) gefunden werden wie für den Getreidespeicher des Westhafens (Zeitschriftendepot des Geheimen Staatsarchiv). In die Werkhallen am Eichborndamm zog das Berliner Landesarchiv ein, die Poelzighalle in Hakenfelde wird als Museumsdepot der Stiftung Berlin Museen genutzt. Das Busdepot in der Eichenstraße dient heute als angesagtes Veranstaltungsort (Arena), das Straßenbahndepot in der Kobelsdorffstraße und die Rinderauktionshalle des Berliner Schlachthofes nutzt die Firma Stadler als Verkaufs- und Servicezentralen. Weitere Beispiele für eine erfolgreiche Nachnutzung sind die Kodakfabrik in der Friedrichshagener Straße und die Schokoladenfabrik in der Konrad-Wolf-Straße, die heute Wohnzwecken dienen oder die Garbaty-Zigarettenfabrik in Pankow, die ebenso wie die Fabrik am Bruno-BürgelWeg in Treptow als Schulen genutzt werden. Eine weitere Erfahrung zeigt, dass selbst , wenn über einen längeren Zeitraum eine Denkmalimmobilie ohne Nutzung bleibt, eine Neu- oder Nachnutzung möglich und wirtschaftlich sein kann. Ein Beispiel ist die Umnutzung der ca. 20 Jahre leerstehenden Schultheiß-Mälzerei in Pankow zu einer Wohnanlage. Entscheidend ist die frühzeitige Substanzsicherung dieser leerstehenden Gewerbeimmobilien , um künftige Optionen der wirtschaftlichen Neu- und Nachnutzung offen zu halten. Berlin, den 07. Juni 2012 In Vertretung R. Lüscher Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 15. Juni 2012) 2