Drucksache 17 / 10 490 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Joschka Langenbrinck (SPD) vom 03. Mai 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 10. Mai 2012) und Antwort Was unternimmt der Senat gegen unerwünschte „Scheibenputzer“ auf Berlins Straßen? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt 1. Wie viele „Scheibenputzer“ und „Straßenver- käufer“, die unerwünscht und gegen eine Geldspende während Rotlichtphasen an Straßenampeln Autoscheiben putzen oder Feuerzeuge und Taschentücher verteilen, wurden im Sommer 2011 registriert, aus welchen EU-Mitgliedsstaaten kamen sie und mit wie vielen von ihnen rechnet der Senat dieses Jahr? Zu 1.: Zur Anzahl der in 2012 zu erwartenden Scheibenputzer/innen/Straßenverkäufer/innen aus EUMitgliedsstaaten liegen keine Erkenntnisse vor. Im Jahr 2011 wurden 155 rumänische und 10 polnische Staatsangehörige in diesem Zusammenhang festgestellt. Personen, die Feuerzeuge oder Taschentücher verteilen , wurden nicht gesondert erfasst. Im Jahr 2011 wurden 325 rumänische Staatsangehörige bei anderen Formen des Bettelns festgestellt. 2. Welche Ursachen sieht der Senat für das saisonale „Anbieten“ ihres „Service“? Zu 2.: Die Ursachen wurden nicht erforscht, dürf- ten aber im sozialen Gefüge zu sehen sein, das grundsätzlich für jede Form des Bettelns anzunehmen ist. 3. In wie vielen Fällen wurden in den Jahren 2009, 2010 und 2011 Platzverweise von der Polizei gegenüber „Scheibenputzern“ und „Straßenverkäufern“ ausgesprochen und trifft es zu, dass Platzverweise erst bei konkreten Beschwerden von Autofahrern oder Anwohnern ausgesprochen wurden? Zu 3.: In den Jahren 2009 und 2010 wurde keine kontinuierliche Erfassung durchgeführt. Im Zusammenhang mit anlassbezogenen Nachfragen wurden 90 Platzverweisungen im Jahr 2009 und 185 Platzverweisungen im Jahr 2010 gemeldet. Seit April 2011 erfolgt eine fortlaufende Erfassung der Tätigkeiten, hier wurden im Zusammenhang mit Scheibenputzertätigkeiten 130 und bei Formen des aggressiven Bettelns 175 Platzverweise ausgesprochen. Für die Erteilung eines Platzverweises ist weder eine konkrete Beschwerde noch eine Anzeige erforderlich. In der Vergangenheit war jedoch festzustellen, dass in vielen Fällen schon mit Eintreffen der Polizei Tätigkeiten eingestellt und fluchtartig der Bereich verlassen wurden. 4. In wie vielen Fällen wurden in den Jahren 2009, 2010 und 2011 Beleidigungen, Nötigungen, Sachbeschädigungen und Körperverletzungen von „Scheibenputzern“ und „Straßenverkäufern“ gegenüber Autofahrern zur Anzeige gebracht? Zu 4.: Im Zusammenhang mit dem Auftreten von Scheibenputzern/innen wurde ein strafbares Auftreten gegenüber Fahrzeugführer/innen lediglich in einem Fall bekannt. Am 30.09.2010 zeigte eine Geschädigte an, dass ihr in 10961 Berlin Friedrichshain - Kreuzberg an der Kreuzung Mehringdamm/Tempelhofer Ufer durch das geöffnete Fenster Seifenlauge in das Gesicht gespritzt wurde. Der Täter wurde im Anschluss festgenommen . Hierbei konnte festgestellt werden, dass dem Täter am selben Tag bereits ein Platzverweis für den o. a. Bereich erteilt worden war. Bei einer anschließenden Richtervorführung wurde die Fortdauer der Freiheitsentziehung zur Gefahrenabwehr angeordnet . 5. Trifft es zu, dass laut Straßenverkehrsordnung die Fahrbahn bei Grün für Fußgänger nur zum Überqueren der Straße betreten werden darf und dass das Putzen von Autoscheiben oder der Verkauf von Taschentüchern, Feuerzeugen oder Ähnlichem gegen eine Geldspende während der Rotlichtphasen an Straßenampeln auf der Fahrbahn aufgrund der Ge- Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 490 2 fährdung der Verkehrssicherheit somit eine Ordnungswidrigkeit darstellt? Zu 5.: Abhängig vom Einzelfall kommen nach- folgende Tatbestände des Verkehrsordnungswidrigkeitenrechts in Betracht: • § 1 Straßenverkehrsordnung (StVO) – Be- lästigung/Behinderung = 10 €, • § 25 StVO – Fußgänger müssen Gehwege nutzen = 5 €, • § 33 StVO – Anbieten von Waren/Leistungen auf der Straße = 25 €. 6. Wie gewährleistet der Senat die Durchsetzung der Straßenverkehrsordnung gegenüber den „Scheibenputzern “ und „Straßenverkäufern“ und die Einhaltung von Platzverweisen, wird es auch in diesem Jahr wieder verstärkt Kontrollen von Polizei und Ordnungsdiensten zur Gewährleistung der Verkehrssicherheit auf Berlins Straßen geben und bleibt es bei der einheitlichen Feststellung der Identitäten der „Scheibenputzer“ und „Straßenverkäufer“ sowie der Vorgangserfassung im polizeilichen Informationssystem POLIKS? Zu 6.: Die Einsatzhinweise zur Durchführung von polizeilichen Maßnahmen im Zusammenhang mit Scheibenputzertätigkeiten, aggressivem Betteln und wildem Campieren gelten fort. Hiernach werden im Rahmen des täglichen Dienstes gegen Personen, die auf öffentlichem Straßenland bei Scheibenputzertätigkeiten oder in Vorbereitung dazu angetroffen werden, Platzverweise ausgesprochen und Identitätsfeststellungen durchgeführt. Unter Berücksichtigung erkannter Brennpunkte werden Schwerpunktmaßnahmen zur Bekämpfung des Phänomens durchgeführt und Verstöße gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung konsequent geahndet . Anlassbezogen ist hierbei eine enge Zusammenarbeit mit den jeweils zuständigen Bezirksämtern anzustreben . 7. Wie bewertet der Senat das entschlossene Vorgehen Hamburgs gegen die „Scheibenputzer“ und „Straßenverkäufer“, in dem auf frischer Tat sofort Platzverweise ausgesprochen werden, und wie bewertet der Senat das Vorgehen Münchens, in dem die Ordnungswidrigkeiten durch Missachtung der Straßenverkehrsordnung auf frischer Tat sofort zur Anzeige gebracht werden, und zieht der Senat in Betracht, dieses Vorgehen auch in Berlin umzusetzen, um die Sicherheit und Ordnung auf Berlins Straßen entschlossen durchzusetzen? Zu 7.: Erkenntnisse, inwieweit die polizeilichen Maßnahmen in Hamburg und München zu einem Rückgang von Tätigkeiten oder einer gänzlichen Verdrängung der Szene führten, liegen nicht vor. Die lageangepassten Maßnahmen der Polizei Berlin im Rahmen des täglichen Dienstes werden als angemessen betrachtet . Berlin, den 08. Juni 2012 Frank Henkel Senator für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 26. Juni 2012)