Drucksache 17 / 10 495 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Simon Weiß (PIRATEN) vom 08. Mai 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 14. Mai 2012) und Antwort Mitgliedschaft von ARD und ZDF in der Deutschen Content Allianz Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie beurteilt der Senat die Mitgliedschaft von ARD und ZDF in der "Deutschen Content Allianz" angesichts der Tatsache, dass die Content Allianz aktiv Lobbyarbeit betreibt zur Frage einer Reform des Urheber- und Verwertungsrechts, bzw. Lobbyarbeit betrieb für die Unterzeichnung des umstrittenen Handelsabkommens ACTA (so in einer Pressemitteilung der Allianz vom 17.02.2012)? Zu 1.: ARD und ZDF steht es frei, sich zur Positionierung und Beförderung berechtigter eigener Interessen mit Dritten zusammen zu schließen. Dabei bleibt es ihnen unbenommen, ihre Belange als individuelle Anstalt oder gemeinsam mit anderen, so z.B. unter der Bezeichnung „Deutsche Content Allianz“, zu vertreten. Das Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte betrifft unmittelbar die öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten, sowohl in ihrer Eigenschaft als Produzenten als auch als Sendeanstalten . Gleiches gilt für ACTA. Ziel der Zusammenarbeit von ARD und ZDF mit den anderen Beteiligten der Deutschen Content Allianz ist daher nach eigener Aussage, sich für die Wertschätzung der Inhalte, die das Netz überhaupt erst mit Leben füllen, einzusetzen. Auch der Senat von Berlin setzt sich dafür ein, im Rahmen der Reformbemühungen um ein modernes Urheberrecht, Lösungen für einen angemessenen Ausgleich zwischen Urhebern/innen und Leistungsschutzberechtigten sowie Werknutzern/innen zu finden. 2. Wie beurteilt der Senat das öffentliche Auftreten von Vertretern von ARD und ZDF in diesem Zusammenhang? Zu 2.: Der Schutz des Urheberrechts zum Schutz kultureller Vielfalt und als Basis für Wertschöpfung in der Informationsgesellschaft ist nach eigener Aussage eines der Kernanliegen der Deutschen Content Allianz. Diesem Anliegen Gehör zu verschaffen, steht auch Vertretern/innen von ARD und ZDF zu, solange eine unabhängige Berichterstattung gewährleistet wird. Die Vertreter/innen von ARD und ZDF müssen sich diesbezüglich in erster Linie vor dem Intendanten oder der Intendantin sowie vor dem jeweiligen Rundfunk- oder Fernsehrat verantworten. Eine Beurteilung des öffentlichen Auftretens steht dem Senat nicht zu. Sollten das Verhalten oder Aussagen der Vertreter von ARD und ZDF nicht mit den Regelungen des Rundfunkstaatsvertrages oder des ZDF-Staatsvertrages im Einklang stehen, so liegt es in der Zuständigkeit der jeweils rechtsaufsichtführenden Staats- oder Senatskanzlei, entsprechende Sachverhalte zu prüfen und ggf. zu beanstanden. 3. Wie beurteilt der Senat die Möglichkeit für ARD und ZDF, gegenüber der Reform des Urheber- und Verwertungsrechtes eine ausgewogene Berichterstattung sicherzustellen, wenn gleichzeitig eine öffentliche Positionierung der Sender zu diesem Thema stattfindet? Zu 3.: Es gibt immer wieder Themen, bei denen ARD und ZDF individuell betroffen sind. Um die eigenen Interessen zu wahren, ist ihnen dabei auch die Möglichkeit der öffentlichen Positionierung gegeben. Dieses grundgesetzlich verbriefte Recht der freien Meinungsäußerung steht auch den öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten zu. In der Erfüllung ihrer Aufgabe der Grundversor- gung der Bevölkerung haben die Anstalten des öffentlichen Rechts stets eine objektive und ausgewogene Berichterstattung zu gewährleisten, um damit den Bür- Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10495 2 gerinnen und Bürgern die Bildung einer Meinung unter Berücksichtigung umfassender Sachverhaltsdarstellungen zu ermöglichen. Diesen Anforderungen müssen die öffentlich-rechtlichen Anstalten auch bei der Berichterstattung über Themen gerecht werden, die sie selber betreffen. Eine Kontrolle findet in den Rundfunkräten bzw. dem Fernsehrat des ZDF statt. Dem nachgelagert wäre dann die Rechtsaufsicht durch die jeweils zuständigen Länder. Verhindern lassen sich Konflikte zwischen eigenen Interessen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und der Berichterstattung über dieselben nicht. So ist die Frage eines effektiven Urheberrechtsschutzes für ARD und ZDF von grundlegender Bedeutung. Sie stehen als öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten für kulturelle Vielfalt, die ohne eine professionelle Arbeit von Kulturschaffenden nicht möglich ist. Daher muss es ihnen als unmittelbar Betroffenen möglich sein, zu diesem Thema Stellung zu beziehen, ihre Positionen hierdurch zu fördern oder auch einen Stillstand von Entwicklung zu kritisieren. Aus Sicht des Senats gibt es keine Veranlassung, die bereits bestehenden Anforderungen an und Kontrollmechanismen für eine ausgewogene Berichterstattung zu ändern. 4. Welche weiteren Fälle sind dem Senat bekannt, in denen rbb (direkt oder über Mitgliedschaft in der ARD) bzw. ZDF Lobbyarbeit in anderer als sie unmittelbar betreffender Sache betreiben oder Mitglied in Lobbyarbeit betreibenden Organisationen sind? Wie treten sie dabei in Erscheinung und wie beurteilt der Senat dies? Zu 4.: Der rbb ist an verschiedenen Gesellschaften beteiligt. Die Beteiligungen sind im Beteiligungsbericht nachzulesen, der auch öffentlich im Internet abrufbar ist. Darüber hinaus ist der rbb bzw. seine Intendantin nach eigener Auskunft Mitglied in verschiedenen Stiftungen, Vereinen etc. Auch andere Mitarbeiter /innen der Führungsebene vertreten den rbb in verschiedenen gesellschaftlich relevanten Organisationen . Dies diene der Vernetzung des rbb in der Gesellschaft, der Teilnahme des rbb an dem gesellschaftlichen Leben in Berlin und Brandenburg und dem Engagement für kulturelle und gesellschaftliche Belange. Darüber hinaus ist dem Senat nicht bekannt, ob der rbb oder das ZDF eine Interessenvertretung für Ziele außerhalb ihres gesetzlichen Auftrages betreiben, ob und in welchen Organisationen sie dazu Mitglied sind und wie sie dabei in Erscheinung treten. Grundsätzlich stünde dem Senat hier auch nur ein Recht zur Beurteilung zu, wenn die Aktivitäten des rbb über den gesetzlich definierten Auftrag hinausgingen und/oder dabei Gebührengelder unzweckgemäß oder unsachgemäß aufgewendet würden. Im Wechsel mit dem Land Brandenburg könnten in solchen, bislang nicht bekannten Fällen rechtsaufsichtliche Maßnahmen in Betracht kommen. Gleiches gilt für das ZDF und das hier rechtsaufsichtführende Land. 5. Welche Maßnahmen zieht der Senat in Erwägung, diesem Zielkonflikt (eigene öffentliche Positionierung vs. Ausgewogene Berichterstattung) in Zukunft effektiv vorzubeugen, bzw. ist der Senat bereit, sich für eine Lösung dieses Zielkonflikts einzusetzen? Zu 5.: Der Senat geht davon aus, dass die öffentlich-rechtlichen Anstalten einschließlich des rbb eine ausgewogene Berichterstattung gewährleisten und die bekannten Mitgliedschaften diesem Ziel nicht entgegenstehen. Aufgrund der gebotenen Staatsferne sieht sich der Senat zudem nicht in der Lage, dem rbb Vorschriften im Hinblick auf seine programmliche Tätigkeit oder sein gesellschaftliches Engagement zu machen, solange diese im Einklang mit den rundfunkrechtlichen und allgemeinen Gesetzen stehen. Berlin, den 11. Juni 2012 K l a u s W o w e r e i t Regierender Bürgermeister (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 13. Juni 2012)