Drucksache 17 / 10 496 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Martin Delius (PIRATEN) vom 11. Mai 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 14. Mai 2012) und Antwort Werkstattunterricht, Arbeitslehre und Schülerpraktika ausbauen! Zukunftsperspektiven sichern! Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie bewertet der Senat die regelmäßige oder tägliche Implementierung des Werkstattunterrichts in die Tagesstruktur von Schulen, z. B. an der Willy-BrandtOberschule in Berlin-Mitte, in dem Schüler und Schülerinnen gemäß dem reformpädagogischem Prinzip „Learning by doing“ praktisch tätig werden sollen? Wie bewertet der Senat dies vor allem vor dem Hintergrund der Berufsvorbereitung von Jugendlichen? Zu 1.: An der Willy-Brandt-Oberschule in Berlin- Mitte können Schülerinnen und Schüler ausgehend von ihren individuellen Interessen klassenübergreifend Kurse (Werkstätten) belegen, pro Schuljahr können zwei verschiedene Werkstätten belegt werden. Darüber hinaus findet an zwei Tagen in der Woche (Dienstag und Mittwoch) ein Praktikum im SOS-Berufsausbildungszentrum statt. Es werden verschiedene Bereiche angeboten: − Koch/Köchin − Friseur/in − Mediengestalter/in − Fachkraft im Garten- und Landschaftsbau − Maler/in − Fachkraft im Gastgewerbe In der 10. Klasse ist es möglich, ein externes Praktikum in einem selbst gewählten Berufsfeld zu absolvieren. Es ist überaus positiv zu bewerten, dass die Schülerinnen und Schüler über diese besonders praxisorientierte Bildungsangebote einen motivierenden Zugang zum Lernen erhalten. Dies gilt sowohl für Schülerinnen und Schüler mit Lernschwierigkeiten, als auch für diejenigen, die z.B. ein besonderes Interesse an Technik und Forschung mitbringen. Die Willy-BrandtOberschule ermöglicht somit ihren Schülerinnen und Schülern duales Lernen und bezieht dadurch unter- schiedliche Lernkanäle der Schülerinnen und Schüler in deren individuelles Lernen ein. Das Duale Lernen an den Integrierten Sekundar- schulen verknüpft als besondere Lernform Inhalte schulischen Lernens praxisorientiert mit Inhalten aus dem Wirtschafts-, Berufs- und Arbeitsleben. Jede Schule entscheidet eigenverantwortlich, welche Angebote des Dualen Lernens durchgeführt werden und legt die Angebote und deren Umfang im Schulprogramm fest. Jede Schülerin und jeder Schüler der Integrierten Sekundarschule muss in jeder Jahrgangsstufe im Rahmen eines berufsorientierenden Curriculums an mindestens einem Angebot des Dualen Lernens teilnehmen. Darüber hinaus ist das Praxislernen ab der Jahrgangsstufe 9 als besondere Organisationsform des Dualen Lernens möglich. Angebote für Duales Lernen können sowohl im Fachunterricht, wie insbesondere im Fach Wirtschaft, Arbeit, Technik (WAT), als auch im Wahlpflichtunterricht vorbereitet, durchgeführt und nachbereitet werden. Darüber hinaus können Angebote auch fachübergreifend oder fächerverbindend im Rahmen von Projekttagen und des Ganztagsbetriebs durchgeführt werden (vgl. Ausführungsvorschriften über Duales Lernen und praxisbezogene Angebote an den Schulen der Sekundarstufe I – AV Duales Lernen) 2. Wie begründet der Senat die freiwillige Teilnahme an Berufspraktika an Gymnasien? Stimmen Sie mit mir überein, dass es - vor dem Hintergrund, dass Schüler und Schülerinnnen nach der Absolvierung des MSA an Gymnasien oder nach dem Erwerb der Hochschulreife sich dafür entscheiden, statt zu studieren in das Berufsleben einzusteigen - notwendig wäre, Praktika nicht nur für Schülerinnen und Schüler an der ISS anzubieten, sondern auch für alle Gymnasiasten und Gymnasisiastinnen verpflichtend einzuführen? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10496 Zu 2.: Auch für Gymnasien ist der Bezug zur Berufswelt unabdingbar. Deshalb wird an fast allen Gymnasien im Rahmen des Sozialkundeunterrichts im 9. oder 10. Jahrgang ein Betriebspraktikum durchgeführt. Diese in der Eigenverantwortung der Schulen stehenden Praktika werden von mir sehr begrüßt und von der Verwaltung unterstützt. In diesem Zusammenhang stehen bspw. die Kooperationen mit der IHK, der deutschen Bahn und weiteren Betrieben und Institutionen. Diese im Betrieb gewonnen Erfahrungen sind in vielen Fällen bei der Wahl der Fächer in der Qualifikationsphase dienlich und in besonderem Maße für den Fall des Übergangs in Ausbildung und Beruf nach dem 10. Jahrgang. Darüber hinaus wird in der gymnasialen Oberstufe der Kurs „Studium und Beruf“ angeboten. Dieser dient der gezielten Studien- und Berufsvorbereitung. Praktika gehören hier wesentlich zum Inhalt des Kurses. Die Kooperation mit Betrieben und wissenschaftlichen Einrichtungen ist erforderlich und wird ausgebaut, bspw. durch „Partner: Schule – Wirtschaft“ (P:S-W). 3. Plant der Senat die AV Betriebspraktika vom 12.10.2007 oder die §§ 4 Abs. 7 und 5 Abs. 2 SchulG zukünfig an veränderte Bedingungen der Berufswelt anzupassen bzw. nach der Schulstrukturreform in Berlin zu reformieren? Zu 3.: Die AV Betriebspraktika wurde durch die Ausführungsvorschriften (AV) über Duales Lernen und praxisbezogene Angebote an den Schulen der Sekundarstufe I (AV Duales Lernen), veröffentlicht im Amtsblatt Nr. 10 / 09.03.2012, bereits ersetzt, wobei die Inhalte in die AV Duales Lernen übernommen wurden. Eine Änderung der angeführten §§ des Schulgesetzes ist nicht erforderlich. 4. Nach der Schulstrukturreform muss die Webseite http://www.berlin.de/sen/bildung/besondere_angebote/pra ktika/ aktualisiert werden. Insb. die Begriffe „Haupt-, Real- und Gesamtschulen“ müssen durch den Begriff „Integrierte Sekundarschulen“ ersetzt werden. Wann gedenkt der Senat, das zu tun? Zu 4.: Eine Aktualisierung ist erfolgt. 5. Können Sie bestätigen, dass an den ISS, in den Schulstufen 9 und 10 das Fach Arbeitslehre von drei auf eine Stunde reduziert werden kann? Stimmen Sie mir zu, dass dies vor dem Hintergrund der Berufsvorbereitung und der Herausbildung von Zukunftsperspektiven unzureichend ist? 6. Welche Möglichkeiten sieht der Senat, um Hürden für die Reduktion der Stunden für das Fach Arbeitslehre von drei auf eine Stunde in den ISS zu erhöhen? 7. Welche Gründe sind dem Senat für die Reduktion der Stunden für das Fach Arbeitslehre an den ISS bekannt ? Zu 5. – 7.: Ich kann nicht bestätigen, dass Arbeitslehre von drei auf eine Stunde reduziert werden kann. An der Integrierten Sekundarschule wird das Fach Arbeitslehre nur noch in den Klassen der auslaufenden Schularten Hauptschule, Realschule und Gesamtschule angeboten. In den Klassen der auslaufenden Schulart Hauptschule, die noch für die 10. Jahrgangsstufe der ehemaligen Hauptschulen angeboten werden, ist Arbeitslehre mit vier Stunden in der Stundentafel vorgesehen. In den Klassen der auslaufenden Schulart Realschule der ehemaligen Realschulen ist Arbeitslehre in der 9. und 10. Jahrgangsstufe mit je einer Stunde in der Stundentafel vorgesehen. In den Klassen der auslaufenden Schulart Gesamtschule der ehemaligen Gesamtschulen, die noch für die 9. und 10. Jahrgangsstufe angeboten werden, ist Arbeitslehre ausschließlich in der 9. Jahrgangsstufe mit einer Stunde in der Stundentafel vorgesehen. In allen auslaufenden Klassen der angeführten Schularten ist es möglich, außerdem Arbeitslehre im Wahlpflichtunterricht anzubieten. An der Integrierten Sekundarschule, die seit dem Schuljahr 2010/11 in Berlin eingerichtet wurde, ist das Fach Wirtschaft, Arbeit, Technik anstelle von Arbeitslehre in den Jahrgängen 7 - 10 mit je zwei Stunden in der Stundentafel vorgesehen. In den Jahrgangsstufen 9 und 10 können diese Stunden als Profilstunden auch zur Verstärkung anderer Unterrichtsfächer oder zusätzlicher Wahlpflichtangebote verwendet werden. Diese Nutzung der Stun-den ist aber nicht beliebig, sondern insbesondere für Lerngruppen mit besonderen Profilen oder zur Vorbereitung auf die zweijährige gymnasiale Oberstufe vorgesehen. In Jahrgangsstufe 9 muss in diesem Fall jedoch mindestens eine Stunde zur Vor- und Nachbereitung des Betriebspraktikums eingesetzt werden. Diese flexible Gestaltung der Stundentafel ermöglicht es, Schülerinnen und Schüler individueller zu fördern und zum Beispiel auch den Übergang in die zweijährige gymnasiale Oberstufe optimal vorzubereiten, mit der Perspektive, im Anschluss daran ein Studium aufzunehmen . 8. Wie werden die Schülerpraktika im Rahmen des Faches Arbeitslehre an Schulen evaluiert? Wie sichert der Senat die Qualität der Schülerpraktika? Zu 8.: Die Schülerpraktika werden innerhalb der Schulen evaluiert. Die Schülerinnen und Schüler, die ein Betriebspraktikum absolvieren, verfassen einen Praktikumsbericht, der schulintern gesichtet und bewertet wird. Diese Berichte erlauben zusammen mit den Praktikumsbesuchen der betreuenden Lehrkräfte eine Einschätzung einerseits der Betriebe, die ein Praktikum anbieten, aber auch Aussagen zum individuellen Kompetenzerwerb seitens der Schülerinnen und Schüler. Ein intensiver Austausch bezüglich der Praktikums- plätze und anderer Angebote zum Dualen Lernen findet in den bezirklichen und überbezirklichen Treffen der Multiplikatoren und Multiplikatorinnen für das Duale Lernen und Wirtschaft, Arbeit, Technik (WAT) statt. 2 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10496 3 Zurzeit entsteht auch auf dieser Grundlage eine Handreichung für das Fach Wirtschaft, Arbeit, Technik (WAT) mit ausführlichen Hinweisen und Tipps zum Dualen Lernen und zu Betriebspraktika. 9. Was unternimmt der Senat, um das Fach Arbeitslehre im Lehramt an den Universitäten für Studentinnen und Studenten attraktiv zu machen? Zu 9.: In § 5c Abs. 2 der Hochschulverträge mit den Universitäten hat der Senat die Hochschulen verpflichtet, die Bewerbung der Lehramtsstudiengänge zu intensivieren. Im Übrigen sorgen die gesetzlich vorgeschriebenen Qualitätssicherungsmaßnahmen für hochqualitative Angebote bei den lehramtsbezogenen Studiengängen. Im Rahmen der Schulstrukturrefom wurde das Fach Arbeitslehre weiterentwickelt zu Wirtschaft, Arbeit, Technik. Der Senat ist mit der Technischen Universität Berlin im Gespräch, wie das Studienangebot für das Fach Arbeitslehre entsprechend angepasst werden kann. Berlin, den 01. Juni 2012 In Vertretung Mark Rackles Senatsverwaltung für Bildung, (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 11. Juni 2012)