Drucksache 17 / 10 497 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage der Abgeordneten Canan Bayram (GRÜNE) vom 10. Mai 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 14. Mai 2012) und Antwort (Integrations-)Gerechte Justiz I Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Welche Fortbildungen zur interkulturellen Kompe- tenz werden für Richter und Richterinnen sowie Staatsanwälte und Staatsanwältinnen allgemein angeboten und in den Bereichen - Familienrecht - Asylrecht - Ausländerrecht - Betreuungsrecht - Strafrecht? (Bitte für die letzten fünf Jahre nach Umfang, Themen und Anbietern getrennt auflisten) 3. Wie viele Richterinnen und Richter sowie Staats- anwältinnen und Staatsanwälte haben in den vergangenen fünf Jahren an einer Schulung zur interkulturellen Kompetenz teilgenommen? (Bitte für die letzten fünf Jahre nach Umfang, Themen und Anzahl der Mitarbeiterinnen Mitarbeiter nach Bereichen getrennt auflisten) Zu 1. und 3.: Der Übersichtlichkeit wegen werden Fragen 1 und 3 gemeinsam beantwortet. Die Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucher- schutz sieht die Vermittlung interkultureller Kompetenzen und die Bewusstseinsbildung im Bereich des Umgangs mit Menschen fremder Länder und Kulturen als besonders wichtig an. Das Gemeinsame Juristische Prüfungsamt (GJPA) als Träger der Fortbildung berücksichtigt dieses Fortbildungsthema daher seit vielen Jahren im Rahmen seiner fachübergreifenden und verhaltensorientierten Fortbildungen in enger Kooperation mit der Justizakademie des Landes Brandenburg. Das Thema ist auch ein wichtiger Baustein bei der Begleitung damit zusammenhängender Projekte wie Mediation, Supervision und Intervision , bei denen der Umgang mit Menschen anderer Länder und Kulturen und die Einstellung auf deren Wahrnehmung neben anderen Themen immer wieder eine gewichtige Rolle spielen. Der Vermittlung von Sprachkompetenzen kommt dabei eine große Bedeutung zu. Das Gemeinsame Juristische Prüfungsamt bietet daher seit vielen Jahren auch Sprachkurse für Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, insbesondere für Englisch und Polnisch, an, die sehr gut angenommen werden. Darüber hinaus werden Fragen der interkulturellen Kompetenz auch regelmäßig im Rahmen fachrechtlicher Veranstaltungen und in Führungskräfteschulungen einbezogen. Weitere Fortbildungen zu interkulturellen Kompetenzen werden an der Deutschen Richterakademie (DRA) in Wustrau und Trier angeboten, an denen Vertreter der Berliner Richterschaft und Staatsanwaltschaft regelmäßig teilnehmen. Die dort nach Länderproporz für Berlin zur Verfügung stehenden Plätze werden ausgeschöpft, häufig werden sogar zusätzliche Plätze anderer Bundesländer übernommen. Schließlich stehen den Angehörigen des höheren Jus- tizdienstes in Berlin auch die Angebote der Verwaltungsakademie in Berlin offen, welche im Jahr 2012 etwa eine zweitätige Veranstaltung „Interkulturelle Kompetenz in der Team- und Projektarbeit“ anbietet. Daneben können Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte an Hospitationen im EU-Ausland im Rahmen des European Judicial Training Network (EJTN) teilnehmen. Berlin gehört bei den beantragten Plätzen und bei der Betreuung von Hospitanten aus dem EU-Ausland zur Bundesspitze. Insgesamt ist in der Richterschaft und der Staats- anwaltschaft ein großes Interesse an diesen Veranstaltungen festzustellen. Da in den letzten fünf Jahren eine Vielzahl an Fortbildungsveranstaltungen zu verschiedenen Themen auch Aspekte der interkulturellen Kompetenzen beinhaltet haben, lässt sich eine exakte Quantifizierung für alle Veranstaltungen nach Umfang, Thema und Teilnehmern nicht vornehmen. Exemplarisch hervorzuheben sind insbesondere die nachfolgenden ländereigenen Veranstaltungen und Tagungen an der Deutschen Richterakademie, die vorrangig der Fortbildung der interkulturellen Kompetenzen gewidmet waren: Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 497 2 Bereich Jahr Umfang Thema Anzahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer (R = Richterschaft, S = Staatsanwaltschaft) Anbieter Übergreifend 2008 2 Tage „Vermittlung kultureller Kompetenzen – Workshop zur kulturübergreifenden Verständigung “ R: 11 5 Amtsanwältinnen und -anwälte GJPA Interdisziplinär 2008 2 Tage „Interkulturelle Aspekte und internationale Zusammenarbeit in Umgangs- und Sorgerechtsverfahren “ R: 3 GJPA mit dem Internationalen Sozialdienst und dem Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. Familienrecht 2008 6 Tage Deutsch-polnische Tagung zum Kindschaftsrecht R: 5 DRA Übergreifend 2008 6 Tage Über die Unabhängigkeit der Justiz - ein europäischer Vergleich R: 3 DRA Übergreifend 2008 6 Tage Deutsch-chinesisches Richter-seminar R: 1 DRA Übergreifend 2008 7 Tage Interkulturelle Kommunikation im Gerichtssaal R: 8 DRA Übergreifend 2008 6 Tage Richterliche Ethik – Grundlagen , Perspektiven, weltweiter Vergleich richterlicher Verhaltensstandards R: 1 DRA Übergreifend 2009 2 Tage „Soziale Kompetenz“ und „Konstruktives Konfliktmanagement “ R: 11 S: 2 GJPA Übergreifend 2009 1 Tag Allgemeines Gleichstellungsgesetz (AGG) R: 3 S: 1 GJPA Übergreifend 2009 6 Tage Richterliche Ethik – Grundlagen , Perspektiven, weltweiter Vergleich richterlicher Verhaltensstandards R: 3 DRA Übergreifend 2009 6 Tage Über die Unabhängigkeit der Justiz - ein europäischer Vergleich R: 3 DRA Übergreifend 2009 6 Tage Die russische Justiz und das russische Gerichtssystem R: 2 DRA Familienrecht 2009 6 Tage Deutsch-amerikanische Tagung zum Kindschaftsrecht R: 4 DRA Übergreifend 2009 6 Tage Interkulturelle Kommunikation im Gerichtssaal R: 6 DRA Übergreifend 2009 6 Tage Justiz und Islam R: 2 DRA Übergreifend 2010 2 Tage „Diversity Management“ R: 10; S: 4 GJPA Familienrichterinnen und Familienrichter 2010 2 Tage Binationale Kindschaftskonflikte zwischen polnischen und deutschen Eltern und Institutionen Externe Veranstaltung , Teilnehmerzahl liegt nicht vor Sozialpädagogisches Fortbildungsinstitut Berlin- Brandenburg (SFBB) Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 497 3 Übergreifend 2010 6 Tage Deutsch-chinesisches Richter-seminar R: 1 DRA Übergreifend 2010 6 Tage Die russische Justiz und das russische Gerichtssystem R: 2 DRA Übergreifend 2010 7 Tage Interkulturelle Kommunikation im Gerichtssaal R: 5 DRA Familienrecht 2010 6 Tage Internationales Familienrecht R: 3 DRA Übergreifend 2010 7 Tage Menschen vor Gericht – Kommunikationskompetenzen als richterliches Qualitätsmerkmal (Grundtagung) R: 2 DRA Übergreifend 2010 7 Tage Menschen vor Gericht – Kommunikationskompetenzen als richterliches Qualitätsmerkmal (Aufbautagung) R: 1 DRA Übergreifend 2010 6 Tage Richterliche Ethik – Grundlagen , Perspektiven, weltweiter Vergleich richterlicher Verhaltensstandards R: 2 DRA Übergreifend 2010 6 Tage Über die Unabhängigkeit der Justiz - ein europäischer Vergleich R: 1 DRA Übergreifend 2010 2 Tage Diversity Training R: 10; S: 4 GJPA Familienrecht 2011 2 Tage Interdisziplinäre Zusammenarbeit im Familienkonflikt: Problembereiche und Lösungsansätze im Beschleunigten Familienverfahren bei schwierigen Fallkonstellationen - Konzepte zur Stärkung der Erziehungskompetenz der Eltern R: 30 GJPA mit SFBB und Rechts- anwaltskammer Berlin Übergreifend 2011 7 Tage Menschen vor Gericht – Kommunikationskompetenzen als richterliches Qualitätsmerkmal (Grundtagung) R: 2 DRA Übergreifend 2011 7 Tage Menschen vor Gericht – Kommunikationskompetenzen als richterliches Qualitätsmerkmal (Aufbautagung) - DRA Übergreifend 2011 6 Tage Justiz und Islam R: 2 DRA Übergreifend 2011 6 Tage Richterliche Ethik - Grundlagen , Perspektiven, weltweiter Vergleich richterlicher Verhaltensstandards R: 2 DRA Übergreifend 2011 6 Tage Über die Unabhängigkeit der Justiz - ein europäischer Vergleich R: 2 DRA Übergreifend 2011 6 Tage Deutsch-türkische Tagung R: 2, S: 1 DRA Übergreifend 2011 6 Tage Interkulturelle Kommunikation im Gerichtssaal R: 1 DRA Übergreifend 2012 1 Tag Justiz und Islam 20 Plätze GJPA Übergreifend 2012 7 Tage Menschen vor Gericht – Kommunikationskompetenzen als richterliches Qualitätsmerkmal (Grundtagung) R: 4 DRA Übergreifend 2012 7 Tage Über die Unabhängigkeit der Justiz – ein europäischer Vergleich R: 5 DRA Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 497 4 Übergreifend 2012 7 Tage Menschen vor Gericht – Kommunikationskompetenzen als richterliches Qualitätsmerkmal (Aufbautagung) 2 Plätze DRA Übergreifend 2012 6 Tage Die russische Justiz und das russische Gerichtssystem R: 2 DRA Übergreifend 2012 7 Tage Deutsch-japanische Tagung 2 Plätze DRA Übergreifend 2012 6 Tage Richterliche Ethik – Grundlagen , Perspektiven, weltweiter Vergleich richterlicher Verhaltensstandards R: 2 DRA Familienrecht 2012 6 Tage Internationales Familienrecht 2 Plätze DRA Übergreifend 2012 7 Tage Interkulturelle Kommunikation im Gerichtssaal 2 Plätze DRA Die oben genannten Angebote stehen auch den Richterinnen und Richtern der Berliner Arbeitsgerichtsbarkeit offen. Diese führt zudem einmal jährlich für ihre Richterinnen und Richter - und seit dem Jahr 2007 zugleich auch für die Richterschaft der Brandenburger Arbeitsgerichte - eine interne Fortbildungsveranstaltung durch. In diesem Rahmen fand im Jahr 2005 ein Vortrag zum Thema „Islamische Bürger im Gerichtssaal – Dolmetschen und Sprache, Kommunikationsstil“ statt. Die Zahl der Arbeitsrichterinnen und Arbeitsrichter, die an den oben genannten Veranstaltungen teilgenommen haben, wird nicht zentral erfasst und ließe sich daher nur mit unverhältnismäßig großem Aufwand ermitteln. An der internen Fortbildungsveranstaltung im Jahr 2005 haben 50 Richterinnen und Richter der Arbeitsgerichtsbarkeit teilgenommen. 2. Welche Aus- und Fortbildungsverpflichtung zu in- terkultureller Kompetenz bestehen im Rechtsreferendariat ? (Bitte nach Umfang und Themen getrennt auflisten ) Zu 2.: Eine ausdrückliche Aus- und Fortbildungsver- pflichtung zum Thema „interkulturelle Kompetenz“ besteht für Referendare nach der derzeitigen Rechtslage nicht. Jedoch ist schon vor der ersten juristischen Prüfung der erfolgreiche Besuch einer fremdsprachigen rechtswissenschaftlichen Veranstaltung oder eines rechtswissenschaftlich ausgerichteten Sprachkurses im Rahmen des Universitätsstudiums nachzuweisen. Während des Vorbereitungsdienstes haben die Re- ferendare dann die Möglichkeit, sich bei geeigneten Ausbildungsstellen im In- und Ausland neben den Kenntnissen in den Pflicht- und Wahlfächern sowie dem berufspraktischen Arbeiten auch interkulturelle Kompetenzen anzueignen. Als Beispiel seien hier die Ausbildung bei Auslandsvertretungen der Bundesrepublik Deutschland , internationalen Rechtsanwaltskanzleien, internationalen Organisationen oder Integrationsministerien genannt . Von dieser freiwilligen Möglichkeit wird rege Gebrauch gemacht. Daneben besteht auch für Rechtsreferendare die Möglichkeit, an einer internationalen Fortbildung im Rahmen des THEMIS-Wettbewerbs des European Judicial Training Network (EJTN) teilzunehmen. Weiterhin vermittelt das Land Nordrhein-Westfalen mit Förderung durch das Deutsch-Französische Jugendwerk auch Berliner Referendarinnen und Referendaren die Teilnahme an Seminaren zur Einführung in das französische Rechtswesen und die französische Rechtsterminologie in Frankreich . Für das zweite Halbjahr 2012 ist außerdem eine zwei- tägige landeseigene Fortbildung „Interkulturelle Kompetenz für Juristen – Ein Training für Rechtsreferendare“ geplant. 4. Welche Standards bestehen für Gerichte und Staatsanwaltschaften zum kultursensiblen Umgang? Zu 4.: Spezifische Standards sind hierfür nicht fest- gelegt. Alle Beschäftigten sind jedoch gehalten, bei ihrer Tätigkeit auf die jeweiligen Gegebenheiten der betroffenen Person, ungeachtet von deren Herkunft, Bildung oder ähnlichen Voraussetzungen einzugehen. Dies gilt besonders auch in der Arbeitsgerichtsbarkeit. 5. Welche Kompetenzen sollten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hinsichtlich der interkulturellen Kommunikation im Gerichtssaal mitbringen? Zu 5.: Das Eingehen auf die Bedürfnisse des/der ggf. unkundigen rechtsuchenden Bürgers/Bürgerin ist für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gerichte und Strafverfolgungsbehörden eine Selbstverständlichkeit; es gehört gleichsam zu ihren Gründungs- und Funktionsprinzipien . Diese Grundsätze sind - natürlich - auch im Umgang mit Menschen aus anderen Kulturbereichen zum Tragen zu bringen. Dies lässt sich auch an folgenden Regelungen fest- machen: Voraussetzung für die Berufung in ein Richterverhältnis und damit in Berlin auch für die Berufung in das Amt einer Staatsanwältin oder eines Staatsanwaltes ist nach § 9 Nr. 4 des Deutschen Richtergesetzes, dass die Kandidatin oder der Kandidat über die erforderliche soziale Kompetenz verfügt. Dazu gehört auch die inter- Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 497 5 kulturelle Kompetenz. Kommunikationsfähigkeit wird . Welche Schwierigkeiten sieht der Senat in der in- u 6.: Spezifische Schwierigkeiten in der interkultur . Welche Kriterien interkultureller Kompetenz sind u 7.: Siehe Frage 5 . Hält der Berliner Senat die interkulturelle Kom- u 8.: Grundsätzlich ja. Das oben aufgeführte umfangrei Ber n, den 5. Juni 2012 Thomas Heilmann S ingang beim Abgeordnetenhaus am 21. Juni 2012) zudem in den relevanten Verwaltungsvorschriften (AnforderungsAV , BeurteilungsAV) und in der Ausschreibung für den richterlichen Probedienst im Internet ausdrücklich verlangt. In der Ausschreibung wird zudem darauf hingewiesen, dass Menschen mit Migrationshintergrund ausdrücklich erwünscht sind. 6 terkulturellen Kommunikation vor Gericht? Welche konkreten Maßnahmen zum Abbau sind geplant? Z ellen Kommunikation vor Gericht sieht der Senat nicht. 7 in der Berliner Justiz in den Anforderungsprofilen der Beschäftigten enthalten? Z 8 petenz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für ausreichend ? Wenn nein, was gedenkt der Senat zu tun, zur Steigerung der interkulturellen Kompetenz? Z che Fortbildungsangebot in diesem Bereich soll zur weiteren Verbesserung dennoch aufrecht erhalten bleiben. li enator für Justiz und Verbraucherschutz (E