Drucksache 17 / 10 501 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage der Abgeordneten Canan Bayram (GRÜNE) vom 10. Mai 2012 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 14. Mai 2012) und Antwort Endlich Alternativen zur Abschiebehaft in Berlin schaffen! Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28 Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Personen befinden und befanden sich in Abschiebehaft? (Bitte für die letzten vier Jahre ge- trennt auflisten nach Geschlecht, Alter, Dauer und Herkunftsland.) Zu 1.: Insassenzahlen Abschiebungsgewahrsam Jahr gesamt männlich weiblich <16 16 bis <18 18 bis <60 60> 2008 1142 939 203 4 79 1056 3 2009 779 681 98 4 32 741 2 2010 690 612 78 1 7 677 5 2011 546 485 61 0 4 541 1 2012* 144 133 11 0 0 144 0 *Stichtag 30.04.2012 Anzahl Personen in Abschiebungshaft nach Dauer 2008 gesamt männl. weibl. <16 16 bis <18 18 bis <60 60 > < 2 Wochen 579 457 122 4 67 507 1 2 bis < 6 Wochen 285 241 44 - 6 277 2 6 Wochen bis < 3 Monate 193 167 26 - 6 187 - 3 bis < 6 Monate 84 73 11 - - 84 - 6 bis < 12 Monate 1 1 - - - 1 - 12 Monate> - - - - - - - 2009 gesamt männl. weibl. <16 16 bis <18 18 bis <60 60> < 2 Wochen 236 194 42 2 10 223 1 2 bis < 6 Wochen 286 254 32 1 11 273 1 6 Wochen bis < 3 Monate 200 186 14 1 8 191 - 3 bis < 6 Monate 57 47 10 - 3 54 - 6 bis < 12 Monate - - - - - - - 12 Monate> - - - - - - - 2010 gesamt männl. weibl. <16 16 bis <18 18 bis <60 60 > < 2 Wochen 276 245 31 - 4 271 1 2 bis < 6 Wochen 193 173 20 1 1 187 4 6 Wochen bis < 3 Monate 168 1478 20 - 2 166 - 3 bis < 6 Monate 53 46 7 - - 53 - Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 501 2 6 bis < 12 Monate - - - - - - - 12 Monate> - - - - - - - 2011 gesamt männl. weibl. <16 16 bis <18 18 bis <60 60 > < 2 Wochen 266 231 35 - 2 263 1 2 bis < 6 Wochen 178 161 17 - 2 176 - 6 Wochen bis < 3 Monate 97 88 9 - - 97 - 3 bis < 6 Monate 5 5 - - - 5 - 6 bis < 12 Monate - - - - - - - 12 Monate> - - - - - - - 2012* gesamt männl. weibl. <16 16 bis <18 18 bis <60 60 > < 2 Wochen 79 71 8 - - 79 - 2 bis < 6 Wochen 49 46 3 - - 49 - 6 Wochen bis < 3 Monate 15 15 - - - 15 - 3 bis < 6 Monate 1 1 - - - 1 - 6 bis < 12 Monate - - - - - - - 12 Monate> - - - - - - - *Stichtag 30.04.2012 Staatsangehörigkeit der in Abschiebungshaft befindlichen Personen (aufgelistet jeweils pro Jahr nach den ersten zehn Nationalitäten/Herkunftsländer) 2008 Nation 2009 Nation 2010 Nation 1 495 Vietnam 221 Vietnam 236 Vietnam 2 82 Türkei 62 Türkei 37 Türkei 3 55 Ukraine 48 Serbien 37 Serbien 4 47 Serbien 47 Afghanistan 31 Ghana 5 35 Russland 29 Ukraine 23 Georgien 6 33 Libanon 24 Iran 23 Libanon 7 25 Algerien 23 Ungeklärt 21 Russland 8 21 Bosnien 22 Bosnien 21 Ukraine 9 18 Nigeria 20 Russland 19 Polen 10 17 Brasilien 19 Brasilien 17 Nigeria Staatsangehörigkeit der in Abschiebungshaft befindlichen Personen (aufgelistet jeweils pro Jahr nach den ersten zehn Nationalitäten/Herkunftsländer) 2011 Nation 2012 Nation 1 145 Vietnam 25 Vietnam 2 46 Türkei 21 Ghana 3 37 Serbien 10 Türkei 4 35 Ghana 9 Ukraine 5 25 Russland 7 Polen 6 22 Ukraine 6 Tunesien 7 17 Polen 6 Georgien 8 14 Georgien 5 Serbien 9 13 Mongolei 4 Russland 10 11 Libanon 4 Algerien 2. Wie viele besonders schutzbedürftiger Personen waren in den letzten vier Jahren in Abschiebehaft, wie beispielsweise - Minderjährige (<18) - unbegleitete Minderjährige - Familien - Schwangere - ältere Menschen (>55) - psychisch Kranke und Traumatisierte? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 501 3 Zu 2.: Jahr unbegleitete Minderjährige Eltern mit minder- jährigen Kindern Schwangere ältere Menschen (>55) psychisch Kranke und Traumatisierte? 2008 49 0 1 25 * 2009 22 0 3 7 * 2010 6 0 0 17 * 2011 3 0 1 7 * *Für Personen, die nachweislich durch schwere physische oder psychische Gewalt traumatisiert worden sind, besteht keine Verwahrfähigkeit. Eine über die Tabelleninhalte hinausgehende Differenzierung wird nicht erhoben. 3. Wie viele Personen wurden jährlich aus der Abschiebehaft seit 2008 in welche Länder abgeschoben? (Bitte getrennt auflisten nach Geschlecht, Alter, Dauer und Herkunftsland.) Zu 3.: Die erbetenen Daten zur Anzahl der Personen , die seit 2008 jährlich aus der Abschiebungshaft abgeschoben wurden, sind – unterteilt nach der jeweiligen Staatsangehörigkeit der Betroffenen – der u.a. Tabelle zu entnehmen. Weitere Daten werden nicht erhoben. Abschiebungen aus Abschiebungshaft im Jahr 2008 Abschiebungen aus Abschiebungshaft im Jahr 2009 Land ehemalige Asyl- bewerber /innen sonstige Aus- länder/innen Land ehemalige Asyl- bewerber /innen sonstige Aus- länder/innen Albanien 0 4 Albanien 0 5 Bosnien 1 14 Bosnien 1 16 Kroatien 0 7 Kroatien 0 3 Serbien 3 39 Serbien 3 34 Jugoslawien 2 11 Montenegro 0 1 Lettland 0 1 Makedonien 0 3 Montenegro 0 1 Moldau 0 3 Makedonien 0 10 Kosovo 2 10 Moldau 0 7 Polen 0 10 Polen 0 8 Rumänien 0 1 Russland 1 20 Russland 0 10 Türkei 1 45 Türkei 5 36 Ukraine 0 45 Ukraine 0 27 Weißrussland 0 9 Weißrussland 0 3 Algerien 0 5 Algerien 1 5 Äthiopien 1 0 Cote d´Ivoire 0 1 Nigeria 0 9 Nigeria 1 3 Gambia 0 5 Gambia 0 1 Ghana 0 4 Ghana 0 1 Kenia 0 1 Marokko 0 3 Kongo 0 1 Mozambique 0 1 Libyen 0 1 Guinea-Bissau 0 1 Mali 0 1 Kamerun 0 2 Marokko 0 2 Togo 0 1 Kamerun 0 2 Tunesien 0 3 Togo 0 1 Uganda 0 1 Tunesien 1 3 Brasilien 0 16 Uganda 1 0 Guyana 0 1 Argentinien 0 1 Chile 0 3 Brasilien 0 12 Ecuador 0 1 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 501 4 Chile 0 4 Peru 0 1 Kuba 0 1 USA 0 1 Peru 0 1 Armenien 0 1 Armenien 0 4 Afghanistan 0 2 Aserbaidschan 0 3 Aserbaidschan 0 2 Georgien 1 8 Georgien 1 8 Vietnam 70 145 Sri Lanka 0 1 Indien 0 2 Vietnam 34 137 Irak 0 6 Indien 0 5 Iran 0 1 Irak 1 0 Israel 0 1 Iran 0 1 Kasachstan 0 3 Israel 0 1 Jordanien 0 1 Japan 0 1 Kirgistan 0 1 Kasachstan 0 1 Libanon 0 12 Libanon 1 3 Mongolei 0 2 Mongolei 1 0 Nepal 0 2 VR China 0 2 Bangladesch 0 2 asiat. Staaten 0 1 Pakistan 0 1 (sonstige) Syrien 1 0 VR China 0 5 Malaysia 0 3 ungeklärt 0 7 ungeklärt 0 6 gesamt jährlich 84 483 gesamt jährlich 51 382 Abschiebungen aus Abschiebungshaft im Jahr 2010 Abschiebungen aus Abschiebungshaft im Jahr 2011 Land ehemalige Asyl- bewerber /innen sonstige Aus- länder/innen Land ehemalige Asyl- bewerber /innen sonstige Aus- länder/innen Bosnien 3 9 Albanien 0 3 Bulgarien 0 1 Bosnien 1 5 Serbien 3 22 Montenegro 0 1 Lettland 0 1 Makedonien 0 3 Makedonien 0 3 Moldau 0 4 Moldau 1 6 Kosovo 1 2 Kosovo 1 6 Polen 0 14 Polen 0 18 Rumänien 0 1 Russland 2 7 Russland 3 8 Türkei 4 17 Türkei 6 17 Ukraine 0 14 Ukraine 1 17 Weißrussland 0 2 Weißrussland 0 1 Algerien 2 3 Serbien 4 13 Äthiopien 1 0 Algerien 4 4 Nigeria 0 3 Angola 0 2 Ghana 0 3 Eritrea 0 1 Kenia 1 0 Benin 0 1 Marokko 1 0 Ghana 0 3 Guinea-Bissau 0 1 DR Kongo 1 0 Kamerun 1 1 Libyen 0 3 Senegal 0 2 Guinea 1 0 Sudan 0 2 Sierra Leone 0 1 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 501 5 Togo 0 1 Somalia 0 1 Tunesien 1 1 Tunesien 0 3 Brasilien 0 5 Brasilien 0 4 Chile 0 3 Chile 0 1 Ecuador 0 1 Dom.-Rep. 0 1 Kolumbien 0 2 Peru 0 1 Peru 1 1 Armenien 0 1 USA 0 1 Afghanistan 1 0 Armenien 0 3 Aserbaidschan 1 2 Afghanistan 0 2 Georgien 1 4 Aserbaidschan 0 2 Sri Lanka 0 1 Georgien 2 11 Vietnam 29 63 Sri Lanka 0 1 Indien 1 1 Vietnam 59 105 Irak 0 3 Indien 1 1 Israel 0 1 Irak 0 1 Libanon 1 7 Kasachstan 0 3 Mongolei 0 2 Kuwait 0 1 Thailand 0 1 Libanon 1 3 VR China 1 1 Syrien 0 2 Thailand 0 1 VR China 1 0 asiat. Staaten 0 1 (sonstige) staatenlos 0 1 ungeklärt 0 2 ungeklärt 0 2 gesamt jährlich 86 277 gesamt jährlich 55 207 4. Wie stellt der Senat sicher, dass die Aufenthaltsdauer im Abschiebegewahrsam der betroffenen Personen möglichst kurz ist? Zu 4.: Das aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz ab- zuleitende Beschleunigungsgebot verpflichtet die mit dem Vollzug der Abschiebung befassten Behörden, die Abschiebung eines/r in Abschiebungshaft befindlichen Ausländers/in mit größtmöglicher Beschleunigung zu betreiben. Dieser Grundsatz wird durch die Berliner Ausländerbehörde in jeder Phase des Verfahrens strikt beachtet. Abschiebungshindernisse werden schnellst- möglich beseitigt, um die Haftzeiten so gering wie möglich zu halten. Werden nicht zu beseitigende Verzögerungen , die eine Fortdauer der Abschiebungshaft als unverhältnismäßig erscheinen lassen, erkennbar, erfolgt eine unverzügliche Haftentlassung der Betroffenen . 5. Wie viele Suizidversuche und durchgeführte Su- izide gab es seit 2008? (Bitte auflisten nach Geschlecht , Alter, Herkunftsland und Dauer der Abschiebehaft .) Zu 5.: Jahr Versuch Suizid männl. weibl. Alter Herkunftsland Dauer / Tage 2008 2 1 * 3 0 19 /22/ 30 Iran / Libyen / Tunesien * 49 / 19 / 40 2009 1 0 1 0 27 Libanon 14 2010 3 0 3 0 27/ 27/ 29 Türkei / Tunesien / ungeklärt 82 / 141 / 32 2011 3 0 3 0 24/25 / 31 Türkei / Irak / Türkei 35 / 43 / 12 2012 1 0 1 0 32 Libanon 8 2008 - Suizid 1* (Suizidversuch im Abschiebungsgewahrsam Berlin am 30.12.2007; der Tunesier ist im Januar 2008 nach der Entlassung aus dem Abschiebungsgewahrsam im Krankenhaus verstorben). Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 501 6 6. Wie sind die Haftbedingungen in Bezug auf - Persönliche Kontakte nach außen - Freizeitangebote - Möglichkeiten der Kommunikation (Internet, Telefon, Post) - Zugang zu Informationen - Gesundheitliche Versorgung - Seelsorgerische Betreuung - Rechtliche Beratung und Betreuung? Zu 6.: Das Verfahren für den Vollzug der Ab- schiebungshaft regelt die Ordnung für den Abschiebungsgewahrsam im Land Berlin v. 05.10.2011 (Gewahrsamsordnung). 7. Wie ist die Unterbringung der einzelnen unter 2. genannten Personengruppen gestaltet? Werden diese Gruppen adäquat behandelt, wenn ja, wie sieht die besondere Behandlung aus? Zu 7.: Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist (§ 62 Abs. 1 Satz 3 Aufenthaltsgesetz). Minderjährige (<18 Jahre), Familien Die Unterbringung von Eltern mit ihren minderjährigen Kindern erfolgt in Familienzimmern, die entsprechend ausgestattet sind. Das bedeutet, dass altersgerechtes Spielzeug und Schlafmöglichkeiten bereitgestellt werden. Unbegleitete Minderjährige, ältere Menschen (>55 Jahre) Ältere Menschen und unbegleitete Minderjährige werden gemeinsam mit den anderen Insassen untergebracht . Lebensältere Insassen werden motiviert, Patenschaften für minderjährige Insassen zu übernehmen . Der Sozialdienst im Abschiebungsgewahrsam gewährleistet eine intensive psychosoziale Betreuung. Personen, die über 65 Jahre alt sind, werden im Abschiebungsgewahrsam Berlin nicht untergebracht. Schwangere Schwangere werden wie alle anderen Frauen untergebracht . Ist durch die Schwangerschaft die Verwahrfähigkeit nicht mehr gegeben, werden diese Frauen entlassen (Schutzfrist: 3 Monate vor und nach errechnetem Geburtstermin). Psychisch Kranke und Traumatisierte? Personen, die durch physische oder psychische Gewalt ein Trauma erlitten haben, sind nicht verwahrfähig . Personen, die psychische Erkrankungen oder Traumatisierungen angeben, können auf eigenen Wunsch einer Fachärztin/ einem Facharzt des Polizeiärztlichen Dienstes vorgestellt werden. Im Bedarfsfall besteht die Möglichkeit einer fachärztlichen Behandlung sowie der Vorstellung in einer Klinik. 8. Wie hoch war die Auslastung der zur Verfügung stehenden Kapazitäten im Abschiebegefängnis während der letzten vier Jahre? Zu 8.: Jahr Durchschnittszahl der Häftlinge Anzahl der Haftplätze 214 in % 2008 96 44,86 2009 78 36,45 2010 63 29,44 2011 47 21,96 9. Wie hoch sind die monatlichen Kosten in der Abschiebehaft pro Häftling? Hält der Senat den finanziellen Aufwand für gerechtfertigt? Zu 9.: Jahr Jährliche Gesamt- kosten dKP* 2008 10.765.292,40 € 785,56 € 2009 11.220.296,35 € 1200,29 € 2010 11.640.773,76 € 1405,89 € 2011 11.235.519,16 € 1714,82 € * durchschnittliche monatliche Kosten pro Person Der finanzielle Aufwand entspricht den derzeitigen Rahmenbedingungen. 10. Erwägt der Senat eine Zusammenlegung des Berliner Abschiebegefängnis und dem Abschiebegefängnis in Eisenhüttenstadt? Zu 10.: Es finden Gespräche statt, die sowohl die Möglichkeiten als auch die Herausforderungen an eine Kooperation mit Brandenburg auf dem Gebiet der Abschiebehafteinrichtungen berücksichtigen. 11. Sind dem Senat Alternativen wie das „lieux d’hébergement“ in Belgien und das „Alreju“ in Brandenburg bekannt und können diese Alternativen in Berlin angewandt werden? Zu 11.: Dem Senat sind das „ALREJU“ in Brandenburg und das „lieux d´hebérgement“ in Belgien bekannt. Bei „ALREJU“ handelt es sich um ein Jugendprojekt des Landes Brandenburg. Hier geht es in erster Linie um eine Inobhutnahme minderjähriger unbegleiteter Flüchtlinge mit Migrationshintergrund. Diese werden in einer Wohneinrichtung von Pädagogen/innen sozial betreut und ggf. auch ausländerrechtlich begleitet. Die zu betreuenden Jugendlichen sind nicht zwingend ausreisepflichtig. Das Projekt stellt daher keine Alternative zur Abschiebungshaft dar. Auch besteht aus Sicht des Senats keine Veranlassung , das belgische Modell in Berlin anzuwenden. In den „lieux d´hebérgement“ werden ausreise- Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 10 501 7 pflichtige Familien untergebracht, um deren Übernahme in Abschiebungshaft zu vermeiden. Die Abschiebung erfolgt dann direkt aus der Wohneinrichtung . In Berlin werden Familien mit minderjährigen Kindern nur im äußersten Ausnahmefall in Abschiebungshaft genommen. Im Vorfeld wird – insbesondere zur Berücksichtigung des Kindeswohls – grundsätzlich geprüft, ob andere ausreichende und weniger intensive Maßnahmen zur Verfügung stehen, um die Abschiebung der betroffenen Familie auch ohne Abschiebungshaft durchführen zu können. 12. Welche Alternativen zur Abschiebehaft hält der Senat für möglich beziehungsweise wünschenswert? Zu 12.: Die Abschiebungshaft als „ultima ratio“ kommt immer erst dann in Betracht, wenn alle anderen Mittel zur Durchsetzung einer vollziehbaren Ausreiseverpflichtung ausgeschöpft sind. Jedem/r ausreisepflichtigen Ausländer/in wird zunächst die Möglichkeit gegeben, freiwillig auszureisen. Erfolgt dies nicht, prüft die Ausländerbehörde grundsätzlich, ob eine Abschiebung im Rahmen der Selbstgestellung versucht werden kann. Die Beantragung von Abschiebungssicherungshaft kommt in der Regel erst nach erfolglosem Selbstgestellungsversuch in Betracht. Die Ausländerbehörde hat auch hierbei den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Danach ist die Abschiebungshaft ausgeschlossen, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes, ebenfalls ausreichendes anderes Mittel erreicht werden kann. So ist beispielsweise in allen Fällen, in denen die Betroffenen für die Ausländerbehörde erreichbar sind und über gültige Reisedokumente und Fahrkarten verfügen oder bei der Passbeschaffung voll mitwirken und glaubhaft erklären , sich der Abschiebung nicht entziehen zu wollen, zu prüfen, ob die Inhaftnahme gegen Auferlegung einer regelmäßigen Meldepflicht unterbleiben kann. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die Abschiebungshaft insbesondere für Straftäter/innen und für Ausländer/innen, die sich der Ausreiseverpflichtung aktiv entzogen haben, nach Ansicht des Senats derzeit ein unverzichtbares – im Übrigen nach geltendem Recht auch in § 62 Abs. 3 Satz 1 Aufenthaltsgesetz unter den dort genannten Voraussetzungen zwingend vorgeschriebenes – Mittel zur Sicherung der Abschiebung ist. Berlin, den 26. Juni 2012 In Vertretung Bernd Krömer Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 06. Juli 2012)